Arzneimittel und Therapie

Vitamin-B12-Defizit unter Säureblockern

Mangel korreliert mit Langzeittherapie mit PPI bzw. H2-Blockern

Protonenpumpenhemmer (PPI) und H2-Rezeptorantagonisten (H2-Blocker) gehören zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln, oftmals auch zur Dauertherapie. Mehrere epidemiologische Studien wiesen bereits auf eine dosisabhängige Störung des Knochenstoffwechsels hin, und auch das Risiko einer Infektion durch bakterielle Besiedelungen im oberen Gastrointestinaltrakt schien erhöht. Diese Beobachtungen mahnten bereits zur Vorsicht einer rationalen Therapie mit PPI bzw. H2-Blockern. Bei Daueranwendung kamen Fälle hinzu, in denen es zu Vitamin-B12-Mangelerscheinungen kam. Eine groß angelegte Fall-Kontroll-Studie hat nun die Assoziation eines Vitamin-B12-Defizits während einer Langzeittherapie mit PPI bzw. H2-Blockern bestätigt.

Vitamin B12 (Cobalamin) beeinflusst eine ganze Reihe grundlegender Stoffwechselvorgänge im Körper. Tierische Produkte wie Fleisch, Fisch, Eier und Milch sind die Hauptquellen für Vitamin B12, sodass die meisten Menschen ihren Bedarf problemlos über die tägliche Nahrung decken. Vitamin B12 ist notwendig für die Regeneration der Folsäure und steht in engem Zusammenhang mit der Synthese der Nucleoproteine. Benötigt wird Vitamin B12 vor allem für die Zellteilung, die Blutbildung sowie den Aufbau und die Aufrechterhaltung des Nervensystems und ist somit für die körperliche Entwicklung essenziell. Je nach Alter und Geschlecht gelten daher verschiedene Normwerte (siehe Kasten) [1].

Die Resorption von Vitamin B12 ist abhängig von der Magensäure und dem in den Parietalzellen der Magenschleimhaut gebildeten Intrinsic Factors (IF). Das an tierischem Protein gebundene Vitamin B12 wird dabei bereits im Magen durch Pepsin freigesetzt und an IF gebunden. Durch Bindung an dieses Protein wird das Vitamin B12 vor der Zerstörung durch Darmbakterien geschützt und im terminalen Ileum resorbiert. Die Leber dient als physiologischer Speicher für Vitamin B12 und deckt den theoretischen Bedarf für etwa drei Jahre, sodass sich ein praktischer Mangel erst nach längerer Zeit bemerkbar macht.

Eine strikt vegetarische bzw. vegane Kost ist oftmals ein Risikofaktor für die Entwicklung eines Vitamin-B12-Defizits. Auch ältere Menschen leiden häufiger unter einem Vitamin-B12-Mangel. Aufgrund chronisch entzündlicher Darmerkrankungen bzw. einer pathologisch veränderten Magenschleimhaut ist die Säure- bzw. IF-Sekretion nicht mehr ausreichend, um die benötigten Mengen an Vitamin B12 aus der Nahrung aufzunehmen. Die daraus resultierende Störung der DNA- und RNA-Synthese erklärt die vordergründige Mangelsymptomatik und reicht von perniziöser Anämie mit einhergehender Schwäche, Schwindel und Blässe bis hin zu neurologischen Veränderungen wie Parästhesien, Muskelschwäche sowie Demenz.

Neben pathologischen Ursachen für die verminderte Resorption von Vitamin B12 wird auch eine Korrelation zwischen verringerter Magensäure-Sekretion nach einer Dauertherapie mit Protonenpumpenhemmern bzw. H2-Blockern und einer Malabsorption von Vitamin B12 vermutet. Durch die üblichen Indikationen, wie Refluxösophagitis bzw. rezidivierende Ulcera, gehören diese Substanzklassen zu den am meisten verordneten Medikamenten. Sowohl Protonenpumpenhemmer als auch H2-Blocker verschieben den pH-Wert des Magens in den basischen Bereich und beeinflussen somit die Bioverfügbarkeit anderer Nahrungsbestandteile sowie Medikamente.

PPI stärker mit erhöhtem Risiko für Vitamin-B12-Mangel assoziiert

Um diese mögliche Assoziation zu bestätigen, führten kalifornische Wissenschaftler um Jameson R. Lam eine Fall-Kontroll-Studie durch, deren Ergebnisse nun im JAMA veröffentlicht wurden [2]. Dabei wurde das Auftreten von definierten Vitamin-B12-Mangelerscheinungen untersucht und die Häufigkeit einer vorherigen Einnahme von PPI bzw. H2-Blockern über mindestens zwei Jahre bewertet. Der Beobachtungszeitraum der Studie erstreckte sich dabei von Januar 1997 bis Juni 2011. Insgesamt traten 25.956 Fälle eines nachgewiesenen Defizits auf, gegenüber 184.199 Kontrollpatienten ohne ausgeprägte Symptomatik eines Mangels an Vitamin B12. Dabei erhielten 12% der Patienten mit Vitamin-B12-Defizit eine mindestens zweijährige Behandlung mit PPI, verglichen mit 7,2% der mit PPI therapierten Patienten in der Kontrollgruppe (OR, 1,65 [95% KI, 1,58 bis 1,73]). Ähnliches ergab sich für die Behandlung mit H2-Rezeptorantagonisten, wobei 4,2% der Patienten mit Vitamin-B12-Mangelerscheinungen eine Langzeitbehandlung erhielten, gegenüber 3,2% der Patienten in der Kontrollgruppe (OR, 1,25 [95% KI, 1,17 bis 1,34]). Die Autoren der Studie zeigten somit, dass eine Langzeittherapie mit Protonenpumpenhemmern bzw. H2-Rezeptorantagonisten über mindestens zwei Jahre mit einem signifikant erhöhten Risiko eines Vitamin-B12-Defizits assoziiert ist. Als theoretischen Richtwert gaben die Forscher an, dass eine tägliche Dosis von 1,5 Tabletten eines beliebigen Protonenpumpenhemmers eine höhere Korrelation eines Vitamin-B12-Defizits aufweist (OR, 1,95 [95% KI, 1,77 bis 2,15]) als 0,75 Tabletten pro Tag (OR, 1,63 [95% KI, 1,48 bis 1,78]; p = 0,007 für Interaktion). Darüber hinaus fanden die Wissenschaftler in einer Subgruppenanalyse ein höheres Risiko eines Vitamin-B12-Mangels bei Frauen sowie jüngeren Patienten, da hier die Wirksamkeit einer Blockierung der Magensäure-Sekretion höher ist.

Assoziation ja, Kausalität nein

Aufgrund der hier gewählten retrospektiven Fall-Kontroll-Studie kann keine Kausalität zwischen einer Entwicklung einer Vitamin-B12-Mangelerscheinung und der Langzeitbehandlung mit Protonenpumpenhemmern bzw. H2-Blockern belegt, sondern ausschließlich eine mögliche Korrelation bestätigt werden. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass neben der medikamentösen Therapie noch verbleibende Störfaktoren das Ergebnis dieser Studie mit beeinflusst haben. Dennoch identifizieren die Forscher aufgrund der Studiendaten eine mögliche Risikopopulation für das Auftreten eines Vitamin-B12-Defizits durch die Langzeiteinnahme von Hemmstoffen der Magensäure-Sekretion. Die Empfehlung der Autoren richtet sich daher an die therapiebegleitenden Ärzte und Apotheker, die nötige Wachsamkeit bei der Langzeitbehandlung mit Protonenpumpenhemmern bzw. H2-Rezeptorantagonisten zu zeigen, bei steter Nutzung der möglichst niedrigsten Dosierung. Bei einem möglichen Auftreten von Vitamin-B12-Mangelerscheinungen sollte zumindest ein Medikationswechsel diskutiert bzw. die nötige Supplementierung durchgeführt werden. 

Quelle

[1] Labor und Diagnose: Indikation und Bewertung von Laborbefunden für die medizinische Diagnostik, Lothar Thomas, 8. Auflage, 2012, TH-Books.

[2] Lam JR, et al. Proton pump inhibitor and histamine 2 receptor antagonist use and vitamin b12 deficiency. JAMA (2013) 310(22): 2435–2442.

 

Apotheker André Said

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