Pharmaziegeschichte

Alte Apotheken in Barcelona

Barcelona, die Hauptstadt Kataloniens, ist aus touristischer Sicht nicht nur eine Stadt der Kunst, Architektur und des katalanischen Jugendstils, des sogenannten Modernisme, sondern blickt auch auf ein beeindruckendes pharmaziehistorisches Erbe zurück. Davon legen zahlreiche Apotheken in der Innenstadt ein lebendiges Zeugnis ab. Sehenswert ist auch das 1957 gegründete Museum der katalanischen Pharmazie in der Fakultät für Pharmazie der Universität Barcelona.

Der Museumsgründer Dr. Jesús Isamat Vila (1895 bis 1981) vom Lehrstuhl für Geschichte der Pharmazie hatte eine Ausstellung konzipiert, die den Schwerpunkt auf die Geschichte der kunstgerechten Zubereitung von Arzneimitteln legte. So baute er insbesondere eine umfangreiche Sammlung alter Fertigarzneimittel und pharmazeutischer Geräte auf.

Aus Platzmangel wurden die meisten Schaukästen in den Korridoren und Treppenhäusern des Fakultätsgebäudes untergebracht. So stellt das Museum keine abgeschlossene Einheit dar, sondern ist gleichsam als offenes Museum im täglichen Studienbetrieb präsent. Besucher, die die gesamte Ausstellung besichtigen wollen, müssen deshalb sechs Stockwerke hinaufsteigen (es gibt keinen Aufzug) und begehen.

Herzstück des Museums ist eine Offizin aus dem 18. Jahrhundert, deren Herkunft unbekannt ist. Sie besteht aus einem großen Tisch und einem dreiteiligen Wandschrank, der mit Gold, Ocker und einer grün schimmernden Marmorimitation verziert ist. Um die Ausstattung zu vervollständigen, ließ Isamat einen Nachbau des Originaltisches sowie zweier Glasschränke anfertigen, in denen Keramik- und Glasgefäße ausgestellt sind, sowie einen Schautisch für Folianten und einzelne Seiten alter Kräuterbücher.

Das wertvollste Stück der Bibliothek ist das einzige erhaltene Exemplar des "Concordie apothecariorum Barchinone in medicamentis compositis liber" aus dem Jahr 1511. Das im Auftrag der Apothekerzunft von Barcelona gedruckte Buch wird heute als die älteste Pharmakopöe Spaniens angesehen.

Pharmazeutische Geräte

Zahlreiche Geräte dokumentieren die frühere Herstellung von Arzneimitteln: Mörser in verschiedenen Formen und Materialien, Trockenöfen, Destilliergeräte, Autoklaven, Tablettenpressen, kleine handbetriebene Dragierkessel und Zentrifugen sowie eine Sammlung von Gasbrennern aus aller Welt. Den zahlenmäßig größten Teil bilden die Geräte und Instrumente aus den alten Laboratorien der Pharmazeutischen Fakultät: Polarimeter, Spektrometer, Präzisionswaagen, Mikroskope, Polarisationsmikroskope, Aerometer, Kolorimeter und Viskosimeter, um nur einige zu nennen. Die ausgestellten Apparaturen und Geräte sind nicht selten deutscher Herkunft.

Albarelli und Holzbüchsen

Die im Museum ausgestellten Apothekengefäße bilden eine sehr heterogene Sammlung von Behältnissen aus Keramik, Steinzeug, Holz und Glas. Glasierte Keramiken wurden erstmals im 9. oder 10. Jahrhundert im Mittleren Osten als Aufbewahrungsgefäße für Arzneimittel benutzt und später in Europa unter dem italienischen Begriff "Albarello" bekannt. Die Keramikgefäße des Museums entstammen unterschiedlichsten Epochen und Provenienzen. Regionaltypisch sind die blau-weißen, mit geometrischen Mustern verzierten Albarelli, die im 17. Jahrhundert entstanden sind.

Die teils einfarbigen, teils bunten Holzgefäße zur Aufbewahrung von Drogen besitzen meist noch die alten Beschriftungen. Die Glasgefäße sind wesentlich jünger, sie setzten sich mit der Industrialisierung durch.

Arzneimittelwerbung im Museum

Die umfassende Sammlung von Werbeplakaten und -schildern wurde erst in jüngster Zeit in Zusammenarbeit mit der privaten Stiftung "Corcòrdia Farmacèutica" aufgebaut. Sie spiegelt eindrucksvoll die sich am Ende des 19. Jahrhunderts radikal verändernden Therapieansätze wider. Auch andere Werbeartikel wie Taschen, Postkarten, Kalender und Fächer sind ausgestellt.

Die "Pharmakoteka" umfasst etwa 2200 Arzneispezialitäten. Im monatlichen Wechsel werden einige thematisch zusammen passende Medikamente ausgewählt und in einem kleinen Schaukasten im Vestibül der Fakultät präsentiert. Dazu liegen Handzettel auf, anhand derer sich die Studenten über die Geschichte der verschiedenen Therapien und ausgestellten Medikamente informieren können. Laut Aussage der Museumsleiterin Dr. Iris Figuerola-Pujol wird dies von den etwa 4000 Studenten der Fakultät sehr gut angenommen und geschätzt.

Historische Apotheken im Stadtkern

Hier soll eine kleine Auswahl dieser Apotheken vorgestellt werden, die sich alle im direkten Stadtkern Barcelonas oder in unmittelbarer Nähe befinden. Es handelt sich dabei beinahe ausschließlich um Apotheken im Stil des Modernisme, des katalanischen Jugendstils. An einigen Apotheken ist leider nur noch die Fassade zu bewundern, sie werden heute zweckentfremdet – beispielsweise als Bar – genutzt, in anderen wird hingegen noch heute eine Apotheke betrieben. Besonders sehenswert ist beispielsweise die Farmàcia Bolós, die neben einer intakten Fassade auch ein sehr ansprechendes Interieur zeigt. Die hohen, sich kuppelartig über die Offizin wölbenden Decken, sind mit üppigen, in grün gehaltenen Bildern und einem an pharmazeutischen Bezügen reichen Fries verziert. Des Weiteren finden sich dort zahlreiche der für den Modernisme so typischen Buntglasfenster und ein filigran gestaltetes Holzmobiliar.

Früher Apotheke, heute Touristenbar

Direkt neben dem Antic Hospital de la Santa Creu, das bereits im 11. Jahrhundert als Pilgerhospiz gegründet wurde, später ein Krankenhaus war und heute die medizinische Fakultät beheimatet, liegt die Farmàcia del Carmen mit ihrer durch zahlreiche Steinmetzarbeiten und dekorative Mosaiken ornamentierten Fassade. Von dort sind es nur wenige Fußminuten zu den Ramblas, einem von zahlreichen Kneipen, Zeitungskiosken und Souvenirläden gesäumten Boulevard, der die pulsierende Lebensader der Stadt ist. Die Bar im Haus Nr. 77, dessen Fassade mit kunstvollen Mosaiken verziert ist, war einmal die Farmàcia Dr. Genové. Ein paar Meter weiter, am Haus Nr. 121, weist das blinkende rote Kreuz auf die auch heute noch darin befindliche Farmàcia Nadel hin. Obwohl das Eckgebäude und die auffällige Fassade schon viele Jahrzehnte alt sind, wirbt die umlaufende schmiedeeiserne Reklame auch schon in deutscher Sprache für den "Apotheker", der hier seinen Dienst versieht. Überquert man die Plaça de Catalunya am oberen Ende der Ramblas, gelangt man zur Farmàcia Messeguer, einer geschmackvoll in dunklem Holz eingerichteten Offizin, mit kunstvoll gestalteten Lampen.

Die Farmàcia Vilardell, an einer Straßenkreuzung des breiten, baumbestandenen Prachtboulevards Gran Via de las Corts Catalanes gelegen, besitzt eine der vollständigsten Apothekeneinrichtungen im Stile des Modernisme. Das pharmazeutische Symbol, der Arzneikelch mit der Schlange, findet sich nicht nur an den Möbeln, sondern gleichfalls an den mit großer Kunstfertigkeit angefertigten Lampen. Das Mobiliar ist aus Mahagoni gearbeitet und wird von harmonisch integriertem Schnitzwerk gesäumt.

Apotheker freuen sich über den Besuch von Kollegen

Etwas abseits vom Zentrum, im Stadtteil Eixample, liegt die Farmàcia March i Puigoriol, die eine recht sehenswerte Fassade mit großen Schaufenstern besitzt. Die antiquierte Leuchtreklame im Inneren sowie die zahlreichen Glasgefäße könnten den Eindruck erwecken, hier sei die Zeit stehen geblieben, stünden in den Regalen nicht die modernen Fertigarzneimittelpackungen unserer Tage.

Folgt man der Carrer de Girona einige hundert Meter Richtung Meer, gelangt man zur Farmàcia Nordberck, deren Fassade in den Schnitzarbeiten und bunten Glasfenstern Jugendstil in Reinform präsentiert. Unweit davon findet sich die letzte Station dieses kleinen Stadtrundgangs, die Farmàcia Viladot, die in erster Linie wegen des schönen und farbenfrohen Mosaiks an der Fassade sehenswert ist.

Das gesamte pharmazeutische Personal aller hier beschriebenen Apotheken ist sehr freundlich, natürlich auch in einem gewissen Maße stolz auf das schöne und historische Umfeld, in dem es arbeitet, und gerne bereit, dieses dem Besucher näher zu zeigen oder fotografieren zu lassen.

Barcelona bietet für jeden etwas

Barcelona, eine lebendige Stadt am Mittelmeer, hat aufgrund ihres Facettenreichtums jedem etwas zu bieten. Kaum anderswo findet man auf so engem Raum mehrere UNESCO-Weltkulturerbestätten, liegen Gotik, Jugendstil und zeitgenössische Architektur so nahe beieinander, haben so viele namhafte Künstler ihre Spuren im Stadtbild hinterlassen, beispielsweise Picasso, Miró und Dalí.

Tradition und das patriotische Bekenntnis zur katalanischen Identität prägen das Stadtbild genauso wie die aufgeschlossene, kosmopolitische und gastfreundliche Atmosphäre. Abseits der Touristenpfade sind das Museum für Geschichte der katalanischen Pharmazie sowie die historischen Apotheken der Stadt für uns Apotheker besonders interessant.

Anschrift des Verfassers:

Andreas Siegfried Ziegler

Flurstr.

90613 Großhabersdorf

andreas.s.ziegler@gmx.de
Museu de la Farmàcia Catalana
Facultat de Farmàcia, Universitat de Barcelona
Av. Joan XXIII, s/n
E-08028 Barcelona
Tel. (0034) 93 402 45 64
Buch über Werbeplakate: Els Cartells del Museu de la Farmàcia Catalana, ISBN: 84-475-1893-0
Katalanisches Apothekenschild mit dem typischen roten Kreuz.
Foto: Ziegler
Apothekenschrank (18. Jh.) mit historischen Gefäßen im Museum der katalanischen Pharmazie.
Foto: Ziegler
Farmàcia Bolós Die Buntglasfenster über dem Eingang verlocken zum Eintreten.
Foto: Ziegler
"Concordie apothecariorum Barchinone in medicamentis compositis liber", Barcelona 1511.
Farmàcia Messeguer Trotz indirekter Beleuchtung der Regale prägt das warme Licht der alten Lampen die Raumatmosphäre.
Foto: Ziegler
Farmàcia Viladot Labormedizinische Untersuchungen waren früher eine Domäne der Apotheker.
Foto: Ziegler
Das Barbiturat Luminal Glasröhrchen und Umverpackung mit spanischer Beschriftung.
Foto: Museum
Farmàcia March i Puigoriol mit großen Jugendstilfenstern.
Foto: Ziegler
Die Fakultät für Pharmazie zeigt auf sechs Etagen Teile der pharmaziehistorischen Sammlung.
Foto: Ziegler
Albarello, 17. Jh.
Foto: Ziegler

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.