Arzneimittel und Therapie

2+1 gegen Pneumokokken

Boosterung nach zwei Impfungen schützt effektiv

Pneumokokken-Impfungen sind Bestandteil viele nationaler Empfehlungen, wobei die Schemata variieren. Eine finnische Studie hat erstmalig bei einem 10-valenten Konjugat-Impfstoff zwei Varianten miteinander verglichen. Sowohl das 3+1- als auch das 2+1-Schema boten einen ausreichenden Schutz vor invasiven Erkrankungen. Damit konnte zum ersten Mal die Wirksamkeit des 2+1-Schemas bei Kindern in einer klinischen Studie nachgewiesen werden.

Die Einführung der Pneumokokken-Impfung hat weltweit nachweislich zu einer signifikanten Reduktion von invasiven Pneumokokken-Erkrankungen bei den geimpften Kindern geführt. Auch unter den Ungeimpften sank deren Zahl (Herdenimmunität). Zur Verabreichung von Pneumokokken-Impfstoffen existieren unterschiedliche Schemata. Bisher gab es noch keine klinischen Studien zum Vergleich der verschiedenen Strategien.

Die großangelegte finnische Studie FinIP (Finnish Invasive Pneumococcal disease vaccine trial) war nicht primär für einen derartigen Schemata-Vergleich konzipiert worden. Vielmehr sollte sie grundsätzlich die Effektivität einer 10-Serotyp-spezifischen Vakzine (PHiD-CV10, s. Kasten) beim Schutz vor invasiven Pneumokokken-Erkrankungen, verursacht durch die im Impfstoff enthaltenen Serotypen, testen. Insgesamt wurden 47.369 Kinder eingeschlossen. Die Untersuchung fand zwischen Februar 2009 und Oktober 2010 in finnischen Gesundheitszentren statt. Die Gebiete der teilnehmenden Einrichtungen wurden in 78 geografische Cluster unterteilt. 52 Cluster wurden auf eine Impfung mit dem 10-valenten Pneumokokken-Impfstoff randomisiert. Die Kinder erhielten den zu prüfenden Impfstoff entweder nach dem Schema 3+1 (n = 15.879) oder 2+1 (n = 15.368).

Das angewendete Schema richtete sich nach dem Alter: Bei Säuglingen unter sieben Monaten wurde das Impfschema 3+1 oder 2+1 (s. Kasten) angewendet, Kinder zwischen sieben und elf Monaten impfte man nach der 2+1-Strategie, zwölf bis 18 Monate alte Kinder erhielten zwei Dosen des Impfstoffes im Abstand von mindestens sechs Monaten. In den zwölf Kontroll-Clustern verabreichte man entweder eine Hepatitis-B-Impfung (an Kinder unter zwölf Monaten) oder eine Hepatitis-A-Impfung (für Kinder über zwölf Monate), ebenfalls nach dem 3+1- (n = 8443) oder dem 2+1-Schema (n = 7676).

Impfschemata in der Studie


In der FinIP-Studie wurde ein Pneumokokken-Konjugatimpfstoff (PHiD-CV10, Synflorix®) verwendet. Er enthält Kapselpolysaccharide der Serotypen 1, 4, 5, 6B, 7F, 9V, 14 und 23F, jeweils konjugiert an Protein D des nicht typisierten Haemophilus influenzae sowie Kapselpolysaccharide der Serotypen 18C und 19F, konjugiert an Tetanus- und Diphtherie-Toxoide.


3+1-Schema:

Drei Impfdosen in mindestens vierwöchigem Abstand, gefolgt von einer Booster-Dosis mindestens vier Monate nach der letzten Impfung (nicht vor dem 11. Lebensmonat)


2+1-Schema:

Zwei Impfdosen in mindestens achtwöchigem Abstand, gefolgt von einer Booster-Dosis mindestens vier Monate nach der letzten Impfung (nicht vor dem 11. Lebensmonat, außer bei Kindern im Alter von sieben bis elf Monaten)

Effektivität beider Schemata bestätigt

Insgesamt traten 13 Pneumokokken-Infektionen auf: 12 in den Kontrollgruppen, eine unter dem 2+1-Schema. In den 3+1-Gruppen wurden keine derartigen Infektionen dokumentiert. Daraus errechnete sich eine Effektivität von 100% (95% KI 83 bis 100) für das 3+1-Schema und eine 92%ige Effektivität (95% KI 58 bis 100) für das 2+1-Schema.

Auch bei den älteren Kindern kam es nur in den Kontrollgruppen zu invasiven Erkrankungen: Zwei traten in der Altersgruppe sieben bis elf Monate und fünf bei den zwölf bis 18 Monate alten Kindern auf.

Während der Nachbeobachtungszeit von 25 bzw. 28 Monaten kam es zu zwölf Todesfällen, die sich auf die Gruppen gleich verteilten. Bei keinem wurde ein Zusammenhang mit der Studienmedikation oder der Studienteilnahme gesehen. Zu den Todesursachen zählten beispielsweise das Reye-Syndrom, plötzlicher Kindstod und ein Verkehrsunfall.

Bei 18 Kindern traten schwerwiegende Nebenwirkungen wie Fieberkrämpfe, Lokalreaktion und das Kawasaki-Syndrom auf; bei neun von ihnen (sechs nach Pneumokokken- und drei nach Hepatitis-Impfung) wurde ein Zusammenhang mit der Studienteilnahme gesehen.

In Deutschland zugelassene Pneumokokken-Impfstoffe.

Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfiehlt die Pneumokokken-Impfung als Standardimpfung nach dem 3+1-Schema: eine Grundimmunisierung jeweils im 2., 3. und 4. Lebensmonat (frühestens im Alter von sechs Wochen) und eine Auffrischimpfung zwischen dem 11. und 14. Lebensmonat.

Präparat
Serotypen
zugelassen für
Hersteller
Pneumovax® 23
Polysaccharid-Impfstoff
(23 Serotypen)
Kinder ab zwei Jahren
Erwachsene
Sanofi Pasteur MSD
Prevenar® 13
Konjugat-Impfstoff
(13 Serotypen)
Kinder ab sechs Wochen bis fünf Jahre
Erwachsene ab 50 Jahren
Pfizer Pharma
Synflorix®
Konjugat-Impfstoff
(10 Serotypen)
Kinder ab sechs Wochen bis fünf Jahre
GlaxoSmithKline

Argumente gegen die Impfung

In Ländern, wo die Pneumokokken-Impfung noch nicht Eingang in nationale Impfprogramme gefunden hat, ist ein häufiges Gegenargument, dass die Impfstoffe nur einen Bruchteil der weit über 90 bekannten Serotypen abdecken. Allerdings haben die 2010 publizierten Untersuchungen im Rahmen des "Pneumococcal Global Serotype Project" ergeben, dass etwa 80% der weltweit vorkommenden invasiven Pneumokokken-Erkrankungen bei Kindern unter fünf Jahren durch Serotypen verursacht werden, die in den derzeit verwendeten Impfstoffen enthalten sind. Außerdem gibt es unter Experten Bedenken, weil weltweit ein Anstieg der Pneumokokken-Infektionen durch Serotypen, die nicht in den zurzeit verfügbaren Impfstoffen enthalten sind, zu beobachten ist. Untersuchungen zufolge betrifft dies jedoch sowohl geimpfte als auch ungeimpfte Populationen gleichermaßen. Nach Ansicht einer Kommentatorin der Studie rechtfertigen die Vorteile der Impfung dennoch die WHO-Empfehlung. Die Autoren der Studie sehen ihre Bedeutung vor allem darin, dass zum ersten Mal für einen Pneumokokken-Konjugatimpfstoff in Europa eine doppelblinde Studie mit dem Endpunkt invasive Erkrankungen durchgeführt wurde und zudem die Effektivität des 2+1-Schemas erstmalig in einer klinischen Studie bestätigt werden konnte.

Polysaccharid- versus Konjugatimpfstoffe


Polysaccharid-Impfstoffe enthalten Mehrfachzucker aus der Bakterienkapsel. Sie werden zur Immunisierung ab einem Alter von zwei Jahren eingesetzt. Bei jüngeren Kindern ist das Immunsystem für eine ausreichende Immunantwort noch nicht genug ausgereift, das heißt, Polysaccharide stimulieren nur die B-Zellen und führen ausschließlich zur Bildung kurzlebiger IgM-Antikörper. Daher werden bei Impfstoffen für diese Altersgruppe die verschiedenen Kapselpolysaccharide an Trägerproteine gebunden (konjugiert). Konjugatimpfstoffe induzieren sowohl eine B- als auch eine T-Zell-Antwort mit der Bildung von IgG und Gedächtniszellen, was einen langlebigeren Schutz vor einer Infektion gewährleistet.



Quelle

Palmu AA, et al.: Effectiveness of the ten-valent pneumococcal Haemophilus influenzae protein D conjugate vaccine (PHiD-CV10) against invasive pneumococcal disease: a cluster randomised trial. Lancet (2012), online vorab publiziert am 16. November 2012, DOI: 10.1016/S0140-6736(12)61854-6

Whitney, CG: More evidence for use of pneumococcal conjugate vaccines. online vorab publiziert am 16. November 2012, DOI: 10.1016/ S0140-6736(12)61957-6.

Johnson HL, et al.: Systematic Evaluation of Serotypes Causing Invasive Pneumococcal Disease among Children Under Five: The Pneumococcal Global Serotype Project. PLoS Med (2010) 7: e1000348. doi:10.1371/journal.pmed.1000348

Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts Nr. 30 vom 30. Juli 2012

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Apothekerin Dr. Claudia Bruhn



DAZ 2012, Nr. 50, S. 44

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