Aus den Ländern

Apothekeneinrichtung im Wandel der Zeit - prachtvoll oder praktisch?

Wieso veränderten sich die Apothekenräumlichkeiten im Laufe der Geschichte von einer anfänglich einfachen Marktbude über eine Immobilie mit prunkvoller Offizin und kostbarer Ausstattung bis hin zu Verkaufsräumen, die es schließlich ermöglichten, dem Kunden die vielfältigen Waren angemessen zu präsentieren und ihm zugleich ein Beratungsgespräch anzubieten?

Mit solchen Fragen befasste sich die diesjährige, sehr gut besuchte Herbsttagung der Landesgruppen Baden und Württemberg der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie, die am 20. und 21. Oktober im Heidelberger Schloss stattfand.

Grußworte zur Eröffnung sprachen Dr. Günther Hanke, Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, die die Veranstaltung unterstützte, Dr. Albert Borchardt, Vorsitzender der Apotheker-Regionalgruppe Heidelberg, und Dr. Ursula Hirter-Trüb, Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie.


Die Referenten Dr. Elisabeth Huwer, Prof. Dr. Michael Mönnich und Prof. Dr. Marcus Plehn (4., 5. und 6. von links) sowie einige Teilnehmer der Tagung in Heidelberg. Foto: Strobel

Apotheke um 1600

Mit einer Abhandlung über die Realien (Schrift- und Bildquellen sowie gegenständliche Objekte) eröffnete Dr. Elisabeth Huwer, Leiterin des Deutschen Apotheken-Museums in Heidelberg, den Reigen der wissenschaftlichen Vorträge. Huwer wies darauf hin, dass als schriftliche Quellen, die Erkenntnisse darüber liefern können, wie eine Apotheke in der Zeit um 1600 aussah, etwa Apothekeninventare, Bücher oder Apothekenordnungen dienen, von denen aber nur wenige existieren. Als Beispiel nannte sie unter anderem die Kurpfälzer Ordnung aus dem Jahr 1582, in der zum einen erstmals angeordnet wurde, ein Laboratorium bereitzuhalten und zum anderen, die Kunden nur über ein Ladenfenster zu bedienen. Eintritt in die Apotheke "darinnen zu schwetzen seines Gefallens / und in die Büchsen zu gucken" sollte der Patient ausdrücklich nicht erhalten.

Die wenigen für die Thematik geeigneten Bildquellen aus der Zeit um 1600 bieten einen recht anschaulichen Eindruck vom Innenleben einer Apotheke und spiegeln den Arbeitsalltag eines Apothekers jener Tage wider. Zu sehen sind neben dem stets wichtigsten Motiv, nämlich der Person des Apothekers selbst, meist ein (Rezeptur-)Tisch mit Gerätschaften (hauptsächlich Mörser und Waage) darauf, Regale mit Holzbüchsen, Spanschachteln und Flaschen sowie teilweise zusätzlich dekorative Elemente wie etwa ein ausgestopftes Krokodil über dem Arbeitstisch.

Was die erhaltenen Originalobjekte aus jener Zeit anbelangt, so sind die Fundstücke ebenfalls nur in geringer Menge vorhanden und zudem oftmals aus ihrem Originalverbund gerissen, sodass meist nicht nachzuvollziehen ist, wo sich der einstige Standort der zugehörigen Apotheke befand.

Huwer konnte trotz des nicht allzu ergiebigen Quellenmaterials somit zeigen, dass eine Apotheke in der Zeit um 1600 bereits ein voll entwickelter Betrieb in bester Lage einer Stadt war, der über eine Offizin, einen Keller und Dachboden sowie evtl. ein Laboratorium verfügte. Bestückt war er in der Regel mit einem Rezepturtisch mit Schubläden, Regalen und einer dazugehörigen Leiter sowie vielfältigen und vor allem bunten und glänzenden Gerätschaften, mit deren Hilfe der Apotheker seiner Tätigkeit entsprechend den damals neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen nachgehen konnte.

Apothekeneinrichtungen – vom Verkauf zur Beratung

Einen großen Bogen – und zwar vom 13. Jahrhundert bis heute – schlug Dr. Christiane Staiger, Neu-Isenburg, in ihren anschließenden Betrachtungen, indem sie anhand zahlreicher Bilder und Fotografien demonstrierte, wie sich die Apotheke von einer ursprünglich reinen Herstellungs- und Verkaufsstätte zu einem Fachgeschäft entwickelte, in dem neben dem Verkauf und der Produktion von Arzneimitteln die Beratungsleistung durch den Apotheker mehr und mehr in den Vordergrund rückte.

Im 13. Jahrhundert gab es lediglich kleine Verkaufsbuden, aus denen heraus der Apotheker seine selbstgefertigte Ware anbot. In den darauf folgenden Jahrhunderten vergrößerte sich die Fläche der Apothekenräume (jetzt in festen Gebäuden untergebracht) merklich und die Offizinen wurden immer repräsentativer ausgestaltet. Dennoch durfte das Publikum lange Zeit in den allermeisten Fällen und in allen Teilen der Welt eine Apotheke nicht betreten. Erst im späten 18. Jahrhundert wurde dem Kunden schließlich allerorts Eintritt in die Apothekenräume gewährt, und es sollte auch noch lange dauern, bis er den flächenmäßig größeren Teil der Offizin für sich in Anspruch nehmen konnte. Die Beratungsleistung gewann dabei langsam zunehmend an Bedeutung und ist heute als verpflichtende Aufgabe in der Apothekenbetriebsordnung verankert.

Mit Recht beklagte Staiger jedoch, dass der bedeutende Stellenwert, der dem Apotheker als beratendem Arzneimittelfachmann zukommt, in neuerer Zeit zu wenig nach außen kommuniziert wird. Während sich der Apotheker in früheren Tagen immer als eine in repräsentativer Robe und in kostbar ausgestatteten Räumlichkeiten arbeitende Person abbilden ließ, sind beim Betrachten von Apothekenfotografien der Gegenwart zwar ebenfalls teure Apothekeneinrichtungen, jedoch meist menschenleere Offizinen zu erkennen. Von Apothekern und ihren Kunden ist hier meist nichts zu sehen.

Ihren Zuhörern gab Staiger deshalb die Anregung mit auf den Weg, diese Lücke zu schließen, die beratende Tätigkeit etwa im Internetauftritt der Apotheke sichtbar zu machen und auf diese Weise dazu beizutragen, die Leistungen der Apothekerschaft mehr in den Vordergrund zu rücken.

Apothekenbetrieb und -einrichtung in der NS-Zeit

Dr. Caroline Schlick, Bad Homburg, befasste sich mit dem Wandel, den die Apothekenausstattung in der Zeit ungefähr zwischen 1930 und 1945 erfuhr und mit welchen Reglementierungen sich die Apotheker jener Zeit konfrontiert sahen.

Nach Auffassung der Nationalsozialisten bedurfte es unter anderem eines einheitlichen Wahrzeichens für die deutsche Apothekerschaft, sodass im Jahr 1936 das auch heute noch verwendete gotische Apotheken-"A" entwickelt wurde, damals allerdings noch kombiniert mit der germanischen "Man-Rune". Alle Apotheken Deutschlands wurden verpflichtet, dieses Wahrzeichen an oder in ihrer Apotheke in hervorstechender Art anzubringen. Ebenso verhielt es sich mit der sogenannten "Parole der Woche" und dem "Wochenspruch der NSDAP", die in der Apotheke aufzuhängen bzw. in Propagandazeitschriften auszulegen waren. Auch ein Bild des "Führers" durfte in keiner Apotheke fehlen.

Das Schaufenster einer Apotheke eignete sich als Aushängeschild für nationalsozialistisches Gedankengut ebenfalls bestens. Aktuelle Ereignisse, wie etwa politische oder militärische Geschehnisse sollten im Apotheken-Schaufenster thematisiert werden, wohingegen sich eine merkantile Werbung nach Auffassung der Regierung nicht ziemte, da eine Apotheke kein "Objekt händlerischer Betätigung, sondern die Arzneiversorgungsstätte für die Volksgenossen" zu sein hatte.

Vorbildliche, linientreue Apotheker strebten sogar den Erwerb von Auszeichnungen an, wie etwa die des "Gaudiploms für hervorragende Leistung". Entscheidend für die Vergabe war unter anderem, dass die Belegschaft der Apotheke "nationalsozialistisch fühlte, dachte und handelte".

Bedingt durch die Wirren des Krieges verlagerten sich jedoch die Prioritäten, sodass gegen Ende der NS-Zeit weniger die Einhaltung der auferlegten Regelungen überwacht wurde als vielmehr die Aufrechterhaltung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch die Einrichtung von Not- und Bunker-Apotheken in den Vordergrund rückte.

Erfindung des Ziehschranks

Als positive Errungenschaft jener Zeit ist die Erfindung des sogenannten Apotheker-Schubladenschranks zu nennen, eines Einrichtungsgegenstandes, der auch heute noch das Arbeiten in zahlreichen Apotheken erleichtert. Die Idee für einen Prototyp lieferte im Jahre 1937 ein Leser der Deutschen Apotheker-Zeitung, entwickelt und gebaut wurde der Schrank anschließend von der Firma Oskar Heinze in Thüringen.

Im Anschluss an die Vorträge waren die Teilnehmer der Tagung eingeladen, einen Rundgang durch das Deutsche Apotheken-Museum zu machen.

Am Sonntagvormittag stand wahlweise die Besichtigung des Carl Bosch Museums (Technikmuseum) oder des Kurpfälzischen Museums in Heidelberg auf dem Programm.


Dr. Martine Strobel



DAZ 2012, Nr. 46, S. 72

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