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Hintergrundwissen zur Alltagsgeschichte der Apotheke um 1600

Archäologische Studien sind in der Pharmaziegeschichte bisher nur selten betrieben worden. Die 2008 an der Universität Tübingen mit "summa cum laude" abgeschlossene Dissertation der Direktorin des Deutschen Apotheken-Museums, Elisabeth Huwer, die nunmehr gedruckt vorliegt, stellt daher eine wichtige Bereicherung der Forschung dar.

Ausgehend von Grabungen, die 1986/87 am Heidelberger Kornmarkt, wo sich die Stadtapotheke befand, erfolgten, untersucht die Autorin anhand zu Tage beförderter Sachzeugnisse – 600 entsorgte Gefäße konnten gefunden werden – die Alltagsgeschichte der Apotheke um 1600. Dabei beschränkt sich Frau Huwer keinesfalls auf die Ergebnisse der Ausgrabung, sondern beschäftigt sich anhand schriftlicher, auch archivarischer Quellen mit der Geschichte der Stadtapotheke und deren Besitzern.

Dabei vermag sie die Erkenntnisse über diese Offizin beträchtlich zu erweitern, so auch die in der Deutschen Apotheker-Biographie zu findenden knappen biographischen Angaben über den Apothekengründer Ezechias Fettich (um 1520 – 1581), der auch als Stadtrat in Heidelberg tätig war und somit zu den politisch engagierten Pharmazeuten seiner Zeit zählt. Ein aufgefundenes Exlibris dieses Apothekers ergänzt die für die Zeit des 16. Jahrhunderts nur spärliche Überlieferung dieses Sammelobjektes.

Im Zentrum der Monographie stehen jedoch die Sachzeugnisse, die Frau Huwer in glasierte und unglasierte Irdenwaren, blau-weiße Malhornware, Fayencen, Steinzeug, Gläser, organische Materialien und Metalle unterteilt und die detailliert und kenntnisreich, mit vielen Abbildungen illustriert, in ihrem ganzen Formenreichtum dieser Zeit beschrieben werden. Erstmals wird hier ein besonders umfangreicher Bestand – zahlreiche Sachzeugnisse wurden in einem an der Nord-Ost-Ecke des Apothekengebäudes befindlichen Brunnen gefunden – untersucht und klassifiziert. Breiten Raum nimmt die typologische Datierung, die Herkunft und die Fayencegeschichte ein, wobei auch einige wenige Arzneirückstände untersucht wurden, die z. B. den Einsatz von Quecksilberpräparaten, aber auch menschlicher Knochen belegen.

In einem zweiten Hauptkapitel – von Birgit Kulessa verfasst – findet sich eine Beschreibung der Grabungen der am Marktplatz in Biberach gelegenen Apotheke. Ein drittes Hauptkapitel widmet sich den Ausgrabungen der Unteren Apotheke in Ingolstadt, bei der insbesondere in einem Abfallschacht zahlreiche Sachzeugnisse zu Tage befördert wurden.

Die Autorin stellt ihre Untersuchungen jedoch in einen noch größeren Zusammenhang, indem sie auch weitere Ausgrabungen in ihren Vergleich einbezieht. Berücksichtigung finden ferner Apothekenabbildungen des 16. Jahrhunderts sowie Apothekenordnungen des 15. und 16. Jahrhunderts. Hier gelingt es der Autorin in überzeugender Weise darzulegen, wie die in den gesetzlichen Verordnungen getroffenen Festlegungen zur Einrichtung, Lagerung und Abgabe von Arzneimitteln realisiert wurden. Die Ausführungen zur Apotheken- und Pharmaziegeschichte dieser Zeit belegen eine breite Kenntnis der Literatur.

Das vorliegende Werk ist liebevoll gestaltet und mit sehr schönen, zum Teil auch farbigen Abbildungen illustriert (lediglich die Qualität der Abbildung 90 ist weniger gut) und dürfte höchsten bibliophilen Ansprüchen genügen. Ein Katalog der Sachzeugnisse der Heidelberger Ausgrabungen bietet schließlich für jeden pharmaziehistorischen Sammler eine Fülle von Informationen.

Die Monographie bereichert unsere Erkenntnisse über die Apotheke um 1600 ganz beträchtlich, da für diese Zeit zwar die wissenschaftliche Literatur bestens aufgearbeitet ist, Informationen über die Einrichtung von Apotheken bisher jedoch nur spärlich vorlagen. Dieses Buch sollte daher in keiner pharmaziehistorischen Fachbibliothek fehlen.


Elisabeth Huwer (mit einem Beitrag von Birgit Kulessa), Apotheke um 1600 Untersuchungen zur Sachkultur im Spiegel archäologischer Quellen aus dem süd- und südwestdeutschen Raum, 312 Seiten, > Tübinger Forschungen zur historischen Archäologie, Bd. 4 <, 59 Euro,
Verlag Dr. Faustus, Büchenbach 2011. ISBN 978-3-933474-70-4


Prof. Dr. Christoph Friedrich, Marburg


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DAZ 2012, Nr. 14, S. 145

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