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Zwischenahner Dialog: Versorgung auf dem Lande: Probleme auf lange Sicht

Wolf fordert Sicherung der ländlichen Arzneimittelversorgung

BAD ZWISCHENAHN (tmb). Als "Schritt in die richtige Richtung" bezeichnete ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf das Versorgungsstrukturgesetz mit seinen Regelungen für Landärzte. Nun müsse ein zweiter Schritt für die Arzneimittelversorgung folgen, denn auch Landapotheker müssten Nachfolger finden. Dies erklärte Wolf zur Eröffnung des diesjährigen Zwischenahner Dialogs, der am 19. und 20. April stattfand. Am ersten Veranstaltungstag ging es insbesondere um die Sicherung der flächendeckenden Gesundheitsversorgung in ländlichen Regionen. Der Zwischenahner Dialog ist eine gesundheitsökonomische Diskussionsrunde, die seit 1998 Ärzte, Apotheker, Krankenkassen und Pharmaindustrie zu gemeinsamen Gesprächen verbindet.
ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf fordert Maßnahmen, um die Arzneimittelversorgung auf dem Land langfristig zu sichern.

Auch Apotheker auf dem Land hätten Schwierigkeiten, Nachfolger zu finden, erklärte Wolf. Apothekenschließungen in ländlichen Regionen hätten auch Nachteile für die verbleibenden Apotheken, weil die Notdienste häufiger stattfänden. Arzneimittelversand und Internetärzte seien keine geeigneten Versorgungskonzepte, denn der Internetarzt könne den Patienten nicht abhören, so Wolf. Apotheken verursachen Kosten, aber mit mehr Apotheken werde es nicht teurer. "Denn die Kosten werden durch die Morbidität bestimmt", erklärte Wolf.

Maßnahmen auf Landesebene

Mit Blick auf das Versorgungsstrukturgesetz erklärte Cornelia Schütte-Geffers, Leiterin des Referates für Grundsatzfragen der Sozialversicherung im Niedersächsischen Sozialministerium, die Länder hätten schon lange um neue Wege für die Versorgung strukturschwacher Regionen gerungen. Die Länder seien stolz darauf, dass sie dazu einige Eckpunkte in das neue Gesetz eingebracht hätten, insbesondere die Flexibilisierung der Bedarfsplanung mit regionalen Abweichungen, Beteiligungsrechte der Länder beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), neue Kooperationsformen, die mobile Praxisausübung, die Aufhebung der Residenzpflicht für Ärzte und sektorübergreifende Aspekte. Nun bestehe die Herausforderung, die neuen Instrumente umzusetzen. So werde der G-BA bis zum Jahresende die neuen Bedarfsplanungsrichtlinien erstellen.

Der Zwischenahner Dialog bietet eine Möglichkeit zum gemeinsamen Gespräch für Ärzte, Apotheker, Krankenkassen und Pharmaindustrie über gesundheitsökonomische und -politische Themen.
Fotos: DAZ/tmb

Als Beispiele für die Sicherung der ländlichen Versorgung in Niedersachsen nannte Schütte-Geffers die Förderung von Medizinstudenten bei Praktika in ländlichen Praxen, das Delegationsmodell MoNi zur Unterstützung von Ärzten durch nicht-ärztliches Personal und die drei "Gesundheitsregionen". In den Kreisen Emsland und Wolfenbüttel sowie im Heidekreis würden Projekte zur Verbesserung der Versorgung auf der kommunalen Ebene entwickelt. Außerdem habe Ministerpräsident McAllister ein Demografiekonzeptpapier angekündigt.

Ärzte wollen nicht aufs Land

Zur Zeit seien die haus- und fachärztliche Versorgung in Niedersachsen sichergestellt, erklärte Dr. Jörg Berling, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, doch das werde sich ändern. Bereits jetzt könnten 420 Hausarztstellen im Land nicht besetzt werden. Etwa 37 Prozent der Vertragsärzte würden bis 2020 das 68. Lebensjahr erreichen. Dann würden etwa 1000 Hausärzte fehlen. Dies orientiere sich allerdings an den bisherigen Bedarfszahlen – die neuen Werte des G-BA werden noch erwartet. Zur Frage, was junge Ärzte von der Landarzttätigkeit abhalte, erklärte Berling: "Das Problem ist das Land selbst", denn bei einer Umfrage seien die ländliche Region, die Infrastruktur und die Arbeitszeit als wichtige Gründe genannt worden. Die Kassenärztliche Vereinigung versuche dieser Entwicklung mit verschiedenen Maßnahmen entgegenzuwirken, die sich jeweils gezielt an Studierende, Ärzte in der Weiterbildung und Ärzte in der Niederlassungsphase richten.


Dr. Martin Thomsen, Geschäftsführer der Apothekerkammer Niedersachsen, zeigte die Probleme auf, mit denen Landapotheker bereits heute zu kämpfen haben.

Apotheken sterben langsam

Dr. Martin Thomsen, Geschäftsführer der Apothekerkammer Niedersachsen, stellte die Betroffenheit der Apotheken dar. Landapotheken seien von der GKV abhängig, weil diese für 90 Prozent der Umsätze stehe. Mit billigen OTC-Arzneimitteln könnten die Patienten nicht gelockt werden, dort funktioniere nur Qualitätswettbewerb. Apotheken mit weniger als einer Million Euro Umsatz seien "akut existenzgefährdet". Davon ist eine typische Apotheke mit 1,3 Millionen Euro Umsatz nicht weit entfernt. Doch warnte Thomsen vor dem Irrtum, dass Apothekenschließungen die verbleibenden Apotheken stärken würden. Stattdessen würden sich die Vorteile auf wenige starke Apotheken konzentrieren. "Den anderen geht es gleichmäßig schlechter", so Thomsen. In Kleinstädten entstehe eine Sogwirkung durch Medizinische Versorgungszentren. Die Organisation des Notdienstes werde mit weniger Apotheken immer schwieriger. Doch die Apotheker könnten sich nicht allein am zentralisierten ärztlichen Notdienst orientieren, weil sie auch für die Patienten ohne Arztkontakt da sein sollten.

Bei der Analyse der Versorgungslage sollte man nicht statistische Mittelwerte, sondern die Gesamtsituation betrachten, empfahl Thomsen. Die Zahl der Einwohner pro Apotheke sei nicht immer aussagekräftig, weil die Facharztversorgung vielfach in Städten stattfindet. Die sinkende Zahl der Apotheken auf dem Land gefährde die Versorgung, schon heute gäbe es Probleme in Ostfriesland und im Harz. Doch es finde kein "Erdrutsch" statt. "Ein plötzliches Apothekensterben gibt es nicht", so Thomsen, denn ältere Apotheker lebten von der Substanz. Doch Apotheken sind vielfach nicht mehr veräußerbar und es gibt damit keine Nachfolger. Starke Zeichen für das unternehmerische Siechtum seien auch die vermehrten Reaktionen von Großhändlern und Banken.

Spezialfachärztliche Versorgung

Ein weiteres Thema am ersten Tag des Zwischenahner Dialogs war die spezialfachärztliche Versorgung nach § 116b SGB V. Dazu referierten Jörg Reytarowski, AOK Niedersachsen, Dr. Jörg Berling, KV Niedersachsen, und Dr. Edith Kramer, Klinikum Bremerhaven Reinkenheide. Inhalte der Regelung sind neue Versorgungsmöglichkeiten durch Fachärzte und Krankenhäuser für einige seltene, besonders anspruchsvolle Indikationen sowie für spezielle Behandlungssituationen bei einigen schweren Erkrankungen. Dazu gehören onkologische und rheumatische Erkrankungen, die HIV-Infektion, Herzinsuffizienz vom Grad NYHA 3 bis 4 und multiple Sklerose. Doch muss der G-BA zunächst definieren, welche Leistungen bei der Behandlung dieser Erkrankungen unter die neue Regelung fallen werden. Erst dann könnten weitere Konsequenzen betrachtet werden, war das übereinstimmende Resümee der drei Referenten. Die diesbezüglichen Regelungen des G-BA werden erst im Sommer 2013 erwartet. Möglicherweise kann die gesonderte Honorierung der spezialfachärztlichen Leistungen dann auch strukturelle Folgen haben.


Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, lobte den Fortbildungswillen der Apotheker

Rekordbeteiligung in Bad Zwischenahn


Die Apothekerkammer Niedersachsen hat mit ihren Fortbildungsveranstaltungen inzwischen die drittgrößte absolute Teilnehmerzahl unter allen Apothekerkammerbezirken in Deutschland erreicht. Sie stehe damit nur hinter den deutlich bevölkerungsreicheren Kammergebieten Westfalen-Lippe und Bayern. Dies berichtete Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, beim jüngsten Fortbildungskongress der Kammer am 21. und 22. April in Bad Zwischenahn.

Dabei erreichte der Kongress in Bad Zwischenahn eine Rekordbeteiligung. Die Tagung findet alle zwei Jahre statt, jeweils in den Jahren ohne Niedersächsischen Apothekertag. In diesem Jahr war sie mit 340 Teilnehmern erstmals ausgebucht. Es hätten sogar etliche Absagen erteilt werden müssen, erklärte Linz. Doch die Kapazität am Tagungsort war ausgeschöpft, wie die vollen Sitzreihen deutlich machten. Linz betonte, dass die Apotheker trotz der wirtschaftlichen Probleme ein so großes Interesse an der Fortbildung zeigen. "Wir lassen uns nicht unterkriegen", so die Kammerpräsidentin.

Die Teilnehmer erlebten zwei spannende Fortbildungstage mit einem breit gefassten und sehr informativen Programm über neurologische und psychische Erkrankungen. Es ging dabei um zentrale Krampfleiden, multiple Sklerose, Morbus Parkinson, Demenz, Depression, Burnout, Schizophrenie und Anwendungen von Botulinumtoxinen. Zur Veranstaltung gehörten aber auch ein Rahmenprogramm mit Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung und ein gemeinsames Essen. Einen ausführlichen Bericht finden Sie demnächst in der DAZ.



DAZ 2012, Nr. 17, S. 32

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