Arzneimittel und Therapie

Vitamin D3 senkt Mortalität bei älteren Frauen

Ein Cochrane-Review bestätigt, dass eine im Schnitt über zwei Jahre durchgeführte Vitamin-D3-Supplementation die Mortalität insbesondere bei älteren Frauen in Heimen und Pflegeeinrichtungen senken kann, während ein solcher Benefit unter Vitamin D2, Calcitriol und Alfacalcidol nicht zu sehen war. Wurde Vitamin D3 mit Clacium kombiniert, stieg jedoch das Nephrolithiasis-Risiko, unter Alfacalcidol und Calcitriol das Hypercalciämie-Risiko.

Zur Klärung der Frage, wie sich eine Vitamin-D-Supplementation auf die Mortalität auswirkt, hatten die Cochrane-Autoren 50 randomisierte und kontrollierte Studien mit insgesamt 94.148 Teilnehmern ausgewertet. Diese waren im Schnitt 74 Jahre alt und vorwiegend Frauen (79%). In 40 Studien (80%) fanden sich Angaben zum Vitamin-D-Status (25-Hydroxy-Vitamin-D-Spiegel) vor Beginn der Supplementation. In 18 Studien lag der Spiegel bei oder über 20 ng/ml, in 22 unter 20 ng /ml.

In 32 Studien wurde Vitamin D3 untersucht. Dabei beschäftigten sich sieben Studien mit einer alleinigen Vitamin-D3 -Supplementation, in den übrigen 23 Studien wurde zusätzlich Calcium gegeben. Die Vitamin-D3 -Einzelgaben lagen zwischen 300 IU und 500.000 IU, wobei die Gaben je nach Studie täglich, wöchentlich, in viermonatigem oder jährlichen Abstand erfolgten. Im Schnitt erhielten die Teilnehmer 800 IU pro Tag.

Die Cochrane-Autoren errechneten eine Reduktion der Mortalität unter Vitamin-D3 -Gabe um 6%. Um ein Leben zu retten, mussten dazu 200 Teilnehmer im Schnitt über zwei Jahre mit Vitamin D3 behandelt werden. Auch in Kombination mit Calcium ließ sich eine Mortalitätsreduktion nachweisen.

Vitamin D2 wurde in zwölf Studien untersucht (davon vier in Kombination mit Calcium), Alfacalcidol in vier Studien (eine in Kombination mit Calcium) und Calcitriol in drei Studien (eine mit Calcium). Eine Mortalitätsreduktion ließ sich weder für Vitamin D2 noch für Alfacalcidol oder Calcitriol nachweisen. Eine Erklärung dafür, dass unter Alfacalcidol und Calcitriol keine Mortalitätsreduktion zu sehen war, kann nach Ansicht der Autoren die begrenzte Datenlage sein.

In der Diskussion verweisen die Cochrane-Autoren darauf, dass Vitamin D2 und Vitamin D3 zwar von der WHO als gleichwertig eingestuft werden, doch nicht auszuschließen ist, dass es Unterschiede in der Wirkung geben kann. Der Vitamin-D-Status wird indirekt durch Messung von 25-OH-Vitamin D bestimmt und ist die Summe aus 25-OH-Vitamin-D2 und -D3. Eine alleinige Bestimmung von 25-OH-Vitamin-D2 oder -D3 wird zur Zeit noch nicht routinemäßig durchgeführt. Einige Studien hätten jedoch ergeben, dass Vitamin D3 effektiver den 25-OH-Vitamin-D-Spiegel erhöhen kann als Vitamin D2. Das könnte durch die längere Plasma-Halbwertszeit von Vitamin D3 sowie die höhere Affinität von Vitamin D3 zum Vitamin-D-bindenden Protein, der Vitamin-D-Hydroxylase und dem Vitamin-D-Rezeptor zu erklären sein. Diesen Überlegungen stehe eine neuere randomisierte Studie von Holick entgegen, so die Cochrane-Autoren, in der ähnlich hohe 25-OH-Vitamin-D-Spiegel sowohl durch eine Vitamin-D2 - als auch eine Vitamin-D3 -Supplementation erzielt wurden.

Für die Autoren ist es ein bedeutender Befund, dass die Mortalitätsreduktion auch mit Dosierungen von weniger als 800 IU Vitamin D3 pro Tag erreicht werden konnte. Zwar würden randomisierte Studien und Metaanalysen auf eine Dosisabhängigkeit beispielsweise im Hinblick auf die Reduktion des Sturz- oder des Hüftfrakturrisikos hinweisen. Doch hätte die Uppsala Longitudinal Study of Adult Men eine U-förmige Abhängigkeit im Hinblick auf die Gesamt- und die Krebssterblichkeit gezeigt: sowohl bei niedrigen (< 46 nmol/l) als auch bei hohen 25-OH-Vitamin-D-Spiegeln (> 98 nmol/l) war das Mortalitätsrisiko erhöht. Solche Ergebnisse mahnen nach Ansicht der Autoren zur Vorsicht, wenn es um die Anpassung der Aufnahmeempfehlungen geht.


Quelle

Bjelakovic G et al.: Vitamin D supplementation for prevention of mortality in adults (Review). The Cochrane Library 2011; Issue 7


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Apotheker Uwe Gröber
KOMMENTAR

Kein überraschendes Ergebnis


Die Ergebnisse der soeben erschienen Cochrane-Analyse zur Mortalitätsreduktion durch Vitamin D3 sind nicht überraschend, da in den vergangenen Jahren in zahlreichen Studien bereits deutliche Hinweise auf eine Reduktion der allgemeinen und der kardiovaskulären Mortalität durch Vitamin D3 beobachtet wurden, insbesondere wenn ein adäquater Vitamin-D-Status als 25-OH-Vitamin-D-Spiegel von 32 bis 64 ng/ml (80 bis 160 nmol/l) zugrunde gelegt wurde.

Für die optimale Resorption von Calcium sind nach der derzeit vorliegenden Datenlage 25-OH-D-Serumspiegel von ≥ 32 ng/ml (≥ 80 nmol/l) notwendig. Zur Vermeidung eines sekundären Hyperparathyreoidismus sogar 25-OH-D-Serumspiegel von ≥ 40 ng/ml (≥ 100 nmol/l), wie die Arbeiten von Gomez-Alonso (2003) und Ginde (2011) belegen. Nach Ansicht weltweit führender Wissenschaftler in der Vitamin-D-Forschung aus den USA und Kanada (z. B. Michael Holick, Robert Heaney, Reinhold Vieth) sollte bei einem 25-OH-D3 -Serumspiegel von < 32 ng/ml (< 80 nmol/l) von einem Vitamin-D-Mangel gesprochen werden.

Vitamin-D-Status bei Auswertung Fehlanzeige

Für die nun hier vorliegende Studie bedeutet dies, dass in jedem Fall der Vitamin-D-Status bei der Auswertung mit einbezogen werden müsste – dies ist aber, wie bei vielen derart durchgeführten Studien nicht gemacht worden! Die Dosierung von Vitamin D3 zum Erreichen derartiger Blutspiegel liegt erfahrungsgemäß mindestens zwischen 2600 bis 4000 I.E. Vitamin D3 täglich. Ein Großteil der in der Cochrane-Analyse erfassten Studien hat Tagesdosierungen von Vitamin D3 von 400 bis 800 I.E. untersucht. Mit derartigen Dosierungen sind präventive Blutspiegel von ≥ 32 ng/ml (≥ 80 nmol/l) gar nicht erzielbar! Das ist wiederum ein Beleg für die Unerfahrenheit der Studienleiter, die anscheinend noch nie bei einem Patienten den Vitamin-D-Status (25-OH-D3) unter der Supplementierung im Rahmen einer Verlaufskontrolle gemessen haben.

25-OH-D ist der hauptsächlich im Blut zirkulierende Metabolit und der anerkannte funktionelle Parameter für den Vitamin-D-Status. Das auch in der Cochrane-Analyse untersuchte Vitamin D2 ist nach Arbeiten von Laura (2004) und Heaney (2004) nicht geeignet zur langfristigen Kompensation des Vitamin-D-Status. Die Arbeiten von Heaney belegen, dass bei gleicher Dosierung (z. B. 50.000 I.E.) von Vitamin D3 und Vitamin D2 der 25-OH-D-Serumspiegel unter Vitamin D2 schlechter ansteigt und sehr rasch wieder abfällt. Vitamin D2 hat im Vergleich zu Vitamin D3 eine um mindestens ein Drittel geringere Potenz, den 25-OH-D-Serumspiegel zu erhöhen. Vitamin D bindende Proteine weisen zudem eine schwächere Affinität zu Vitamin D2 -Metaboliten auf als zu 25-OH-Vitamin D3. Dadurch kommt es nach hohen Dosen von Vitamin D2 zu einem geringeren Anstieg von 25-(OH) Vitamin D. Damit ist möglicherweise zu erklären, warum man unter Vitamin D2 (Ergocalciferol) keine Mortalitätsreduktion in der Cochrane-Analyse nachweisen konnte.

Auch bei den aktiven Vitamin-D-Metaboliten Alfacalcidol (1α -OH-Vitamin D3) und Calcitriol (1,25-(OH)2 -Vitamin D3) konnte keine Mortalitätsreduktion beobachtet werden. Dies ist wahrscheinlich mit der homöostatischen Regulierung und zellulären Umwandlung von 25-OH-Vitamin D3 in Vitamin-D-Hormon (1,25-(OH)2 -Vitamin D3) durch das Enzym 1α -Hydroxylase zu erklären. Organe und Zellen mit eigener 1,25-(OH)2 -Vitamin D3 -Produktion schöpfen nach Bedarf 25-OH-D als Substrat für die Calcitriol-Synthese ab. Daher kann bei einem normalen Calcitriol-Spiegel trotzdem ein Vitamin-D-Mangel (25-OH-D < 32 ng/ml) vorliegen. Hohe Calcitriol-Serumspiegel induzieren über Vitamin-D-Rezeptoren die 24-Hydroxylase (CYP 24A1) und fördern darüber den Abbau von 1,25-(OH)2 -Vitamin D3. Zur Beurteilung des Vitamin-D-Status ist der Calcitriol-Spiegel daher nur von untergeordneter Bedeutung (wichtig z. B. bei Niereninsuffizienz).

Nierensteine und die Rolle des Parathormons

Bei der Kombination von Vitamin D3 mit Calcium wurde in der Cochrane-Analyse ein erhöhtes Nierensteinrisiko beobachtet. Dabei wurde der Zusammenhang des 25-OH-Vitamin-D-Status auf den Parathormon-Spiegel und den Calciumstoffwechsel nicht berücksichtigt. Grundlage für eine physiologische Calciumverwertung ist ein 25-OH-Vitamin D-Spiegel ≥ 80 nmol/l (bzw. 32 ng/ml). Dieser Status ist wie oben aufgeführt durch die in den Studien eingesetzten Vitamin-D-Tagesdosen nicht erreichbar, so dass erhöhte Parathormon-Spiegel möglicherweise das Risiko für Nierensteine bei dieser Auswertung erhöht haben. Zur genauen Beurteilung derartiger Zusammenhänge wäre es daher zwingend erforderlich, beide Parameter, den 25-OH-Vitamin-D-Spiegel und den Parathormon-Spiegel zu erfassen, um den Einfluss von Vitamin D3 und Calcium auf den Calciumspiegel und das Risiko von Nierensteinen beurteilen zu können. Einige Arbeiten geben erste Hinweise darauf, dass durch einen normalen Vitamin-D-Status sogar das Risiko für Nierensteine reduziert wird.


Uwe Gröber, Akademie für Mikronährstoffmedizin, Essen



DAZ 2011, Nr. 28, S. 44

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