Mikronährstoffe

Vitamin D3 verbessert die Wirksamkeit von Atorvastatin

Ein Mangel an Vitamin D3 hat nicht nur negative Auswirkungen auf den Knochenstoffwechsel, sondern ist aktuellen Studien zufolge an der Entstehung und Progression zahlreicher Krankheiten beteiligt. Andererseits beeinflusst der Vitamin-D-Status die Wirksamkeit verschiedener Arzneimittel (z. B. Bisphosphonate). Die Ergebnisse einer aktuellen Studie geben Hinweise darauf, dass ein guter Vitamin-D-Status auch die Lipidspiegel-modulierende Wirkung der Statine verbessern kann.
Abb. 1: Hydroxylierte Vitamin-D-Metaboliten hemmen die Enzyme HMG-CoA- Reduktase und Lanosterin-14α-Demethylase und damit die Cholesterinsynthese.

Das fettlösliche Vitamin D3 ist ein Secosteroid, das durch Hydroxylierung über die Zwischenstufe 25-Hydroxy-Vitamin D3 (Calcidiol) in die biologisch aktive Form, das 1,25-Dihydroxy-Vitamin D3 (Calcitriol), überführt wird. Diese aktive Form wird auch als Vitamin-D-Hormon bezeichnet; es entfaltet seine physiologischen Wirkungen durch Bindung an Vitamin-D-Rezeptoren, die in zahlreichen Geweben (z. B. Herzmuskel) vorkommen. Nach aktuellen Studien dürfte ein unzureichender Vitamin-D-Status (Calcidiol im Serum ≤ 75 nmol/l) nicht nur die allgemeine und kardiovaskuläre Mortalität erhöhen, sondern auch ein wichtiger ätiologischer Faktor bei der Pathogenese zahlreicher chronischer Erkrankungen sein (z. B. Alzheimer, Diabetes mellitus, multiple Sklerose, Krebs) [3, 8, 11, 12].

Versorgungslage schlecht

Ein großer Teil der deutschen Bevölkerung ist nur unzureichend mit Vitamin D3 versorgt. Ein Maß zur Einschätzung des individuellen Vitamin-D-Status ist der Calcidiol-Serumspiegel. Legt man unter präventiven Aspekten einen guten Vitamin-D-Status anhand der Calcidiol-Serumspiegel von > 80 nmol/l (> 32 ng/ml) fest, so dürften in Deutschland bis zu 90% der Bevölkerung unterversorgt sein, insbesondere im Herbst und Winter. Eine gezielte Verbesserung des Vitamin-D-Status könnte nach aktuellen Berechnungen der Ruhr-Universität mit Einsparungen im deutschen Gesundheitssystem von bis zu 37,5 Mrd. Euro pro Jahr einhergehen [3, 11].

Vitamin D3 und Herzfunktion

Vitamin D3 hat einen regulierenden Einfluss auf die Herzmuskelleistung, die myokardiale Calcium-Homöostase und den Blutdruck; so wirkt es einer myokardialen Hypertrophie und einer koronaren Herzkrankheit (KHK) entgegen.

Vitamin D3 reguliert die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems herunter und senkt erhöhte Parathormon- und Triglyceridspiegel. Der Vitamin-D-Status korreliert (wie auch der Magnesiumstatus) invers mit zwei kardiovaskulären Risikoparametern, hs‑CRP (hochsensitives C-reaktives Protein) und NT-pANP (N‑terminales pro-atriales natriuretisches Peptid), und schützt dadurch den Herzmuskel (s. Kasten "Kardioprotektive Eigenschaften von Vitamin D3") [2, 5 – 8, 11, 13].

Tab. 1: Einfluss des Vitamin-D-Status (Calcidiol im Serum) auf die Serumlipidspiegel-modulierende Wirkung von Atorvastatin bei Patienten mit akutem Herzinfarkt (n = 63): Veränderung der Cholesterin- und Triglyceridspiegel (jeweils mg/dl) im Laufe von zwölf Monaten. (Die Atorvastatin-Dosis war jeweils gleich.) [9]
Calcidiol< 30 nmol/l (n =13)30 – 50 nmol/l (n = 34)> 50 nmol/l (n = 16)
Lipidevorhernachhervorhernachhervorhernachher
Gesamt-Cholesterin173 ± 47164 ± 51177 ± 49157 ± 31*202 ± 43163 ± 25***
Triglyceride151 ± 49177 ± 94154 ± 121114 ± 55157 ± 61110 ± 37****
HDL -Cholesterin34 ± 645 ± 936 ± 1149 ± 13**41 ± 850 ± 10*****
LDL -Cholesterin111 ± 4892 ± 45112 ± 4286 ± 31114 ± 2989 ± 26

 

* p = 0,021 ** p = 0,001 *** p = 0,003 **** p = 0,0001 ***** p = 0,008

In einer aktuellen Studie des Herzzentrums Ludwigshafen mit 3299 KHK-Patienten wurde der Einfluss des Vitamin-D-Status auf die kardiovaskuläre Mortalität über einen Zeitraum von 7,7 Jahren verfolgt. Dabei zeigte sich, dass der Vitamin-D-Status mit dem Schweregrad der Herzinsuffizienz und mit einer schlechten linksventrikulären Ejektionsfraktion invers korreliert. Ein Vitamin-D-Mangel (Calcidiol < 25 nmol/l bzw. 10 ng/ml) war im Vergleich zu einem guten Vitamin-D-Status (Calcidiol ≥ 75 nmol/l bzw. 30 ng/ml) mit einem 2,8-fach erhöhten Risiko für Tod durch Herzversagen und 5-fach erhöhten Risiko für plötzlichen Herztod assoziiert [1, 10].

Vitamin D3 und Cholesterinsynthese

In experimentellen Studien interagieren Vitamin D3 und seine hydroxylierten Metaboliten (25-OH-D3 und 1,25-(OH)2-D3) mit der HMG-CoA-Reduktase, sodass die Aktivität dieses Cholesterinsynthese-Enzyms dosisabhängig herunterreguliert und die Cholesterinsynthese gehemmt werden (Abb. 1) [4].

Kardioprotektive Eigenschaften von Vitamin D3

Antiinflammatorische Wirkung: Inhibierung der Produktion der über den redoxsensitiven Transkriptionsfaktor NFκB gebildeten proinflammatorischen Zytokine (z. B. TNFα)

Endothel: Hemmung der Zellproliferation über Wechselwirkung mit Vitamin-D-Rezeptoren in Endothelzellen

Herzmuskel: Stärkung der Herzmuskelkraft (positiv inotrop)

Blutdrucksenkende Wirkungen: Hemmung der Aktivierung des Renin-Aldosteron-Angiotensin-Systems; Aktivitätserhöhung der Adenylatcyclase wirkt intrazellulärer Calciumbelastung entgegen und verringert die Gefäßreaktivität

Parathormon: Suppression von Parathormon (PTH-Spiegel > 250 pg/ml sind mit 2-fach erhöhtem kardiovaskulärem Risiko verbunden)

  • Lipidstoffwechsel: Reduktion der Gesamt-Cholesterin- und Triglyceridspiegel, Modulation der HMG-CoA-Reduktase

Darüber hinaus kann 25-OH-Vitamin D3 die Aktivität des Enzyms Lanosterin-14α-Demethylase (CYP 51A1) hemmen, welches ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Cholesterinsynthese spielt (Abb. 1) [9].

Synergie mit Atorvastatin

In einer aktuellen Studie an 63 hospitalisierten Patienten mit akutem Herzinfarkt (40 Männer, 23 Frauen) wurde nun der Einfluss des Vitamin-D-Status (Calcidiol im Serum) auf die Lipidspiegel-modulierende Wirkung von Atorvastatin untersucht, insbesondere auf die Reduktion des Gesamt-Cholesterins und der Triglyceride (Tab. 1) [9].

Die Cholesterin- und Triglyceridspiegel-senkende Wirkung von Atorvastatin war bei einem suboptimalen (Calcidiol 30 bis 50 nmol/l) und einem optimalen Vitamin-D-Status (Calcidiol > 50 nmol/l) signifikant stärker als bei einem ausgeprägten Vitamin-D-Mangel (Calcidiol < 30 nmol/l).

Die Ergebnisse dieser Studie lassen vermuten, dass ein normaler Vitamin-D-Status notwendig ist, damit die Statine ihre Lipidspiegel-modulierende Wirkung ausreichend entfalten können. Generell sollte bei kardiovaskulären Risikopatienten, die mit Lipidsenkern therapiert werden, der Vitamin-D-Status kontrolliert und gegebenenfalls durch gezielte Supplementierung optimiert werden [2].

Literatur [1] Dobnig H, et al. Independent association of low serum 25-hydroxyvitamin D and 1,25-dihydroxy vitamin D levels with all-cause and cardiovascular mortality. Arch Intern Med 2008;168: 1340 – 1349. [2] Ginde AA, et al. Prospective study of serum 25-hydoxyvitamin D level, cardiovascular disease mortality and all-cause mortality in older U.S. adults. J Am Geriatr Soc 2009;57:1595 – 1603. [3] Gröber U. Vitamin D3 – ein altes Vitamin im neuen Licht. Med Monatsschr Pharm 2010;33(10):376 – 383. [4] Gupta AK, et al. Effect of vitamin D3 derivates on cholesterol synthesis and HMG-CoA reductase activity in cultured cells. J Lipid Res, 1989;30(3):379 – 386. [5] Kim DH, et al. Prevalence of hypovitaminose D in cardiovascular disease (from the National Health and Nutrition Examination Survey 2001– 2004). Am J Cardiol 2008;102:1540 – 1544. [6] Lee JH, et al. Vitamin D deficiency an important, common, and easily treatable cardivascular risk factor? J Am Coll Cardiol 2008;52:1949 – 1956. [7] Martins D, et al. Prevalence of cardiovascular risk factors and the serum levels of 25-(OH) D in the United States. Arch Intern Med 2007;167(11):1159 – 1165. [8] Melamed ML, et al. 25-(OH) D levels and the risk of mortality in the general population. Arch Intern Med 2008;168(15):1629 – 1637. [9] Perez-Castrillon JL, et al. Vitamin D levels and lipid response to atorvastatin. Int J Endocrinol 2010;2010:320721. [10] Pilz S, et al. Association of vitamin D deficiency with heart failure and sudden cardiac death in a large cross-sectional study of patients referred for coronary angiography. J Clin Endocrin Metab 2008;93:3927 – 35. [11] Zittermann A. The estimated benefits of vitamin D for Germany. Mol Nutr Food Res 2010;54:1164 – 71. [12] Zittermann A, Grant WB. 25-hydroxyvitamin D levels and all-cause mortality. Arch Intern Med 2009;169(11):1075 – 1076. [13] Zittermann A, et al. Low Vitamin D Status: a contributing factor in the pathogenesis of congestive heart failure? J Am Coll Cardiol 2003;41:105 – 112.


Autor 

 

Uwe Gröber 

 

Akademie & Zentrum für Mikronährstoffmedizin

 

Zweigertstraße 55, 45130 Essen 

 

www.mikronaehrstoff.de
 

Literaturtipp


Uwe Gröber

Mikronährstoffe

Metabolic Tuning – Prävention – Therapie

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Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2011

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