Gesundheitspolitik

AOK erteilt Zuschläge für 90 Wirkstoffe

Bei der jüngsten Ausschreibungsrunde der AOK liegen die großen Konzerne vorne

Berlin (ks). Die 7. Tranche der AOK-Arzneimittelrabattverträge ist unter Dach und Fach. Letzte Woche erteilte die Kasse für 90 Wirkstoffe Zuschläge. Die drei großen Generikakonzerne haben dabei klar die Nase vorn: Von den insgesamt 713 erteilten Zuschlägen (89 Fachlose in jeweils acht Gebietslosen, ein Fachlos in nur einem Gebietslos) gingen rund die Hälfte an die Sandoz-, die Teva- und die Stada-Gruppe.

Ursprünglich hatte die Ausschreibung 105 Substanzen umfasst – doch in drei Teilen zog die AOK nach und nach die Ausschreibung für verschiedene Wirkstoffe zurück. Erst am 19. November gab die Kasse im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union offiziell bekannt, die Ausschreibung für weitere Wirkstoffe aufzu heben. Teilweise habe die Ausschreibung kein wirtschaftliches Ergebnis gehabt, teilweise sei kein oder kein den Bewerbungsbedingungen entsprechendes Angebot eingegangen. Nun ist die AOK-Gemeinschaft also bei 90 Wirkstoffen angelangt, die ab 1. April 2012 zwei Jahre lang unter Rabattvertrag stehen. Es ist auch so noch die bislang größte Ausschreibung der AOK. Christopher Hermann, Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg und bundesweiter Verhandlungsführer für die Rabattverträge, ist zufrieden, dass "nahezu alle" ausgeschriebenen Rabattverträge bezuschlagt werden konnten. "Wir gehen ohne größere vergaberechtliche Auseinandersetzungen durchs Ziel", so Hermann. Nur zwei Vergabenachprüfungsverfahren zu "punktuellen Aspekten" liegen ihm zufolge vor. Dies sei nichts im Vergleich zu den juristischen Anfeindungen der vorangegangenen Tranche. Hermann geht davon aus, dass sich die neuen Vertragspartner jetzt mit "großzügiger Vorbereitungszeit" auf die neuen Verträge einstellen können.

Premiere für Hexal

Die Zuschläge gingen an 34 Unternehmen bzw. Bietergemeinschaften – mitgeboten hatten AOK-Angaben zufolge mehr als 80 Unternehmen. Abgeräumt haben vor allem die Großen. Die Sandoz-Gruppe – die in der AOK Ausschreibung mit 1 A Pharma sowieso erstmals auch mit Hexal abräumte – rühmt sich des ersten Platzes: Rund 20 Prozent des ausgeschriebenen Volumens habe man sich holen können und damit "ein starkes Signal" gesetzt, vermeldete der Konzern. So konnte sich Hexal bei elf der insgesamt 90 bezuschlagten Wirkstoffe durchsetzen, darunter Salbutamol, Amoxicillin, Penicillin V und Amitriptylin. 1 A Pharma erhielt bei acht Wirkstoffen Zuschläge, darunter Cefpodoxim, Timolol und Brimonidin.

"Das Ergebnis beweist: Die Sandoz-Gruppe hält in allen Marktsegmenten eine Spitzenposition", freut sich Sandoz Deutschland-Chef Helmut Fabry. Zur Entscheidung, erstmals auch mit Hexal in Ausschreibungen einzusteigen, erklärte er: "Wir stellen uns Marktveränderungen, ganz gleich ob sie uns passen oder nicht, und nutzen unsere Chancen."

Auch der Stada-Vorstand zeigte sich öffentlich erfreut über den Ausschreibungserfolg der Stada-Vertriebsgesellschaften Stadapharm, Aliud sowie ihrem Onkologie-Ableger cell pharm, der ebenfalls einen Zuschlag erhielt. Insgesamt räumten die drei Unternehmen Verträge für 18 Wirkstoffe ab – darunter einige Neueinführungen und Eigenfertigungen sowie das umsatzstarke Produkt Fentanyl, das sich Aliud in Bietergemeinschaft mit Pfizer an Land zog. Auch Stada behauptet die Spitzenstellung für sich: Insgesamt hätten ihre Vertriebsgesellschaften bei der 7. AOK-Ausschreibungsrunde "deutlich besser abgeschnitten als die Wettbewerber".

Teva ratiopharm erhielt Zuschläge für 16 Wirkstoffe in 118 Gebietslosen – vielfach handelt es sich dabei um Produkte, die schon jetzt unter AOK-Rabattvertrag stehen, sodass Patienten keine Umstellung erwartet. Sven Dethlefs, Geschäftführer Teva ratiopharm Deutschland, zeigte sich zufrieden. Er verwies darauf, dass das Unternehmen bei einem großen Teil der ausgeschriebenen Produkte bewusst auf ein Gebot verzichtet, "da wir keinen Mehrwert für uns in einem Gewinn gesehen haben". Dethleffs – der zugleich Vize-Vorstandschef von Pro Generika ist – lässt aber auch nicht unerwähnt: "Insgesamt zeigt das AOK-Resultat, dass der Marktausschluss der kleineren Wettbewerber über das Rabattvertragssystem voranschreitet."

Auch Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika, äußerte sich trotz der Erfolge der Mitgliedsunternehmen skeptisch zu den neuen Verträgen. Erneut zeige sich, dass mit Ausschreibungen vor allem die Markt konzentration zunehme. Eine kürzlich veröffentlichte Analyse des IGES Instituts zum Wettbewerb im Generikamarkt habe gezeigt, dass Wettbewerb nicht durch Rabattverträge entstehe, sondern durch den intensiven Preiswettbewerb unter Generikaunternehmen nach Patentablauf. Bretthauer: "Je mehr Unternehmen am Markt agieren, umso intensiver ist der Preiswettbewerb. Dieser nachhaltige Wettbewerb ist die wichtigste Grundlage für nachhaltige Einsparungen im patentfreien Arzneimittelmarkt."

Die neuen AOK-Rabattverträge ersetzen zum Großteil die Ende März 2012 auslaufenden Verträge der 4. Tranche – hinzu kommen wirtschaftlich interessante Wirkstoffe, die in der Zwischenzeit patentfrei geworden sind. Zu den umsatzstärksten Medikamenten der neuen Vertragsstaffel zählen der Magensäurehemmer Pantoprazol (Zuschlag in allen Gebietslosen an Actavis) und der Wirkstoff Alendronsäure gegen Osteoporose (Zuschlag an Teva ratiopharm). Das Problemunternehmen der letzten AOK-Ausschreibung, betapharm, hat dieses Mal nur einen einzigen Vertrag: In Bietergemeinschaft mit Winthrop wird es Versicherte der AOK Nordost mit dem Lipidsenker Fenofibrat versorgen.



AZ 2011, Nr. 48, S. 8

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