Gesundheitspolitik

Apothekenbetriebsordnung: Der Entwurf liegt vor

Abschied von der Vollapotheke – keine Regelung zu Pick up

Berlin (ks). Die lange Wartezeit hat ein Ende: Letzte Woche hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den Entwurf für die Novelle der Apothekenbetriebsordnung an die betroffenen Verbände versandt. Es bittet um "Kenntnisnahme und gegebenenfalls Stellungnahme". Bis zum 18. November sind die Verbände aufgefordert, sich zu äußern.

Die Überarbeitung der aus dem Jahr 1987 stammenden Apothekenbetriebsordnung bezweckt dem BMG zufolge vor allem die Verbesserung der Arzneimittelsicherheit – insbesondere bei der Arzneimittelherstellung und bei der Information und Beratung – sowie die Verbesserung der Versorgung im Nahbereich der Apotheke. Überholte und nicht mehr gerechtfertigte Regelungen sollen im Sinne eines Bürokratieabbaus abgeschafft werden.

Der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Heinz-Günter Wolf, sieht im nun vorgelegten Entwurf eine Verbesserung gegenüber dem "Arbeitsentwurf", der im letzten Jahr kursierte: "Da ist schon einiges besser geworden", lautete Wolfs erste Einschätzung gegenüber DAZ.online. Vor einem endgültigen Urteil müsse der Entwurf zunächst aber "exakt durchgearbeitet" werden.

Tatsächlich kann den Standesvertretern nicht alles gefallen, was man sich im BMG erdacht hat. So hatten sie immer wieder vor einer "Apotheke light" gewarnt. Zuletzt hatten sie auf dem Deutschen Apothekertag Anfang Oktober in Düsseldorf leidenschaftlich für den Erhalt der Vollapotheke gekämpft. Doch von eben dieser will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nun offenbar Abschied nehmen – dies ist einer der ersten Eindrücke, die der Verordnungsentwurf hinterlässt. Geplant ist, Filialapotheken den Zweigapotheken gleichzustellen. Zur Erinnerung: Die wenig geläufigen Zweigapotheken sind für den Fall eines "Notstandes in der Arzneimittelversorgung" vorgesehen. Wie diese Notapotheke muss auch die Filiale nach den Vorstellungen des BMG künftig nur "mindestens aus einer Offizin, ausreichendem Lagerraum und einem Nachtdienstzimmer bestehen".

Filialapotheken brauchen kein Labor

Mit dieser Neuerung in § 4 Abs. 3 ApBetrO sind Filialapotheken also von der Pflicht befreit, ein eigenes Laboratorium zu unterhalten. Die ohnehin unter der gleichen Erlaubnis agierenden Apotheken und ihre Filialapotheken sollen dann ein gemeinsames Labor für die Laborprüfungen, aber auch für die Rezepturherstellung nutzen können. "Das führt zu einer besseren Auslastung und auch zu einer Qualitätsverbesserung, weil die Erfahrungen des Personals durch die häufiger durchgeführten Tätigkeiten naturgemäß ansteigen", heißt es in der Begründung zum Verordnungsentwurf. Die betroffenen Apotheker soll dies freuen, meint das BMG. Schließlich, so der Entwurf, macht das Labor einen wesentlichen Kostenfaktor aus. Die Anschaffungskosten für die Laborausstattung werden auf mindestens 8400 Euro beziffert – hinzu kommen die Kosten für die Unterhaltung. Da die bestehenden Apotheken bereits die vollständige Laborausrüstung haben, betrifft die Regelung allerdings vor allem neu einzurichtende Apotheken. Rund 300 im Jahr könnten dies dem Entwurf zufolge sein.

Darüber hinaus soll für Apotheken im Filialverbund die gegenseitige Übernahme von Notdiensten ermöglicht werden. In § 23 ApBetrO ("Dienstbereitschaft") wird dazu der Absatz 2 um eine Sonderregelung ergänzt. Danach kann "eine Befreiung von der Verpflichtung zur Dienstbereitschaft auch erteilt werden, wenn die auf diese Apotheke entfallende Dienstbereitschaft von einer anderen Apotheke des gleichen Filialverbundes übernommen wird, die in räumlicher Nähe und innerhalb des von der zuständigen Behörde festgelegten Notdienstbezirks zur Sicherstellung einer ausreichenden Arzneimittelversorgung liegt, und die Arzneimittelversorgung in dieser Zeit sichergestellt ist". Zur Begründung wird ausgeführt, es erscheine sachgerecht, dem Erlaubnisinhaber im Innenverhältnis seines Filialverbundes eine größere betriebliche und organisatorische Gestaltungsfreiheit für die Erbringung der Notdienste einzuräumen. Jedenfalls solange die auf die Anzahl seiner Apotheken entfallenden Notdienstbereitschaften insgesamt erbracht werden und die Arzneimittelversorgung (dazu gehört auch die Möglichkeit einer eventuellen Rezepturherstellung) nicht beeinträchtigt werde. Insoweit bedürfe es für eine Befreiung zum Zweck der Verlagerung und Übernahme von Notdiensten innerhalb des Filialverbundes nicht des Nachweises eines berechtigten Grundes.

Rezeptsammlung: ABDA-Vorschlag außen vor

Eine Regelung zur Bekämpfung von Pick-up-Stellen hat in den Verordnungsentwurf keinen Eingang gefunden. Der von der ABDA auf dem Apothekertag eingebrachte Vorschlag zur Ausweitung der Genehmigungspflicht von Rezeptsammelstellen wurde nicht aufgegriffen. Stattdessen bleibt der einschlägige § 24 ApBetrO bis auf einige Ergänzungen unverändert. Hinzugefügt ist nun, dass die geschlossenen Behälter, in denen die Rezepte gesammelt werden, "vor dem Zugriff unberechtigter Personen geschützt" sein müssen. Die Begründung führt hierzu lediglich aus, dass dies eine datenschutzrechtliche Forderung ist. Nach wie vor ist neben dem Rezeptsammelbehälter ein deutlicher Hinweis anzubringen, dass die Patienten bei der Rezeptabgabe Namen und Anschrift des Empfängers angeben müssen. Hinzugefügt wurde hier, dass neben diesen Daten auch anzugeben ist, "ob die Bestellung in der Apotheke abgeholt oder dem Empfänger überbracht werden soll.". Immerhin: Nicht weiterverfolgt hat das BMG seinen Vorschlag aus den Eckpunkten, Rezeptsammelstellen völlig freizugeben.

Auch über die Pick-up-Stellen hinaus macht sich der Verordnungsentwurf keine große Mühe, Ungleichbehandlungen zwischen Versandapotheken und Vor-Ort-Apotheken auszubügeln. Den Versandapotheken wird nun ausdrücklich zugestanden, dass eine Raumeinheit nicht mehr nötig ist, soweit es sich um Räume handelt, "die den Versand und den elektronischen Handel mit Arzneimitteln sowie die Beratung und Information in Verbindung mit diesem Versandhandel einschließlich des elektronischen Handels betreffen". Zudem findet sich in § 17 Abs. 2a ApBetrO eine kleine weitere Anforderung an Versandapotheken: Sie müssen ihre Kunden künftig darauf hinweisen, dass ihnen die Beratung "auch mittels Einrichtungen der Telekommunikation ohne zusätzliche Gebühren zur Verfügung steht". Das heißt: Eine telefonische Beratung darf nicht mehr kosten als ein regulärer Telefonanruf. Die regulären Verbindungskosten, die nicht an die Beratungsleistung als solche anknüpfen, muss die Versandapotheke Kunden, die den Weg der Online-Bestellung wählen, hingegen nicht erstatten, so die Verordnungsbegründung.

Beratung im Fokus

Von den Vor-Ort-Apotheken wird in Sachen Beratung jedoch mehr gefordert. § 20 ApBetrO ("Information und Beratung") sieht in seiner Entwurfsfassung beispielsweise vor, dass bei der Abgabe von Arzneimitteln (und apothekenpflichtigen Medizinprodukten) an einen Kunden dessen Informations- und Beratungsbedarf durch Nachfrage festzustellen und eine Beratung anzubieten ist. Weiter heißt es: "Der Kunde soll dabei aktiv in das Gespräch eingebunden werden, damit der Apotheker dessen Informations- und Beratungsbedarf erkennen und auf seine individuellen Bedürfnisse eingehen kann. Die Beratung muss die notwendigen Informationen über die sachgerechte Anwendung des Arzneimittels enthalten. Soweit erforderlich, ist auch über eventuelle Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen sowie zur sachgerechten Aufbewahrung des Arzneimittels zu informieren. Im Falle der Selbstmedikation ist auch festzustellen, ob das gewünschte Arzneimittel zur Anwendung bei der vorgesehenen Person geeignet erscheint. In der Begründung wird betont, dass auf das Angebot einer Beratung somit auch z. B. bei einer Dauermedikation nicht von vornherein verzichtet werden dürfe. Möglicherweise könnten sich die Umstände bei dem betroffenen Patienten geändert haben, etwa durch zusätzlich aufgetretene Erkrankungen oder geänderte Ernährungsgewohnheiten.

Eine Ergänzung ist zudem in § 20 Abs. 1 vorgesehen. Die dem Apotheker obliegende Beratungspflicht kann danach "durch andere Angehörige des pharmazeutischen Personals nach schriftlicher Festlegung durch den Apothekenleiter übernommen werden. Dabei ist auch zu definieren, in welchen Fällen ein Apotheker hinzuzuziehen ist". Ebenfalls neu ist Absatz 3: "Die Beratung muss in ausreichend vertraulicher Atmosphäre erfolgen, sodass das Mithören des Beratungsgesprächs durch andere Kunden verhindert, zumindest aber erschwert wird." Zur Begründung dieser relativ weich gehaltenen Vorgabe wird erklärt, dass die Gewährleistung der Vertraulichkeit bei der Beratung dem Wunsch der Patienten entspreche und gerade bei persönlichen Belangen der Gesundheit eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

QMS-Pflicht trifft nicht alle Apotheken

Was das lange angekündigte Qualitätsmanagement betrifft, so trifft dieses dem Entwurf zufolge nicht alle Apotheken. Verbindlich vorgeschrieben wird die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems (QM-Systems) nur für Apotheken, die Defekturarzneimittel und patientenindividuelle parenterale Arzneimittel herstellen und patientenindividuell verblistern. Grundsätzlich geregelt wird das QM-System in einem neuen § 2a ApBetrO. Hier wird zum einen festgelegt, wann die Apotheke ein funktionierendes QM-System betreiben muss – nämlich soweit Defekturarzneimittel hergestellt werden. Grundlage des QM-Systems ist die schriftliche Festlegung der qualitätsbestimmenden Vorgänge und der Nachweis ihrer Einhaltung. Es werden Selbstinspektionen vorgeschrieben und die Apotheke muss an "geeigneten Maßnahmen zur externen Qualitätsüberprüfung" teilnehmen. Für Letzteres kommen laut Begründung des Gesetzentwurfs insbesondere Ringversuche in Betracht. Zudem gibt es Dokumentationspflichten als "üblichen Teil eines QM-Systems". Eine Zertifizierung des QM-Systems wird nach der Rechtsvorschrift – wie bei anderen Arzneimittelherstellern auch – nicht gefordert. Grund: Auch Apotheken unterliegen der Überwachung durch die zuständigen Behörden. Nach dem neuen § 34 ApoBetrO, der die patientenindividuelle Verblisterung regelt, ist auch für Apotheken, die diese Leistung durchführen, ein QM-System vorgeschrieben. Hierfür werden weitere Anforderungen und Voraussetzungen festgelegt. Entsprechendes gilt nach dem neuen § 35 ApBetrO für die Herstellung patientenindividueller parenteraler Arzneimittel.

Betroffen durch die Neuregelung sind laut Verordnungsentwurf ca. 400 öffentliche Apotheken und ca. 300 Krankenhausapotheken, die parenterale sterile Lösungen herstellen, rund 100 Apotheken, die Arzneimittel maschinell verblistern und eine "nicht bekannte Anzahl" an Apotheken, die sonstige Defekturarzneimittel herstellen. Es wird darauf hingewiesen, dass für Zytostatikalösungen herstellende Apotheken die Leitlinien der Bundesapothekerkammer bereits seit Jahren die Einführung eines QM-Systems empfehlen.

Am Ende sollen die Apotheken durch die neuen Vorgaben finanziell entlastet werden. Der Verordnungsentwurf macht dazu folgende Rechnung auf: "Unter Berücksichtigung der Gesamtkosten der durch die Verordnung vorgesehenen Änderungen ergeben sich für die Gesamtzahl der Apotheken einmalige Kosten in Höhe von ca. 4,3 Millionen Euro und jährliche Kosten in Höhe von ca. 700.000 Euro. Dem gegenüber stehen Einsparungen in Höhe von ca. 4,7 Millionen Euro (einmalig) und ca. 2,8 Millionen Euro (jährlich)".


DAZ-online


Mehr über den Verordnungsentwurf für die Apothekenbetriebsordnung können Sie in der kommenden DAZ lesen. Hier finden Sie den Entwurf auch im Original zum Herunterladen – mitsamt einer übersichtlichen Synopse.




AZ 2011, Nr. 43, S. 1

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