Gesundheitspolitik

Beratung ist Kernaufgabe der Apotheke

Bundesgesundheitsministerium legt Positionspapier zur Apothekenbetriebsordnung vor

BERLIN (lk). Die Arbeiten an der neuen Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) nehmen konkrete Formen an. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat letzte Woche ein Positionspapier vorgelegt und mit den Gesundheitspolitikern der Regierungskoalition erstmals diskutiert. Stoßrichtung der Vorstellungen von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ist danach die Stärkung der Beratungstätigkeit in der Apotheke und die Verbesserung der Arzneimittelsicherheit. Viele für die tägliche Apothekenpraxis wichtige Fragen sind jedoch noch unklar.

Nach Bekanntwerden des siebenseitigen Positionspapiers sah sich das BMG umgehend veranlasst, dem Eindruck entgegen zu treten, die neue ApBetrO schränke das Angebot und den Verkauf des Nebensortimentes ein: "Das Positionspapier des Bundesgesundheitsministeriums für eine überarbeitete Apothekenbetriebsordnung sieht keine weitere Einschränkung beim Verkauf des Nebensortiments in Apotheken vor", beteuerte der Sprecher des BMG. "Bereits nach den jetzigen Regelungen ist der Verkauf von Kosmetika, Hygieneartikeln oder Vitaminpräparaten beschränkt. Die überarbeitete Apothekenbetriebsordnung sieht lediglich eine Klarstellung vor. Bei Apotheken steht eindeutig die Versorgung mit Arzneimitteln im Vordergrund. Eine Apotheke muss auch als Apotheke erkennbar sein. Das ist das Ziel dieser Klarstellung", schreibt das Ministerium weiter. In § 4 ApBetrO, der die Beschaffenheit, Größe und Einrichtung der Apothekenbetriebsräume regelt, soll klargestellt werden, dass das Nebensortiment nur einen "untergeordneten Anteil" an den Räumlichkeiten haben darf. Ebenso soll es Regelungen zur Gestaltung der Offizin geben – dabei geht es um die "Wahrung des Eindrucks einer Apotheke". Das Nebensortiment ist bereits nach den derzeit bestehenden Regelungen in der ApBetrO dahingehend beschränkt, dass dessen Anteil "den ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheke und den Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrags nicht beeinträchtigt" (§ 2 Absatz 4 ApBetrO). Darüber hinaus ist dem Positionspapier zu entnehmen, dass es im Regelfall bei einer Mindestgröße der Apotheke von 110 m2 bleiben soll. Nur wenn zusätzliche Tätigkeiten vorgenommen werden, die separate und spezielle Räume erfordern (Parenteraliaherstellung, maschinelle Verblisterung), ergebe sich zusätzlicher Raumbedarf, der im Einzelfall festzulegen sei.

Was den allgemeinen Rezepturherstellbereich betrifft, so gibt sich das Bundesgesundheitsministerium nun mit etwas weniger zufrieden als noch letzten Sommer. Es muss sich nicht um einen separaten Raum handeln, sondern nur noch um einen "geeigneten", der aber nach mindestens drei Seiten – was auch der Leitlinie der Bundesapothekerkammer entspreche – abgetrennt ist.

Bestimmte Herstellungstätigkeiten wie beispielsweise die Anfertigung von Zytostatikalösungen oder das Verblistern sollen nach dem Willen des Bundesgesundheitsministeriums in Zukunft auch in Räumen außerhalb der Apotheke möglich sein. Dazu gehört die bisher bereits bestehende Möglichkeit (§ 4 Absatz 4 ApBetrO), dass Apotheken Ausnahmen von der sog. Raumeinheit in Anspruch nehmen können beispielsweise für bestimmte Herstellungstätigkeiten: Die bisher nur für die Herstellung von Zytostatikalösungen bestehende Ausnahme soll auf (alle) patientenindividuellen Parenteralia erweitert werden. Ebenso sollen externe Räume für die maschinelle Verblisterung von Fertigarzneimitteln ebenfalls zugelassen werden.

Bereits heute haben einige Landesbehörden solche "externen Räume" (abweichend von den derzeitigen Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung) erlaubt, wenn damit eine bessere Arzneimittelqualität erreicht werden konnte, weil die zusammenhängenden Räume der Apotheke für diese Tätigkeiten nicht ausreichend geeignet erschienen. Mit der neuen Apothekenbetriebsordnung sollen nun, so die Ansicht des Bundesgesundheitsministeriums, Erleichterungen geschaffen werden.

Auch die bisher nur für die Lagerung von Arzneimitteln zur Krankenhausversorgung bestehende Ausnahme wird für die Heimversorgung erweitert. Die bisherige Festlegung, dass die Anmietung von Lagerraum für die Krankenhausversorgung nicht innerhalb des zu versorgenden Krankenhauses erfolgen darf, soll gestrichen werden. Dies würde bedeuten, dass für den Lagerraum zur Heimversorgung dann auch keine weiteren Restriktionen gelten würden.

Filialapotheken auch ohne Labor

Bei Filialapotheken soll – wie bisher bei den Zweigapotheken (§ 4 Absatz 3 ApBetrO) – auf ein Labor (einschließlich eines Herstellungsbereichs) verzichtet werden können. Wie es in dem Papier weiter heißt, soll diese Möglichkeit dann gegeben sein, wenn die erforderlichen Prüfungen und Rezepturanfertigungen von der jeweiligen Hauptapotheke oder einer der anderen Filialapotheken übernommen werden, weil diese unter der gleichen Betriebserlaubnis agieren. Laut diesem Papier erfolge dies in der Praxis schon in vielen Fällen "unter der Hand".

Zum Notdienst heißt es in dem Papier: "Bei Vorliegen einer Erlaubnis zum Betrieb mehrerer Apotheken nach § 2 Absatz 4 ApoG kann der sog. Notdienst einer der Apotheken (§ 23 ApBetrO) von einer der anderen Apotheken (Hauptapotheke, Filialapotheke) im Grundsatz übernommen werden." Um diesen Punkt wird in manchen Kammerbezirken derzeit bereits gestritten. Mit dieser Neuerung in der Apothekenbetriebsordnung wäre dieser Streitpunkt vom Tisch.

QMS bei Herstellung kritischer Arzneimittel

Apotheken, die sterile oder parenterale Arzneimittel herstellen, maschinell Verblistern sowie nach der "Hunderterregel" Herstellung in größerem Maßstab betreiben, müssen laut Positionspapier künftig wie andere Arzneimittelhersteller ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) einführen. Das QMS soll in diesen Fällen verpflichtend eingeführt werden, weil "es sich hier um besonders kritische Arzneimittel handelt bzw. um maschinelle Herstellung oder Mengen, wie sie üblicherweise von anderen Arzneimittelherstellern außerhalb von Apotheken vorgenommen wird", heißt es als Begründung.

Allerdings soll von "einer kostenträchtigen Zertifizierung des QMS durch Dritte" wie bei anderen Betrieben üblich abgesehen werden, "da die Apotheker wie diese der behördlichen Überwachung unterliegen", heißt es im Entwurf. Die Forderung nach einem QMS bestehe für andere Arzneimittelhersteller oder die Arzneimittelgroßhändler bereits seit Jahren. Viele Apotheken besäßen auf freiwilliger Basis bereits seit langem zumindest in Teilbereichen ein QMS. "Grundlage eines jeden QMS ist die schriftliche Festlegung aller qualitätsbestimmenden Vorgänge (z. B. Arzneimittelherstellung) und der Nachweis der Einhaltung", so die Eckpunkte der neuen ApBetrO.

Keine Gerätelisten mehr

Die Auflistung der bisher in jeder Apotheke vorzuhaltenden Laborgeräte und Reagenzien soll gestrichen werden. Wie dem Positionspapier zu entnehmen ist, sollen aus heutiger Sicht nicht mehr gerechtfertigte Regelungen der Apothekenbetriebsordnung abgeschafft oder mindestens gelockert werden und bisher bestehende Erleichterungen werden weiter ausgedehnt. Hierzu gehört nach Ansicht des BMG die Streichung der Auflistungen (§ 4 Absatz 8 und § 5 ApBetrO) der bisher in jeder Apotheke vorzuhaltenden (ca. 60) Laborgeräte und (ca. 260) Reagenzien, "weil diese wenig oder gar nicht mehr eingesetzt werden, aber einen nicht unerheblichen Kostenfaktor ausmachen", so das Papier. Die notwendige Ausstattung des Labors obliege damit allein der Verantwortung der Apothekenleitung, die in eigener Entscheidung moderne und an den Stand von Wissenschaft und Technik angepasste Prüfgeräte anschaffen kann.

Zum Punkt wissenschaftliche Literatur und Rechtsvorschriften ist dem Positionspapier zu entnehmen, dass die Apothekenleitung z. B. auch auf moderne und im Einzelfall aktuellere Medien zurückgreifen kann. Was im Einzelnen hierunter zu verstehen ist, geht aus dem Papier nicht hervor.

Im Mittelpunkt: die Beratung

Wie bereits der Vorentwurf des letzten Jahres sieht auch das Positionspapier vor, die Information und Beratung stärker als apothekerliche Kernaufgabe hervorzuheben. Zwar soll es offenbar keine generelle Pflicht zur Beratung geben, wohl aber eine zur Nachfrage, ob Beratungsbedarf besteht.

Naturgemäß halten sich die Eckpunkte auch in diesem Punkt vage. "Klarstellungen und Präzisierungen" soll es bezüglich der Verpflichtung zur Information und Beratung (§ 20 ApBetrO) geben. Möglicherweise seien die bisherigen Regelungen nicht ausreichend klar oder missverständlich, so dass die Beratungspflicht "eingeschränkt" erscheint, heißt es dort. Aber selbst bei einer Dauermedikation könne nicht von vornherein auf die Beratung verzichten werden. Doch immer wieder würden in Apotheken Beratungsmängel festgestellt – obwohl die Beratungspflicht beispielsweise auch in den als Empfehlung geltenden Leitlinien der Bundesapothekerkammer hervorgehoben wird.

"Vor dem Hintergrund der heute verfügbaren Anzahl hochwirksamer Arzneimittel ist eine Beratung in der Apotheke über Wirkungen, Nebenwirkungen sowie etwaige Wechselwirkungen von Arzneimitteln untereinander oder zu Lebensmitteln von großer Bedeutung. Die Beratung ist deshalb weiterhin eine der Kernaufgaben der Apotheken und soll mit der Novelle noch deutlicher als bislang hervorgehoben werden", heißt es im Papier. Aufgedrängt werden soll den Patienten die Beratung aber nicht. Vorgesehenen ist, dass der Beratungsbedarf durch Nachfrage festzustellen und dann erforderlichenfalls eine Beratung anzubieten ist.

Weitgehend erhalten bleibt auch die Forderung aus dem letzten Sommer zur vertraulichen Beratung (derzeit geregelt in § 4 Absatz 2 ApBetrO/§ 20 ApBetrO). Die Gewährleistung der Vertraulichkeit bei der Beratung entspreche dem Wunsch der Patientinnen und Patienten und sollte gerade bei persönlichen Belangen der eigenen Gesundheit eine Selbstverständlichkeit sein, heißt es in den Eckpunkten. Das Beispiel von Banken, Sparkassen und Postfilialen zeige, dass oft einfache organisatorische Maßnahmen reichten, um diese Vertraulichkeit herzustellen.

So schlägt das Ministerium etwa eine farbliche Kennzeichnung auf dem Boden vor oder aber eine Umstellung der Handverkaufstische bzw. das Einfügen beweglicher Abtrennungen. Wenn das nicht geht, wären bauliche Maßnahmen ins Auge zu fassen. Historische Apotheken müssen nun nicht zwingend fürchten, gänzlich umzubauen – das Ministerium legt aber Wert darauf, dass jedenfalls keine neuen Apotheken mehr genehmigt werden, die von vorn herein keine ausreichende Vertraulichkeit bei der Beratung bieten können. Es ist vorgesehen, die derzeitige "Kann"-Regelung für die Offizin in § 4 Abs. 2 ApBetrO klarer zu fassen, "um damit die Vertraulichkeit bei der Beratung in geeigneter Weise zu erhöhen".

Rezeptsammelstellen ohne Bedarfsprüfung

Mit der Novelle der ApBetrO steht jetzt offenbar eine Erweiterung der Möglichkeiten zur Errichtung von Rezeptsammelstellen ins Haus. Denn bei der Genehmigung von Rezeptsammelstellen sollen Präsenzapotheken und Versandapotheken künftig gleichgestellt werden.

Die bisher nur für Präsenzapotheken geltende Bedarfsprüfung, "ob es sich um abgelegene Orte handelt, die anders nicht versorgt werden könnten", soll in der neuen Apothekenbetriebsordnung entfallen. Außerdem sollen Rezeptsammelstellen künftig auch in Gewerbegebieten eingerichtet werden können. Verboten bleiben Rezeptsammelstellen weiterhin nur noch bei "Angehörigen der Heilberufe". Über weitere Erleichterungen werde im Rahmen der Anhörungen zur ApBetrO diskutiert, heißt es im Positionspapier.

Außerdem soll der Botendienst liberalisiert werden. Die Apotheke kann dann selbst entscheiden, ob sie diesen Service für ihre Kunden über den (derzeit erlaubten) Einzelfall hinaus anbietet. Dies ist aus Sicht des BMG nur "eine Anpassung an die heute schon in vielen Fällen (derzeit abweichend von den Vorgaben der ApBetrO) geübte Praxis".



AZ 2011, Nr. 16/17, S. 1

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