Selbstmedikation

Aktuelle Husten-Leitlinie: möglichst kausal therapieren

Husten ist ein wichtiger Schutzreflex der Atemwege, Husten ist aber auch gemeinsames Symptom nahezu aller bronchopulmonaler und zusätzlich einiger extrapulmonaler Erkrankungen. Seit Anfang dieses Jahres liegt eine überarbeitete Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Hustens vor. Ein Kapitel ist der medikamentösen Therapie erwachsener Patienten gewidmet. Aufgrund der insgesamt mäßigen Datenlage spricht die Leitlinie allerdings nur verhaltene Empfehlungen aus.

Die aktuelle S3-Leitlinie "Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit akutem und chronischem Husten" wurde von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in Zusammenarbeit mit weiteren Organisationen erstellt. Sie ist im Leitlinien-Register der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) unter der Nummer 020/003 aufgenommen und besitzt den höchsten Evidenzgrad (S3). Die aktuelle Leitlinie (letzte Überarbeitung 02/2010) ersetzt die Version von 2004 und umfasst 46 Seiten. Eine Revision ist alle fünf Jahre geplant; wesentliche Erkenntnisse werden zeitnah eingearbeitet. Die Empfehlungen der Leitlinie beruhen auf internationalen Leitlinien und Übersichtsarbeiten; insgesamt werden 331 Literaturstellen aufgeführt.

Husten: Trocken oder produktiv?

Der Husten kann klinisch in produktiven und in trockenen (Reiz-)Husten unterteilt werden, obwohl die Grenzen zwischen den beiden Kategorien fließend sind. Beim produktiven Husten wird eine Sekretproduktion von 30 ml (entsprechend zwei Esslöffeln) und mehr in 24 Stunden angegeben. Die Einschätzung der Sputummenge ist schwierig, da sie vom Patienten häufig überschätzt wird. Die subjektive Abgrenzung des Bronchialsekrets gegenüber Speichel ist problematisch.

Die aktuelle Version der Leitlinie besteht aus zehn Kapiteln und Anhängen und ist folgendermaßen gegliedert:

Epidemiologie

Physiologie des Hustens

Ursachen und Klassifizierung des Hustens

akuter Husten: die wichtigsten Krankheitsbilder

chronischer Husten: die wichtigsten Krankheitsbilder

Diagnostik

häufige Fehler bei der Stufendiagnostik des Hustens

Therapie

Komplikationen des Hustens

Für die Beratung der Patienten in der Apotheke erscheint vor allem das vorletzte Kapitel zur medikamentösen Therapie interessant. Es ist in zwei große Teile – die Atemphysiotherapie und die medikamentöse Therapie – gegliedert. Zur medikamentösen Therapie finden sich folgende Abschnitte:

Hustentherapeutika mit Wirkung am Hustenrezeptor
– Expektoranzien
– Medikamente zur Verringerung der Schleimproduktion
– Medikamente zur Steigerung der mukoziliären Clearance
– Medikamente zur Reduktion der Reizung der Hustenrezeptoren
– schleimhautabschwellende Substanzen
– Antibiotika
– entzündungshemmende Substanzen

Hustentherapeutika mit Wirkung am Hustenreflexbogen (Lokalanästhetika)

zentral wirkende Hustentherapeutika (Antitussiva)

Hustentherapeutika mit Wirkung am Effektororgan (Muskelrelaxanzien)

In jedem dieser Abschnitte werden einleitend die Wirkweise der Arzneistoffgruppen erläutert und die gebräuchlichsten Substanzen vorgestellt. Anschließend werden der Empfehlungsgrad und die Evidenz festgelegt. Da es zur Diagnostik und Therapie des Hustens nur wenige große randomisierte kontrollierte Studien gibt, werden meist nur niedrige Evidenzgrade ausgesprochen. Die Leitlinie zieht zur Beurteilung einer Therapie vier Evidenzgrade heran, die auch klinische Kriterien wie Wirkung, Nebenwirkungen oder Belastungen berücksichtigen. Die ausgesprochene Empfehlung nach der vorliegenden Evidenz führt dann zu einem Empfehlungsgrad. Hohe oder mittelgradige Evidenzen führen zu einem starken Empfehlungsgrad, schwache oder sehr schwache Evidenzen zu einem schwachen Empfehlungsgrad. Insgesamt werden in der Leitlinie 37 Empfehlungen ausgesprochen.

Vor der Einleitung einer Therapie sollte zunächst die Ursache des Hustens abgeklärt werden, um kausal therapieren zu können. Die symptomatische Therapie eines diagnostisch nicht abgeklärten chronischen Hustens ist der häufigste Fehler, der bei der Behandlung des Hustens in der Praxis vorkommt. Die derzeitige Möglichkeit für die symptomatische Behandlung des Hustens ist sowohl in Hinblick auf die Evidenzlage als auch auf ihre Wirksamkeit bzw. auf die Nebenwirkungen sehr begrenzt. Die medikamentöse Therapie kann mit einem protussiven (Expektoranzien) oder antitussiven (Prototyp: Codein) Therapieanspruch verwendet werden.

Tab. 1: In der Leitlinie aufgeführte Expektoranzien
Expektoransunerwünschte Wirkungen
pflanzliche Expektoranzien
ätherische Öle in Form von Kapseln, Tabletten, Lösungen, Säften, Einreibungen, Badezusätzen, Teeaufgüssen und Inhalationen mit Wirksubstanzen aus Anis, Pfefferminz, Eukalyptus, bzw. Myrtol

Allergien

Hautreaktionen

Magen-Darm-Beschwerden

Alkoholgehalt beachten

Efeublätter (Saponine)
Primelwurzel (Saponine, Phenolglykoside)
chemisch definierte Expektoranzien
BromhexinÜbelkeit, Allergie
AmbroxolÜbelkeit, Allergie
CarbocysteinÜbelkeit, Durchfall, Sodbrennen
N-AcetylcysteinÜbelkeit, Erbrechen, Allergie
GuaifenesinÜbelkeit
CineolMagen-Darmbeschwerden, Allergie
Dornase alfaHeiserkeit, Bronchospasmus
KaliumjodidHyperthyreose
isotone oder hypertone (3 – 7%ige) 
Kochsalzlösung zur Inhalation
Bronchospasmus
Emser Sole zur InhalationBronchospasmus

Expektoranzien

Durch Erhöhung des Sekretvolumens (Sekretolytika) und Herabsetzung der Viskosität (Mukolytika) sollen die bronchiale Reinigung erleichtert, visköser Schleim und mit dem Schleim auch inhalierte Fremdpartikel entfernt werden. Die Reizung der Hustenrezeptoren wird hierdurch gemindert, der Husten wird durch "Abhusten" erleichtert. Dieses Prinzip kann dann wirken, wenn der Hustenreiz durch eine Sekretretention durch Schleim mit pathologischen Fließeigenschaften ausgelöst wird. Expektoranzien können zur subjektiven Besserung des Hustens führen. Gemäß der Leitlinie mangelt es an methodisch einwandfreien Studien zur Bewertung der Wirksamkeit verschiedener Sekretolytika. Der Nutzen der meisten Expektoranzien wird unterschiedlich beurteilt und als "schwer objektivierbar" eingestuft. Allerdings wird betont, dass der Einsatz von Expektoranzien bei vielen Patienten zu einer subjektiven Besserung führt.

Die in Deutschland gebräuchlichsten Substanzen sind Ambroxol und N-Acetylcystein, in englischsprachigen Ländern Guaifenesin und Kalium jodatum. Bezüglich der Wirksamkeit der verschiedenen Expektoranzien gibt es eine widersprüchliche Evidenz in der Literatur. Hervorgehoben werden in der Leitlinie zwei randomisierte kontrollierte Studien, in denen die Wirksamkeit einer kombinierten Phytotherapie mit Thymian und Efeu bzw. Thymian und Primel nachgewiesen wurde. Ergänzend wird angemerkt, dass die Ergebnisse aufwendiger Studien zur Phytotherapie nicht für die untersuchte Pflanze gelten, sondern grundsätzlich nur für das getestete Präparat, da Methoden der Extraktion und Herstellung einen entscheidenden Einfluss auf die Wirksamkeit haben.

Für die Verordnung von Expektoranzien (symptombezogen bei COPD, Bronchiektasie) spricht die Leitlinie bei sehr schwacher Evidenz den Empfehlungsgrad "schwach" aus; für die Therapie mit Phytopharmaka (Kombinationen mit Thymian, Efeu bzw. Primel) wird bei akutem Husten ein starker Empfehlungsgrad bei mittelgradiger Evidenz genannt. Bei den pflanzlichen Wirkstoffen gibt es allerdings nicht immer eine klare Trennung der Indikation Hustenblocker oder Expektorans.

Tab. 2: In der Leitlinie erwähnte zentral wirksame Antitussiva
Antitussivumunerwünschte Wirkungen
pflanzliche Antitussiva
ThymianAllergien, gastrointestinale 
Nebenwirkungen, 
Alkoholgehalt beachten
Spitzwegerich
Drosera
Wollblumen
synthetisch hergestellte Antitussiva
MorphinsulfatSuchtpotenzial, Atemdepression in 
analgetischen Dosen (bei Husten in 
niedriger Dosis wirksam)
Codein, Dihydrocodein

Suchtpotenzial, Atemdepression

Obstipation, Übelkeit

DextromethorphanObstipation, Übelkeit
PentoxyverinObstipation, Übelkeit, Müdigkeit
NoscapinKopfschmerzen, Übelkeit

Antitussiva

Als wichtigste Antitussiva führt die Leitlinie natürliche und synthetische Opioide auf; als relative Kontraindikation für deren Einsatz wird der produktive Husten genannt. Tritt der Husten bei akuten Infekten der oberen Atemwege auf, sind Dextromethorphan oder Codein in Standarddosen nicht wirksamer als eine Placebogabe. Eine Placebotherapie ist aber effektiver als eine nicht durchgeführte Therapie, was auf die zentrale Hustenregulation über endogene Opioide zurückgeführt wird. Die klinische Wirksamkeit zentraler Antitussiva wird kontrovers beurteilt und es werden in diesem Abschnitt keine Empfehlungen ausgesprochen.

Praktische Empfehlungen

Die Husten-Leitlinie spricht zur medikamentösen Therapie folgende Empfehlungen aus:

Expektoranzien können zur subjektiven Besserung des Hustens führen.

Codein und seine Derivate sind die Standardwirkstoffe der antitussiven Therapie. Bei Erkältungshusten sind sie jedoch nicht wirksamer als Placebo.

Der akute Erkältungshusten ist überwiegend viraler Genese. Er wird meist mit freiverkäuflichen Mitteln behandelt. Einige pflanzliche Präparate haben eine Evidenz für eine schnellere Linderung des Hustens im Vergleich mit einer Placebo-Therapie. Eine antibiotische Therapie ist nur in wenigen Ausnahmefällen indiziert.

Quelle Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie: Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit akutem und chronischem Husten. 

 

Prof. Dr. Adrian Gillissen, Kassel: Vorstellung der neuen Leitlinien, Differentialdiagnosen Asthma, Lungenkrebs & Bronchitis; Hamburg, 12. August 2010, veranstaltet von der G. Pohl-Boskamp GmbH & Co. KG, Hohenlockstedt.

 


 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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