Arzneimittel und Therapie

Micro-RNA schützt bei Lungenkrebs vor Metastasen

Ein kleines RNA-Molekül bestimmt darüber, ob Lungenkrebszellen invasiv wachsen und Metastasen bilden, wie jetzt Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums und der Universitätsmedizin Mannheim entdeckten.
RNA-Molekül Die Herstellung vieler Proteine wird durch sogenannte ­ Micro-RNA gesteuert. Diese kleinen RNA-Moleküle heften sich gezielt an ­Boten-RNA, die die Bauanleitung für Proteine enthalten. So kann die Synthese des betreffenden Proteins unterbunden werden.
Foto: National Cancer Institute

Demnach gilt bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs: Je weniger der Micro-RNA die Tumorzellen produzieren, desto häufiger kommt es zu Metastasen.

Die Metastasenbildung geht mit charakteristischen Veränderungen der Krebszellen einher: Die Aktivität mehrerer Gene wird umprogrammiert und dadurch die Produktion von Proteinen, die die Zellen im Gewebeverband verankern, gedrosselt. Dagegen steigt die Menge an Oberflächenmarkern, die der Krebszelle Beweglichkeit verleihen.

Die Herstellung vieler Proteine wird durch sogenannte Micro-RNA gesteuert. Diese RNA-Moleküle, die aus nur etwa 23 Bausteinen bestehen, heften sich gezielt an Boten-RNA, die die Bauanleitung für Proteine enthalten. So blockieren sie die Herstellung des betreffenden Proteins. Wahrscheinlich spielen die Micro-RNA auch eine wichtige Rolle bei der Metastasierung und programmieren die Zellen zu bösartigem Wachstum. In verschiedenen Zelllinien von nicht-kleinzelligem Lungenkrebs untersuchten die Forscher nun den besonders verdächtigen Kandidaten miR-200c auf seine Rolle beim bösartigen Wachstum: Je weniger miR-200c eine Zelllinie bildet, desto beweglicher ist sie und desto weiter wandert sie in umgebendes Gewebe. Wurden die Krebszellen experimentell mit zusätzlicher miR-200c ausgestattet, stieg die Menge der gewebeverankernden Moleküle auf ihrer Oberfläche, und die Invasionsfähigkeit ging zurück. Im Tierexperiment bildeten diese Zellen weniger Metastasen aus.

Auch bei der Resistenz gegen Chemotherapie sowie gegen zielgerichtete Krebsmedikamente scheint ein Mangel an miR-200c eine Rolle zu spielen: Nachdem therapieresistente Lungenkrebs-Zelllinien experimentell mit miR-200c ausgestattet wurden, ließen sie sich durch das Chemotherapeutikum Cisplatin abtöten und reagierten auf Cetuximab, einen Wirkstoff, der Wachstumssignale abblockt.

Die Forscher entdeckten darüber hinaus, wie es in den Krebszellen zum Verlust von miR-200c kommt: In den hochaggressiven Zellen sind die miR-200c-Gene durch chemische Markierungen mit Methylgruppen abgeschaltet. Substanzen, die diese Markierung rückgängig machen, kurbelten die Produktion von miR-200c wieder an. Die Wissenschaftler bestimmten in den Tumorzellen von 69 Lungenkrebspatienten die miR-200c-Mengen und stellten die Werte den Krankheitsdaten der Krebspatienten gegenüber. Je niedriger der miR-200c-Spiegel in den Krebszellen war, desto häufiger war der Krebs bereits metastasiert. Diese Ergebnisse zeigen deutlich einen Zusammenhang zwischen dem Verlust von miR-200c und dem Übergang zu aggressivem, invasivem Wachstum, Metastasenbildung und Chemoresistenz, so die Forscher. Jetzt wollen sie prüfen, ob sich die miR-200c-Produktion in Tumorzellen zur Vorhersage von Metastasen und damit als Prognosefaktor für den Verlauf einer Lungenkrebserkrankung eignet. Möglicherweise lässt sich auch die Wirksamkeit bestimmter Arzneimittel anhand des miR-200c-Spiegels besser voraussagen.

Quelle Ceppi, P., et al.: Molecul. Canc. Res. 2010, Online-Vorabveröffentlichung DOI: 10.1158/1541-7786.MCR-10-0052.

 

hel

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