Tumorerkrankungen

Metastasen beobachten

01.01.2010, 07:10 Uhr


Forscher der Ludwig-Maximilians-Universität München können mit einer neuen Methode in Echtzeit verfolgen, welche Schritte zur Bildung von Gehirnmetastasen zwingend erforderlich sind - und welche die Krebszellen in eine "Sackgasse" führen, so dass keine Metastasen entstehen.

Die verbesserte Therapie von Krebserkrankungen hat zwar dazu geführt, dass die Betroffenen länger überleben. Doch dadurch entwickeln auch mehr Patienten Metastasen im Gehirn. Diese Tumoren entstehen häufig bei Lungen-, Brust- und Hautkrebs und sind kaum zu behandeln. In der Regel kann ihr Wachstum nur verzögert, nicht aber aufgehalten werden. Den Patienten bereiten sie sehr belastende Beschwerden, etwa Kopfschmerzen und Übelkeit, aber auch neurologische Symptome wie Lähmungen und Sprachverlust.

Wie diese Metastasen entstehen, war bislang weitgehend ungeklärt. Jetzt ist es Münchener Forschern erstmals gelungen, das Schicksal einzelner Krebszellen in Echtzeit zu verfolgen - bis hin zur Entwicklung großer Hirnmetastasen. Möglich war dies dank einer neuartigen Anwendung der so genannten Zwei-Photonen-Mikroskopie. Diese erlaubt es, auch tiefer liegende Regionen des lebenden Gehirns bis in kleinste Einzelheiten sichtbar zu machen. Die Forscher konnten die Stadien der Metastasenbildung im Gehirn quasi live mitverfolgen.

Zwei unterschiedliche Farbstoffe ließen die Blutgefäße grün, die Tumorzellen dagegen rot aufleuchten. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen konnten die Wissenschaftler dann beobachten, dass für die Bildung einer Gehirnmetastase insgesamt vier Schritte notwendig sind: Als erstes müssen die Tumorzellen im Blut an einer Gabelung im Adergeflecht hängen bleiben. Anders als bislang vermutet, genügt dieser Schritt aber nicht zur Metastasenbildung. Die Zellen müssen erst noch durch winzige Löcher in der Gefäßwand nach außen dringen, um sich dann in einem dritten Schritt von außen an das Gefäß anzuheften. Dann können die Tumorzellen bereits Mikrometastasen aus vier bis 50 Zellen bilden.

Doch erst ein vierter Schritt ist der eigentliche Startschuss für die Entwicklung einer klinisch relevanten Hirnmetastase: Dabei verschmelzen mehrere benachbarte Mikrometastasen und bilden neue Blutgefäße aus. Diese so genannte Angiogenese liefert der Geschwulst alle nötigen Nährstoffe und erlaubt so ein schnelles und ungebremstes Tumorwachstum.

Welche "Sackgassen“ in der Entwicklung die Metastasenbildung verhindern, wurde im Versuch ebenfalls deutlich. Dies geschieht, wenn die Krebszellen nicht aus den Gefäßen gelangen, wenn sie nicht von außen an die Gefäßwand anheften oder aber keine neuen Blutgefäße bilden können. Ohne Angiogenese starben selbst Krebszellen ab, die sich bereits an die Außenwand eines Gefäßes angeheftet und zunächst stark vermehrt hatten.

Viele Krebszellen ruhen, um sich erst nach relativ langer Zeit zu vermehren. Das könnte erklären, warum Metastasen oftmals erst Jahre nach einer erfolgreichen Therapie entstehen. Aber auch in diesem Ruhezustand ist der direkte Kontakt zu einem Blutgefäß essenziell für das Überleben der Tumorzellen.

Die Forscher konnten bereits zeigen, dass das Zytostatikum Bevacizumab die Angiogenese blockiert, so dass Mikrometastasen dauerhaft in einem Schlummerzustand gehalten werden. Sie wollen nun auch noch andere Krebsmedikamente in ihrer Wirkung testen. Zudem könnten dank dieser Einsichten aber auch neue Substanzen entwickelt werden, die eine Prävention oder bessere Behandlung von Metastasen ermöglichen.

Quelle: Kienast, Y., et al. Nature Medicine online; DOI: 10.1038/nm.2072


Dr. Bettina Hellwig