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Mehr persönliche Dienstleistungen

POTSDAM (diz). Wie wird sich unser Gesundheitswesen entwickeln? Welche Strömungen sind schon heute erkennbar? Florian Gerster, früherer Staatsminister und ehemaliger Präsident der Bundesagentur für Arbeit, heute bei einer Unternehmensberatungsgesellschaft, machte sich in seinem Vortrag auf dem Wirtschaftsforum am 28. April Gedanken zu diesen Fragestellungen. Sein Fazit: Die Individualisierung und Personalisierung von Leistungen wird im Vordergrund stehen. Die Apotheke sollte sich darauf einstellen.


Inhaltsverzeichnis: "Wirtschaftsforum 2010"


Florian Gerster: Apotheken werden zu Beratungszentren.

Gesundheitspolitik stellte sich bisher eher als Kostendämpfungspolitik und Überregulierung dar statt Wachstumsförderung. Voraussetzung für ein qualitatives Wachstum in der Gesundheitswirtschaft sind nach Gerster jedoch ein Wettbewerb der Anbieter sowie Wahlmöglichkeiten der Versicherten. Vor diesem Hintergrund ist die letzte Gesundheitsreform misslungen, die Regelungsdichte wurde erhöht.

Für die aktuelle Gesundheitsreform scheint allerdings mehr Markt vorgesehen zu sein – mit Ausnahmen, wie Gerster anhand des Eckpunktepapiers erläuterte. So sollen Preisverhandlungen zwischen Krankenkassen und Industrie kommen. Auf dem sogenannten zweiten Gesundheitsmarkt, also den zusätzlichen, nicht zwingend notwendigen Gesundheitsleistungen soll der Patient mehr Wahlmöglichkeiten bekommen: "Der Patient muss draufzahlen können."

Basiskatalog und zweiter Markt

Gerster sieht für die Zukunft einen Basiskatalog der Gesundheitsleistungen statt einer Rationierung. Ohne Basiskatalog wird es seiner Meinung nach nicht mehr gehen, allerdings wird es fließende Übergänge zum zweiten Gesundheitsmarkt geben. Es wird zu definieren sein, welche Leistungen allen im Rahmen der GKV angeboten werden können und welche Leistungen jeder selbst zahlen muss. Sofern Innovationen beispielsweise einen nachgewiesenen Nutzen haben, gehören sie in den Basiskatalog, Präparate, die dagegen nur der Steigerung des Wohlbefindens dienen, sind vom Versicherten selbst zu zahlen. Freiwillige Zusatzversicherungen könnten für solche Sachleistungen abgeschlossen werden, die über den Basiskatalog hinausgehen.

Mehr patientenorientiert

Bisher stellte sich das Gesundheitswesen kassen- und arztzentriert dar. In der Zukunft wird es sich hin zu einem vernetzten patientenorientierten Gesundheitswesen entwickeln. Verkrustete Strukturen werden aufbrechen.

Die demografische Entwicklung birgt mehr Chancen als Risiken. Die Nachfrage nach Dienstleistungen wird steigen, insbesondere auf dem zweitem Gesundheitsmarkt, also bei den Leistungen, die jeder aus eigener Tasche zahlt.

Ein Megatrend: Das Gesundheitswesen wird zum Gesundheitsmarkt. Standardisierte Leistungen werden individuell, was heute reguliert ist, ist morgen marktorientiert. Der Markt der Massenprodukte wird zur individuellen Medizin. Es werden neue Vertragsformen kommen, neue Kooperationsmodelle. Die Konsumentensouveränität wird gestärkt. Gesundheitsanbieter nehmen verstärkt am Wettbewerb teil. Die Arzneimitteltherapie wird weiter an Bedeutung gewinnen. Apotheken werden zu Beratungszentren für Ärzte und Patienten. Apotheken haben eine starke Mitverantwortung für die Qualität der Arzneimitteltherapie und -auswahl.

Blickt man noch weiter in die Zukunft, zeigt sich, dass sich die Arbeitswelt verändern wird. Im Jahr 2050 gibt es immer weniger Routinearbeiten, sie sind automatisiert oder ins Ausland verlagert. Im Mittelpunkt stehen die kreative Wissensarbeit und persönliche Dienstleistungen. Laut Zukunftsforscher Horx gibt es in unserer Gesellschaft dann 20 Prozent Selbstständige, 40 Prozent Arbeitnehmer mit Zeitverträgen und nur noch 40 Prozent unbefristet tätige Arbeitnehmer.

Vor den Hintergrund solcher Szenarien rief Gerster dazu auf, aktiv den Wandel des Gesundheitswesens mitzugestalten. Im Mittelpunkt sollte stehen: einen Mehrwert für Patienten und Konsumenten zu bieten.

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