Arzneimittel und Therapie

Moderne Krebsmedizin: Fortschritte und Herausforderungen

Rund eineinhalb Millionen Menschen leben derzeit in Deutschland mit einer Krebserkrankung, die in den vorangegangenen fünf Jahren entdeckt wurde – Tendenz steigend. Ein Grund ist der zunehmende Anteil alter Menschen an der Bevölkerung, ein anderer sind die Fortschritte der Krebstherapie. Sie sorgen nicht nur für mehr Heilungserfolge, sondern vor allem dafür, dass Tumorpatienten länger als früher mit der Erkrankung leben. Beide Entwicklungen stellen die moderne Krebsmedizin vor erhebliche Herausforderungen, wie beim 29. Deutschen Krebskongress deutlich wurde.
Fortschritte in der Tumortherapie In der individualisierten Therapie liegt auch in der Onkologie die Zukunft. Biomarker haben bei der Behandlung verschiedener Tumore schon Einzug in den klinischen Alltag gehalten. Die Folge dieser Entwicklung: bei verschiedenen Tumorformen nehmen die Sterberaten kontinuierlich ab.
Foto: Novartis

Weltweit wird jedes Jahr rund zwölf Millionen Mal die Diagnose "Krebs" gestellt. Etwa 7,6 Millionen Menschen sterben jährlich an einer Krebserkrankung. Dabei rechnet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sogar damit, dass sich die Zahl der Krebsdiagnosen bis zum Jahr 2030 noch mehr als verdoppeln wird.

Auch in Deutschland steigt die Zahl der Krebspatienten stetig an: Eine Zunahme der Patientenzahlen um etwa 30% wird für die kommenden Jahre prognostiziert, wobei laut Angaben des Robert Koch-Institutes derzeit rund 450.000 Menschen jährlich in Deutschland an Krebs neu erkranken. "Schon in wenigen Jahren werden es rund 580.000 Menschen jährlich sein, bei denen die Diagnose Krebs gestellt wird", mahnte Prof. Dr. Werner Hohenberger, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, bei der Eröffnung des Deutschen Krebskongresses in Berlin. Krebserkrankungen werden dann wahrscheinlich die führende Todesursache hierzulande darstellen.

Daran werden wohl auch die unverkennbaren Fortschritte der Krebsmedizin nichts ändern können. Doch bei verschiedenen Tumorformen nehmen die Sterberaten kontinuierlich ab. Bestes Beispiel ist der Darmkrebs: Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt bei dieser Krebserkrankung bei Männern und Frauen inzwischen bei 60 Prozent. Wird der Tumor erst im metastasierten Stadium entdeckt, so werden immerhin noch mediane Überlebenszeiten von etwa zwei Jahren erreicht, eine Entwicklung, die vor wenigen Jahren noch undenkbar erschien.

Personalisierte Therapie: Biomarker halten Einzug

Sie gründet sich zum einen auf die immensen Bemühungen um eine verbesserte Krebsvorsorge und Krebsfrüherkennung und zum anderen auf Fortschritte in der Tumortherapie, betonte Kongresspräsident Prof. Dr. Wolff Schmiegel aus Bochum. So werden Tumore und der Hintergrund ihrer Entstehung zunehmend besser verstanden. Das aber gibt neue Forschungsimpulse, weitere zielgerichtete Behandlungsstrategien zu entwickeln. Die "personalisierte Krebsbehandlung", ein Schlagwort, das seit Jahren schon die Krebsforschung und Krebsmedizin beherrscht, steht nach Schmiegel in vielen Bereichen an der Schwelle der klinischen Routine und hat diese bei einzelnen Tumoren sogar schon überschritten.

Auch in diesem Punkt ist der Darmkrebs ein Beispiel, da durch die Bestimmung des k-ras-Onkogens vor der Behandlung deren Erfolgsaussichten vorhergesagt werden können. Ein weiteres Beispiel ist der Magenkrebs, bei dem seit Kurzem ebenso wie bereits beim Brustkrebs die Therapie danach ausgerichtet werden kann, ob der Tumor HER2-positiv ist oder nicht, ob er also den Wachstumsfaktor HER2 (Human Epidermal growth factor Receptor 2) überexprimiert oder nicht. Damit ziehen die ersten Biomarker bei der Behandlung verschiedener Tumore in den klinischen Alltag ein.

Diese Entwicklung wird sich fortsetzen und es gibt eine ganze Vielzahl an neuen Substanzen in den pharmazeutischen Pipelines. "Die Tumortherapie ist in hohem Maße innovativ und zunehmend individualisiert", fasste Hohenberger diese Entwicklung zusammen. Sie ist damit aber auch teuer. Das setzt einerseits die Gesundheitssysteme unter Druck und schürt andererseits auf Seiten der Patienten Ängste, möglicherweise allein schon aus Kostengründen nicht die bestmögliche Therapie zu erhalten.

Die "gefühlte Qualität" ist hoch

Es müssen deshalb, so hieß es in Berlin, Strukturen geschaffen werden, die dieser Entwicklung Rechnung tragen und für einen rationalen Einsatz der neuen Therapieoptionen sorgen. Die deutschen Krebsmediziner setzen dabei auf die Behandlung von Tumorpatienten in zertifizierten Organkrebszentren. 400 solcher Zentren sind bereits zertifiziert, 200 weitere stehen aktuell zur Zertifizierung an. Für bessere Strukturen im Kampf gegen Krebserkrankungen soll zudem der Nationale Krebsplan sorgen, hinter dem neben der Deutschen Krebsgesellschaft auch die Bundesregierung, die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren und die Deutsche Krebshilfe steht, der aber in der Öffentlichkeit bislang wenig Beachtung gefunden hat. Der Nationale Krebsplan soll für eine flächendeckend bessere Versorgung von Krebspatienten hierzulande sorgen und auch dafür, dass Innovationen in der Behandlung für alle Patienten gesichert werden können. Er soll mit dazu beitragen, dass die deutsche Krebsmedizin den internationalen Anschluss nicht verpasst. Denn, so Hohenberger, "die gefühlte Qualität der deutschen Krebsmedizin scheint uns hoch zu sein, tatsächlich werden wir in der internationalen Landschaft aber nur im Mittelfeld gehandelt".

Quelle Prof. Dr. W. Hohenberger, Erlangen, Prof. Dr. Wolff Schmiegel, Bochum, Eröffnungsreden beim 29. Deutschen Krebskongress, Berlin, 24. Februar 2010.


Christine Vetter, freie Medizinjournalistin

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