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5-Jahres-Überlebensrate bei Krebs bei 75 Prozent

BERLIN (dkg/diz). Das Fachjournal Lancet Oncology veröffentlichte in seiner aktuellen Ausgabe eine Studie zur Überlebensrate bei Krebs weltweit (Concord-Studie). Deutschland liegt nach dieser Studie nur im Mittelfeld. Die Deutsche Krebsgesellschaft warnt jedoch vor voreiligen Interpretationen, zumal bei Statistiken komplexe Ursachenzusammenhänge eine Rolle spielen. Das Bundesgesundheitsministerium erklärt dazu, dass die aus den 90er Jahren stammenden Daten inzwischen veraltet seien. Die 5-Jahres-Überlebensraten für Brustkrebs, Darmkrebs und Prostatakrebs haben sich in Deutschland deutlich verbessert.

Generell, so heißt es im Lancet Oncology, gibt es weltweit eine große Bandbreite bei den Krebs-Überlebensraten. Die 5-Jahres-Überlebensrate bei Brustkrebs, Darm- und Prostatakrebs war, so die Studiendaten, generell höher in Nordamerika, Australien, Japan sowie in Nord-, West- und Süd-Europa, geringer dagegen in Algerien, Brasilien und Ost-Europa. Der Studie zufolge liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei Krebs in Deutschland heute bei 75 Prozent.

Es liegt nahe, hierfür auch die deutsche Gesundheitspolitik verantwortlich zu machen, heißt es in einer Stellungnahme der Deutschen Krebsgesellschaft. Doch bevor man solche oder andere Schlüsse ziehe, müsste eine differenzierte Prüfung der Daten und ihrer Auswertung erfolgen. Prof. Dr. Werner Hohenberger, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, warnt vor vereinfachenden und vorschnellen Interpretationen: "Statistiken sind Teil eines komplexen Ursachenzusammenhanges. Gerade bei Krebserkrankungen spielen viele Einflussgrößen eine Rolle, die sich nur bedingt in Form messbarer Daten abbilden lassen." Verzerrungen können zum Beispiel schon aufgrund unterschiedlicher Erfassungsgrade der nationalen Krebsregister auftreten. Auf nationaler Ebene sei die Antwort bereits nicht leicht zu geben, auf internationaler noch ungleich weniger. Hier bestehe noch viel zu viel Handlungsbedarf, um derart generalisierende Aussagen treffen zu können.

Auch Überdiagnosen denkbar

Im Falle der deutlich unterschiedlichen Zahlen in den 5-Jahres-Überlebensraten bei Prostatakrebs wiederum seien andere Zusammenhänge zu bedenken: Der Lancet-Studie zufolge liegen die Quoten in den USA bei 92%, in Deutschland bei 76%. Gegenwärtigen Erhebungen zufolge liegen beide Zahlen mittlerweile höher, doch die Differenz bleibt bestehen. "Nun wäre es aber verfrüht, hier eine bessere Behandlung als alleinige Ursache anzusetzen, auch wenn dieser Aspekt eine Rolle spielen mag. Ebenso ist jedoch der verbreitete Einsatz des PSA-Tests zur Früherkennung in den USA als Faktor in Betracht zu ziehen. Dadurch werden zum Teil Prostatakarzinome diagnostiziert, die vermutlich zu Lebzeiten des Betroffenen nie bekannt geworden wären. Statt von einer notwendigen Therapie kann man also in manchen Fällen durchaus eine Überdiagnose vermuten", führt Hohenberger weiter aus.

Keine übereilten Bewertungen

Offensichtlich komme im Fall dieser Studie das Problem der Aktualität hinzu, das für den Präsidenten die Frage aufwirft, "welche aktuellen Entwicklungen – sowohl medizinisch in der Behandlung als auch politisch in der Schaffung der Rahmenbedingungen – von den Daten noch erfasst werden". Die zuverlässigste und aktuellste Datengrundlage für Vergleiche in den Krebs-Überlebensraten sei derzeit die EUROCare-4-Studie, die zwischen 1995 und 1999 diagnostizierte Krebspatienten berücksichtigt. Diese zeigt eine andere Situation: So beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate in Deutschland für alle erfassten Krebsarten 52,3%, während sie im europäischen Durchschnitt bei 49,4% liegt. Im Hinblick auf die 5-Jahres-Überlebensraten einzelner Krebserkrankungen, z. B. Lungen-, Darm- oder Magenkrebs, schneidet Deutschland gut ab, beim Non-Hodgkin-Lymphom weist Deutschland – auch im Vergleich zu den USA – sogar das beste Ergebnis auf. Diese Zahlen hätten sich mittlerweile weiter verbessert, wofür auch neu implementierte Früherkennungsmaßnahmen verantwortlich seien. Im Falle der schon seit Längerem bekannten deutlich höheren Brustkrebs-Überlebensraten in Skandinavien und den USA ist das Problem der Aktualität noch deutlicher: "Um hier eine Verbesserung zu erzielen, wurde auch in Deutschland ein qualitätsgesichertes Mammografie-Screening eingeführt, allerdings erst im Zeitraum 2004 bis 2008. Es ist offensichtlich, dass derartige Entwicklungen in der vorliegenden Studie keine Berücksichtigung finden", so Hohenberger.

Zudem zeigen Daten aus flächendeckenden Erhebungsstudien in Deutschland, dass die onkologischen Behandlungsergebnisse keinerlei internationalen Vergleich scheuen müssen. Dies wird insbesondere beim kolorektalen Karzinom in Sachsen-Anhalt sowie bei weiteren soliden Tumoren in mehreren deutschen Krebsregistern nachgewiesen.

Die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. kommt angesichts dieser Erwägungen zu dem Schluss, dass eine Bewertung der Lancet-Studie nicht übereilt erfolgen darf.

BMG: Veraltete Daten

Die Daten der Untersuchung sind für Deutschland inzwischen veraltet, stellt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in einer Pressemitteilung fest. Sie beziehen sich auf den Zeitraum 1990 bis 1999. Die 5-Jahres-Überlebensraten für Brustkrebs, Darmkrebs und Prostatakrebs haben sich in den letzten Jahren in Deutschland verbessert und betragen mittlerweile 81% für Brustkrebs, 60% für Darmkrebs und 87% für Prostatakrebs. Dies sei im Wesentlichen einer verbesserten Früherkennung und Behandlung geschuldet. In Deutschland zeigt sich, so das BMG, seit den 70er-Jahren insgesamt eine Verbesserung der Überlebensraten von Krebspatientinnen und -patienten. Die in der aktuellen Ausgabe der Broschüre "Krebs in Deutschland 2003 bis 2004 (6. Ausgabe, erschienen im Februar 2008, s. Kasten) analysierten Daten der Jahre 2000 bis 2004 zeigen, dass sich die Überlebensraten insgesamt bei allen Krebsarten bei Männern um weitere 5 Prozentpunkte, bei Frauen um weitere 2 Prozentpunkte verbessert haben. Grundsätzlich sind internationale Vergleiche von Überlebensraten bei einzelnen Krebserkrankungen mit Vorbehalt zu bewerten, so das BMG. Bessere Überlebensraten seien nicht unbedingt ein Beleg für eine bessere Krebsfrüherkennung und -behandlung. Trotz des grundsätzlich erfreulichen Trends bei den Krebs-Überlebensraten in Deutschland weisen andere Staaten, wie die USA oder manche skandinavische Länder, bessere 5-Jahres-Überlebensraten. Die besseren Überlebensraten, insbesondere in den skandinavischen Ländern, werden darauf zurückgeführt, dass dort früher als in Deutschland ein bevölkerungsweites Mammographie-Screening eingeführt wurde. Vor diesem Hintergrund wurde in Deutschland zwischen 2004 und 2008 ebenfalls ein qualitätsgesichertes Mammographie-Screening implementiert.


Krebs in Deutschland

Im Februar 2008 ist die aktuelle Ausgabe der Broschüre "Krebs in Deutschland 2003 bis 2004 – Häufigkeiten und Trends" (6. Ausgabe) erschienen. Die Broschüre "Krebs in Deutschland" wird alle zwei Jahre als gemeinsame Publikation der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister e. V. (GEKID) und des Robert Koch-Instituts (RKI) herausgegeben. Die Broschüre ist auch im Internet als pdf-Dokument abrufbar unter www.rki.de in der linken Spalte unter "Gesundheitsberichterstattung und Epidemiologie".

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