Interpharm 2009

Neues im Gefahrstoffrecht: GHS und REACH

Das Gefahrstoffrecht befindet sich ständig im Fluss. Nach der europäischen Harmonisierung folgt nun im nächsten Schritt die Globalisierung der Anforderungen. Über die neuen Rechtsvorschriften und ihre Bedeutung für die Apotheken informierte in zwei Fachseminaren Helmut Hörath, Hof.
Helmut Hörath

Neu im Gefahrstoffrecht sind

  • das Global Harmonisierte System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemika-lien (Globally Harmonised System of Classification and Labelling of Chemicals (GHS), sowie dessen Auswirkungen auf
  • REACH (Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals), bzw. die Angaben im Sicherheitsdatenblatt.

Das Global Harmonisierte System (GHS) zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien der Vereinten Nationen bildet die Grundlage für die weltweite Vereinheitlichung bestehender nationaler Systeme zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Es wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG (Stoffrichtlinie) und 1999/45/EG (Zubereitungsrichtlinie) und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung) für den Geltungsbereich Europäische Union übernommen. Die Publikation der EG-GHS-Verordnung (vielfach auch als EG-CLP-Verordnung – Classification, Labelling, Packaging – bezeichnet) im Amtsblatt der Europäischen Union vom 31. Dezember 2008 umfasst 1355 Seiten. Infolge der globalen Harmonisierung müssen in Deutschland nun zahlreiche Rechtsvorschriften geändert werden, darunter das Chemikaliengesetz und die Gefahrstoffverordnung, was wegen der hohen Komplexität der Materie jedoch erst nach und nach erfolgen wird. GHS gilt zwar nicht für Arzneimittel, wohl aber für deren Vorstufen und ist insoweit für jeglichen Umgang mit gefährlichen Chemikalien in der Apotheke von Bedeutung.

Übergangsvorschriften

Die neue Verordnung ist am 20. Januar 2009 in Kraft getreten. Die Vorschriften über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung (Anhänge I bis VI der GHS-Verordnung) können seit diesem Zeitpunkt bereits für chemische Stoffe und Gemische (nach bisherigem Recht: Zubereitungen) genutzt werden. Damit der Markt jedoch genügend Zeit hat sich anzupassen, gelten die bestehenden relevanten Vorschriften, das heißt die Stoffrichtlinie und Zubereitungsrichtlinie, für einen Übergangszeitraum fort.

Die Fristen sind wie folgt festgelegt:

  • Stoffe müssen spätestens ab 1. Dezember 2010,
  • Gemische (Zubereitungen) ab dem 1. Juni 2015

nach dem neuen Recht eingestuft, gekennzeichnet und verpackt werden. Für Lagerbestände kann darüber hinaus noch eine zweijährige Übergangsfrist genutzt werden. Diese reicht

  • für Stoffe bis zum 1. Dezember 2012 und
  • für Gemische (Zubereitungen) bis zum 1. Dezember 2017.

Was ändert sich mit GHS?

Die wesentlichen Änderungen, die sich aus GHS ergeben, sind im Kasten aufgeführt.

Nach bisherigen EU-Recht gibt es 15 Gefahrenmerkmale, wie z. B. "Ätzend", "Sehr giftig" oder "Leichtentzündlich". Nun wird nach GHS zwischen 28 Gefahrenklassen unterschieden. Die neue Systematik differenziert zudem Gefahrenkategorien, zum Beispiel drei in der Gefahrenklasse "Entzündbare Flüssigkeiten", abhängig vom Flammpunkt, vier bei der "Akuten Toxizität". Die Grenzen zur Einstufung (also z. B. Flammpunkt, LD50-Werte) weichen zum Teil von denen des bisherigen EU-Systems ab, so dass bestimmte Stoffe in Zukunft durchaus abweichend vom bisherigen Status eingestuft werden können. Eine Hilfestellung für die Anpassung der Einstufung an das neue Recht liefert die Umwandlungstabelle in Anhang VII der GHS-Verordnung.

Wesentliche Neuerungen nach der GHS-Verordnung

1. Gefahrensymbole werden durch neun Piktogramme ersetzt.
2. Einteilung der gefährlichen Stoffe in drei Gefahrenklassen (physikalische, menschliche Gesundheit, Umwelt)
3. 15 Gefährlichkeitsmerkmale ⇒ 28 Gefahrenkategorien
4. Gefahrenbezeichnungen (giftig, leichtentzündlich etc.) ⇒ Signalwörter "Gefahr" (schwerwiegende Gefahr) bzw. "Achtung" (weniger schwerwiegende Gefahr)
5. R-Sätze ⇒ H-Sätze (= hazard statements)S-Sätze ⇒ P-Sätze (= precautionary statements)
6. Aufhebung der Stoffrichtlinie 67/548/EWG und der Zubereitungsrichtlinie 1999/45/EG und Integration in die GHS-Verordnung
7. Überarbeitung der Sicherheitsdatenblatt-Richtlinie 91/155/EWG und Integration in die REACH-Verordnung 1907/2006.

Kennzeichnung nach GHS

Die bisher in der EU geltenden Kennzeichnungsmethoden für Gefahrstoffe werden mit GHS durch die weltweit harmonisierten ersetzt. Sie enthalten nun folgende Elemente:

  • Gefahrenpiktogramme mit einem Signalwort, wobei die gewohnten rechteckigen orangefarbenen Gefahrstoffsymbole durch neue Gefahrenpiktogramme (rotumrandete Rauten mit schwarzen Symbolen auf weißem Grund) abgelöst und die bisher 15 Gefahrenzeichnungen auf zwei Signalwörter reduziert werden: "Gefahr" und "Achtung".
  • H-Sätze (Hazard Statements), gegebenenfalls spezielle europäische H-Sätze für Zusatzgefahren EUH-Sätze)
  • P-Sätze (Precautionary Statements).

Die Hinweiskodierungen erhalten dreistellige Nummern. Die Buchstaben stehen für die Art des Hinweises und bei den H- und P-Sätzen steht die erste Ziffer für die Gruppierung der Ge-fahr (Bsp.: 2 = Physikalische Gefahren) bzw. des Sicherheitshinweises (Bsp.: 2 = Vorsorge-maßnahmen). Die letzten zwei Stellen beinhalten die laufende Nummer.

Die nebenstehende Abbildung zeigt Beispiele für die Kodierung eines Gefahrenhinweises (H-Satz) und eines Sicherheitshinweises (P-Satz).

Doppelkennzeichnung nicht zulässig

Hörath wies darauf hin, das aufgrund der Übergangsregelung für einen recht langen Über-gangszeitraum Chemikalien mit alten und neuen Kennzeichnungen in Verkehr sein können, eine schwierige Situation nicht nur für die Inverkehrbringer der Produkte, sondern auch für die Handelskanäle, darunter die Apotheken, die mit diesen umgehen. Er empfahl daher, sich frühzeitig mit den neuen Einstufungs- und Kennzeichnungsregeln auseinanderzusetzen.

Der Gefahrstoffexperte rechnet im Übrigen nicht damit, dass die Industrie es schaffen wird, die Kennzeichnung der Gefahrstoffe bis zum Ende des Übergangszeitraums 2010 anzupassen. Darüber hinaus ist es seiner Einschätzung nach nicht auszuschließen, dass die Regelungen vor Fristablauf noch einmal geändert werden. Hörath betonte in diesem Zusammenhang, dass im Übergangszeitraum weder eine doppelte noch eine gemischte Kennzeichnung zulässig ist. Auch bei Produkten aus mehreren Bestandteilen muss auf jeden Fall alles einheitlich, das heißt, entweder nach den alten oder den neuen Regeln, gekennzeichnet werden.

Änderungen auch im Sicherheitsdatenblatt

Hinter der Abkürzung REACH (Registration, Evaluation and Authorization of Chemicals) verbirgt sich die Neuordnung des Chemikalienrechts innerhalb der EU. Die betreffende Ver-ordnung ([EG] Nr. 1907/2006) ist bereits seit dem 1. Juni 2007 in Kraft. Das Kernelement von REACH ist die Verpflichtung der Inverkehrbringer von Chemikalien, diese registrieren zu lassen, weshalb REACH für die Apotheken nur marginale Bedeutung hat. Wichtig sind jedoch die Vorschriften über das Sicherheitsdatenblatt, die nun über GHS ebenfalls geändert wurden. Hierfür gelten folgende Übergangsregeln:

  • Werden Stoffe in dem Zeitraum bis zum 1. Dezember 2010 bzw. Gemische bis zum 1. Juni 2015 bereits nach den neuen Regeln eingestuft, so muss diese Einstufung zusammen mit der Einstufung nach der Stoffrichtlinie (67/548/EWG) bzw. der Zubereitungsrichtlinie (1999/45/EG) im Sicherheitsdatenblatt eingefügt werden.
  • In dem Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis zum 1. Juni 2015 enthalten die Sicherheitsdatenblätter für Stoffe beide Einstufungen.
  • Bei Stoffen und Gemischen, die bereits nach der EG-GHS-Verordnung sowohl eingestuft als auch gekennzeichnet sind, muss die Einstufung bis zum 1. Juni 2015 im Sicherheitsdatenblatt zusammen mit der Einstufung nach der bisherigen Stoff- bzw. der Zubereitungsrichtlinie für den Stoff, das Gemisch und seine einzelnen Bestandteile angegeben werden.

Der Inverkehrbringer ist dafür verantwortlich, dass das Sicherheitsdatenblatt fachlich richtig und vollständig ausgefüllt ist und dass es regelmäßig an den aktuellen Rechtsstand angepasst wird.

Sämtliche relevanten Rechtsvorschriften rund um die GHS-Verordnung, REACH und weitere nationale Rechtsvorschriften sowie Erläuterungen für die Umsetzung in die Praxis finden sich auf der Webseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) www.baua.de.
hb

Zum Vormerken

Interpharm 2010
Die nächste Interpharm findet vom 12. bis 14. März 2010 im Congresscenter Frankfurt statt.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.