Arzneimittel und Therapie

Besonderheiten bei der Pharmakotherapie

Aufgrund einer vaskulären oder diabetischen Nephropathie unterziehen sich in Deutschland rund 65.000 bis 70.000 Patienten einer regelmäßigen Dialyse. Neben der terminalen Niereninsuffizienz liegen meist weitere Komorbiditäten vor, so dass eine komplexe Pharmakotherapie erforderlich ist. Besonderes Augenmerk gilt hier der renalen Anämie und den Störungen des Calcium- und Knochenstoffwechsels.
Bei einer Dialyse besteht sowohl die Gefahr einer Unterdosierung, da die Arzneistoffe durch die Dialyse eliminiert werden können, als auch einer Überdosierung: die Arzneistoffe können zwischen den Dialysen kumulieren. Neben der Pharmakotherapie ist auf eine Optimierung der Dialyse und auf eine phosphatarme Diät zu achten.
Foto: Wyeth Pharma GmbH

Durch die Dialyse werden pharmakokinetische Parameter wie Metabolisierung, Verteilung und Elimination verändert, wobei die letztere am stärksten beeinflusst wird. Die Elimination wird durch Faktoren wie

  • geringe molare Masse des Arzneistoffs,
  • Hydrophilie des Wirkstoffs,
  • großporige Filter oder eine große Filteroberfläche am Dialysegerät,
  • hoher Blut- und Dialysatfluss
  • kleines Verteilungsvolumen und
  • geringe Eiweißbindung

gefördert.

Eigenschaften wie

  • Lipophile des Wirkstoffs,
  • hohe Eiweißbindung und
  • großes Verteilungsvolumen

hemmen die Elimination.

Demnach muss je nach Stoffeigenschaften die Dosis individuell angepasst werden, um Über- oder Unterdosierungen zu vermeiden.

Phosphatbinder

  • anorganische Phosphatbinder – calciumfrei– Lanthancarbonat (Fosrenol®)– Aluminumhydroxid (z. B. Antiphosphat®)– calciumhaltig– Calciumsalze (Carbonat, Acetat, Citrat)
  • organische Phosphatbinder– Sevelamer (Renagel®)

Renale Anämie

Die meisten Dialysepatienten leiden unter einer renalen Anämie. Diese beruht auf der Niereninsuffizienz, die eine verminderte Bildung von Erythropoetin nach sich zieht. Ferner ist die Lebenszeit der Erythrozyten reduziert (60 Tage vs. 120 Tage beim Gesunden) und es besteht durch den Blutverlust bei der Hämodialyse ein Eisenmangel. Da die Anämie das Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko erhöht, muss sie zwingend behandelt werden. Zur Therapie werden Erythropoetin alpha (z. B. Erypo®), Erythropoetin beta (z. B. NeoRecormon®) mit Plasmahalbwertszeiten von vier bis zwölf Stunden und länger wirksame Derivate wie Darbepoetin (Aranesp® ; Halbwertszeit rund 25 Stunden) sowie Biosimilars eingesetzt. Der optimale Hb-Wert liegt bei 11 bis 12 g/dl.

Der Eisenstoffwechsel muss engmaschig überprüft werden und in der Regel ist eine zusätzliche Eisensubstitution erforderlich. In Deutschland wird meist Eisenglukonat (in geringem Umfang auch Eisensaccharose und Eisendextran) verwendet, das während der Dialyse intravenös verabreicht wird.

Dialysearten

  • Bei der Hämodialyse wird das Blut des Patienten nach Zusatz von Gerinnungshemmern über eine Dialyseeinheit gepumpt, die aus einer semipermeablen Membran (Dialysator oder künstliche Niere) besteht. Dabei löst die Dialysierflüssigkeit harnpflichtige, niedermolekulare Substanzen aus dem Blut, die während des Dialysevorgangs in die Waschlösung übertreten. Die alte Dialysierflüssigkeit wird verworfen. Anschließend wird dem Patienten das gereinigte Blut wieder zugeführt. Die Hämodialyse wird in Zentren und Schwerpunktpraxen drei- bis viermal pro Woche durchgeführt und dauert jeweils etwa vier bis sechs Stunden. In Deutschland wird zur Blutwäsche überwiegend (bei rund 95% der betroffenen Patienten) die Hämodialyse angewandt.
  • Bei der Peritonealdialyse wird die Dialyseflüssigkeit (etwa zwei Liter) über einen permanenten Katheter in den Bauchraum des Patienten eingebracht. Dabei dient das Bauchfell als semipermeable Dialysemembran. Nach etwa vier Stunden wird die Flüssigkeit über den Katheter entfernt, verworfen und der Bauchraum wieder mit frischer Flüssigkeit befüllt. Das wechselnde Befüllen des Bauchraums mit Dialysat und dessen Entleerung nimmt der Patient selbst vor. Diese Art der Dialyse wird in Deutschland nur bei etwa 5% der Patienten durchgeführt.

Störungen des Calcium- und Knochenstoffwechsels

Bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz kommt es früh zu einer Störung des Calcium- und Phosphathaushaltes. Klinische Folgen des sich entwickelnden Hyperparathyreoidismus sind renale Osteopathien, kardiovaskuläre Komplikationen mit Erhöhung der kardiovaskulären Mortalität und Kalzifizierungen. Neben der Pharmakotherapie ist auf eine Optimierung der Dialyse und auf eine phosphatarme Diät zu achten. Da die Phosphatrestriktion bei den Mahlzeiten nur begrenzt eingehalten werden kann, müssen Phosphatbinder eingenommen werden. Diese sorgen dafür, dass das mit der Nahrung aufgenommene Phosphat im Darm nicht resorbiert wird. Am häufigsten werden Calciumacetat und Calciumcarbonat eingesetzt. Da häufig relativ hohe Dosen eingenommen werden müssen, die schlecht vertragen werden, ist die Compliance im Allgemeinen schlecht. Alternativ können Lanthancarbonat oder Sevelamer verwendet werden. Die Gabe aluminiumhaltiger Phosphatbinder wird aufgrund ihrer potenziellen Toxizität (u. a. Enzephalopathie) nicht mehr oder nur kurzfristig empfohlen.

Neben der Phosphatsenkung ist oftmals die Gabe aktiver Vitamin-D3 -Metaboliten (Calcitrol, Alfacalcidol) bzw. des Vitamin D-Analogons Paricalcitol (Zemplar®) erforderlich. Vitamin D reguliert die Calciumkonzentration und verhindert so eine Demineralisierung des Knochens, Osteopathien und Kalzifizierungen. Alternativ kann das Calcimimetikum Cinacalcet (Mimpara®) eingesetzt werden, das im Gegensatz zu Vitamin-D-Präparaten zu einer gewissen Reduktion der Calcium- und Phosphatwerte im Serum führt.

 

Quelle
Prof. Dr. Helmut Reichel, Villingen-Schwenningen: "Hämodialyse und assoziierte Arzneimitteltherapie". Vortrag auf dem Frühjahrskongress der LAK Baden-Württemberg in Villingen-Schwenningen, 14. bis 15. März 2009.

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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