Fortbildung

P. JungmayrDas chronische Nierenversagen (Bericht vo

Im Mittelpunkt des 22. Fortbildungskongresses der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg am 20./21. November 1999 in Heidelberg stand das chronische Nierenversagen. Dabei wurden die Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des niereninsuffizienten Patienten unter verschiedenen Gesichtspunkten erläutert. Weitere Vorträge befassten sich mit Immunsuppressiva, therapeutischen Besonderheiten des nierentransplantierten Patienten sowie den ethischen und rechtlichen Aspekten einer Organtransplantation.

Chronische Niereninsuffizienz

In seinem einleitenden Vortrag ging Dr. Stephan Orth vom Klinikum der Universität Heidelberg auf die Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie einer chronisch erkrankten Niere ein. Eine besonders problematische Patientengruppe sind Diabetiker, da sie den größten Anteil der Patienten ausmachen, die eine terminale Niereninsuffizienz erleiden.

Kreatinin-Wert

Unter einer chronischen Niereninsuffizienz versteht man eine dauerhafte Einschränkung der exogenen und endogenen Nierenfunktion durch den irreversiblen Verlust funktionstüchtiger Nephrone. Das Ausmaß der Niereninsuffizienz kann anhand des Kreatinin-Wertes abgeschätzt werden. Kreatinin entsteht als Abbauprodukt in der Muskulatur und wird glomerulär filtriert (Kreatinin-Clearance). Die Höhe des Serumspiegels ist abhängig von der Muskelmasse und deshalb bei Männern etwas höher als bei Frauen, individuell jedoch relativ konstant. Im Gegensatz zu Harnstoff besteht keine Abhängigkeit von der Eiweißzufuhr mit der Nahrung.

Zwischen der in 24 Stunden ausgeschiedenen Kreatininmenge und der Serum-Kreatininkonzentration besteht eine hyperbolische Beziehung. Das bedeutet: Wird die Filtratrate halbiert, steigt das Serum-Kreatinin auf das Doppelte an, wird die Filtratrate auf ein Viertel reduziert, steigt das Serum-Kreatinin auf das Vierfache an.

Stadien der Niereninsuffizienz

Die chronische Niereninsuffizienz kann in drei Stadien unterteilt werden:

  • Im Frühstadium, d. h. bei Kreatininwerten zwischen 1 und 1,5 mg%, treten vor allem Polyurie, Nykturie sowie bei einigen Nierenkranken ein abnormes Nierensediment auf.
  • Bei Kreatininwerten zwischen 2 und 6 mg% können eine Anämie, Hypertonie und eine verminderte Phosphatausscheidung hinzukommen.
  • Liegt der Kreatininwert zwischen 6 und 10 mg%, ist das dritte Stadium der Niereninsuffizienz erreicht. Es ist vor allem durch Ödeme, Herzinsuffizienz, Hypertonie, gastrointestinale Symptome, eine renale Osteopathie, urämische Neuropathie, Juckreiz sowie eine gestörte Gonadenfunktion gekennzeichnet.

Bei Werten über 10 mg% (bei muskelschwachen Patienten deutlich darunter) liegt eine terminale Niereninsuffizienz vor, in der motorische Neuropathie, Enzephalopathie, Perikarditis, Lungenödeme und eine verstärkte Blutungsneigung auftreten können.

Häufigste Ursache: Diabetes

Die häufigste Ursache einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz ist in Deutschland und in anderen westlichen Nationen der Diabetes mellitus (Typ 2 verursacht rund 24%, Typ 1 sieben Prozent aller Erkrankungen). Weitere Ursachen sind eine Glomerulonephritis, systemische Erkrankungen mit Nierenbeteiligung, Zystennieren sowie einige sehr selten vorkommende erbliche Krankheiten. Bei knapp 30% aller Erkrankungen ist die Ursache der Niereninsuffizienz allerdings nicht bekannt.

Zusätzliche Belastung der Glomeruli führt zu Blutdruckanstieg Nach dem Entfernen einer Niere beträgt das Filtrat der verbleibenden Niere nicht 50%, sondern rund 80%. Das bedeutet, dass die Restniere einen Teil der Funktion der verlorenen Niere übernimmt. Die verbleibenden Nephrone kompensieren den Verlust durch eine Hypertrophie, was mit einer erhöhten glomerulären Filtrationsrate einhergeht. Die Glomeruli arbeiten dabei mit erhöhtem Druck, was zwar vorübergehend die Filtrationsrate, d. h. die Nierenfunktion verbessert, aber langfristig zu Ablagerungen von Narbengewebe im Glomerulus und im Niereninterstitium führt.

Beim Nierenkranken findet sich eine präglomeruläre Vasodilatation. Tritt nun eine Hypertonie auf, belastet diese den nierenkranken Patienten aus folgendem Grund wesentlich stärker als den nierengesunden Patienten:

  • Beim nierengesunden Hypertoniker schützt sich der Glomerulus gegen die Transmission des überhöhten Blutdrucks in das glomeruläre Gefäßbett durch eine Kontraktion der präglomerulären Gefäße.
  • Beim Nierenkranken ist dieser Mechanismus aufgrund der bereits dilatierten präglomerulären Gefäße nicht mehr möglich, sodass es zu einer glomerulären Hypertonie kommt.

Zusätzlich wurde in den letzten Jahren erkannt, dass auch die Anwesenheit von Eiweiß im Tubulusharn die Nierentubuluszellen schädigt. Daraus geht hervor, dass eine Blutdrucksenkung und eine Verringerung der Eiweißzufuhr wichtige therapeutische Maßnahmen beim niereninsuffizienten Patienten sind.

Therapieziel Nr. 1: Blutdrucksenkung

Der Blutdruck des niereninsuffizienten Patienten sollte möglichst tief gesenkt werden (Werte unter 125/75), da dies die wichtigste Maßnahme zur Verlangsamung des Nierenfunktionsverlustes ist. Es hat sich gezeigt, dass durch eine aggressive Blutdrucksenkung die Rate kardiovaskulärer Ereignisse gesenkt werden kann. Die wichtigsten Antihypertensiva bei einer Niereninsuffizienz sind ACE-Hemmer, da sie die Proteinurie stärker reduzieren als aufgrund ihrer Blutdrucksenkung erklärt werden kann. Allerdings ist zu beachten, dass bei einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz ACE-Hemmer die Nierenfunktion sogar verschlechtern können. In der Regel müssen die ACE-Hemmer noch mit weiteren Antihypertensiva kombiniert werden, da das Therapieziel nicht mit einer Monotherapie erreicht wird (im Durchschnitt nehmen Nierenkranke drei bis fünf Antihypertensiva ein).

Weitere Maßnahmen

Bei einer Niereninsuffizienz wird eine Einschränkung der Eiweißzufuhr empfohlen: Die Proteinaufnahme sollte nicht mehr als 0,8 g/kg/KG pro Tag betragen. Dies ist übrigens dieselbe Menge an Protein, die auch von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für gesunde Erwachsene empfohlen wird.

Nierenkranke sollten pro Tag 2,5 bis 3 Liter Flüssigkeit trinken. Sehr große Trinkmengen können zu einer Wasserintoxikation führen, die unter Umständen ein Hirnödem und neuropsychiatrische Ausfälle zur Folge haben kann. Geringere Trinkmengen gehen mit der Gefahr der Hypovolämie und Nierenfunktionsverschlechterung einher. Da Zigarettenrauchen das Fortschreiten der Niereninsuffizienz beschleunigt, sollte der Nierenkranke unbedingt mit dem Rauchen aufhören.

Pharmakokinetik

Wie Dr. Rüdiger Kilian, Krankenhausapotheker am Klinikum Heilbronn, erläuterte, sind bei der Dosierung von Arzneimitteln für den nierenkranken Patienten einige Besonderheiten zu beachten. Zur Ermittlung der richtigen Arzneistoffdosis stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung.

Dosisanpassung beim nierenkranken Patienten

Die Ausscheidung von überwiegend renal eliminierten Arzneistoffen ist von der Nierenfunktion abhängig. Mit abnehmender Kreatinin-Clearance sinkt auch die renale Ausscheidungsgeschwindigkeit körperfremder Stoffe. Dies muss bei der Dosierung von Pharmaka, insbesondere bei jenen mit einer geringen therapeutischen Breite, berücksichtigt werden. Dabei ist zu beachten, dass sowohl pathologische Zustände (wie z. B. Niereninsuffizienz, Prostataleiden, chronische Harnwegsinfekte) als auch das Lebensalter die Funktion der Niere beeinflussen. So haben Früh- und Neugeborene eine stark eingeschränkte Nierenfunktion, da die Reifung der Niere erst in den ersten Lebensmonaten erfolgt.

Zwischen dem dritten und neunten Lebensjahrzehnt verliert die Niere bis zu 30% ihres Gewichts, die glomeruläre Filtrationsrate nimmt ab dem 30. Lebensjahr um ca. 10 ml/min pro Lebensjahrzehnt ab. Das bedeutet, dass vor allem ältere Patienten nur noch über eine eingeschränkte Nierenfunktion verfügen, was bei der Dosierung von Arzneimitteln berücksichtigt werden muss.

Kreatinin-Clearance und Arzneistoffdosis

Da sich eine eingeschränkte Nierenfunktion nicht nur auf die renale Elimination, sondern auch auf weitere pharmakokinetische Parameter wie Bioverfügbarkeit, nicht-renale Clearance, Verteilungsvolumen oder Proteinbindung auswirkt, muss die Dosierung eines Arzneistoffes an die Nierenfunktion angepasst werden. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist die Ermittlung der Kreatinin-Clearance. Zur Bestimmung der Kreatinin-Clearance und der Ermittlung der Arzneistoffdosis gibt es unterschiedliche Methoden:

  • Methode nach Cockcroft und Gault (siehe Kasten),
  • "Drugs in Use"-Methode,
  • Dettli-Nomogramm,
  • Übernahme der Werte aus Datenbanken wie z. B. ABDA-Datenbank oder Drugdex,
  • British National Formulary.

Die Dosisberechnung nach den jeweiligen Methoden führt nicht immer zu denselben Ergebnissen, und die ermittelten Resultate sind Annäherungswerte. Ferner sind die Berechnungen (unabhängig von der gewählten Methode) ungenau bei instabiler Nierenfunktion und bei Dialysepatienten. Sie sind ebenfalls ungeeignet für bestimmte Arzneistoffe wie z. B. Aminoglykosid-Antibiotika. Das bedeutet also, dass in bestimmten Fällen die Serumkonzentration bestimmt werden sollte. Dies ist sinnvoll bei

  • Hinweisen auf eine subtherapeutische oder toxische Dosierung,
  • Dialysepatienten,
  • unvollständigen Angaben in der Literatur,
  • nicht linearer Pharmakokinetik des Arzneistoffes.

Konsequenzen für die Arzneimitteltherapie

Zum Arzneimitteleinsatz bei Nierenkranken stellte Dr. Kilian folgende Überlegungen an:

  • Nierenfunktionsstörungen verändern die chemische Zusammensetzung der Körperflüssigkeiten und folglich die pharmakokinetischen Eigenschaften vieler Arzneistoffe. Standarddosierungen können daher nicht angewandt werden. Um unerwünschte Wirkungen zu vermeiden, ist eine Dosisanpassung notwendig. Dies kann durch eine Verlängerung des Dosierungsintervalls bei gleicher Dosis oder durch Verabreichen einer geringeren Dosis bei gleichen Dosierungsintervallen erfolgen.
  • Bei Nierenerkrankungen sollen potenziell toxische Arzneimittel nur bei zwingender Indikation und unter regelmäßiger Überwachung der Nierenfunktion angewandt werden.
  • Dialyse und Transplantation führen zu besonderen Problemen bei der Auswahl und Dosierung von Arzneimitteln.
  • Eine zusätzliche Belastung der Nieren sollte verhindert werden, dies kann unter anderem durch eine optimale Blutdruckeinstellung, Verzicht auf Zigarettenrauch und eine angemessene Flüssigkeitszufuhr erfolgen.

Hämodialyse

Für Patienten mit einer Niereninsuffizienz im terminalen Stadium gibt es nur zwei therapeutische Optionen: eine Nierentransplantation oder die Hämodialyse. Dr. Claude Braun aus der Medizinischen Klinik des Klinikums in Mannheim erläuterte die Grundlagen der Hämodialyse und ging auf die spezielle Pharmakotherapie bei dialysepflichtigen Patienten ein.

Arbeitsweise der "künstlichen Niere"

Seit ungefähr 30 Jahren gehört die Hämodialyse zur Routinetherapie der chronischen terminalen Niereninsuffizienz. Das Kernstück einer "künstlichen Niere" ist der Dialysator mit seinen semipermeablen Membranen. Hier werden dem Blut des Patienten Wasser, Elektrolyte und harnpflichtige Substanzen entzogen. Die Entfernung dieser Stoffe kann durch Diffusion oder Ultrafiltration erfolgen:

  • Bei der Diffusion wandern vor allem niedermolekulare Stoffe entlang eines Konzentrationsgradienten;
  • bei der Ultrafiltration werden vor allem größere Moleküle über einen konvektiven Transport entlang eines Druckgradienten erfasst.

Die Größe der Membranporen entscheidet, ob ein Molekül von einem Kompartiment zum anderen diffundieren kann. Die bei der Hämodialyse verwendeten Membranen lassen nur Moleküle mit einer mittleren Molekülgröße durchtreten, bei der Ultrafiltration können Moleküle bis zu einer Molekularmasse von ca. 50 000 passieren. Eine Kombination beider Methoden ist die Hämodiafiltration, die zu sehr effektiven Ergebnissen führt, aber auch sehr teuer ist. Die Membranen für die Hämodialyse sind meist High-Flux-Membranen, die aus synthetischen Polymeren bestehen.

Für die Hämodialyse wird ein Gefäßzugang benötigt, mit dem ausreichend hohe extrakorporale Blutflüsse möglich sind. Nach Möglichkeit wird eine arteriovenöse Kurzschlussverbindung gelegt. Dies erfolgt in der klassischen Form als Brescia-Cimino-Fistel zwischen Arteria radialis und einer Unterarmvene. Kann dieser Zugang nicht geschaffen werden, wird temporär ein Kunststoff-Katheter in herznahe Venen gelegt.

Therapie mit Antikoagulanzien

Hämodialysepatienten benötigen eine umfangreiche medikamentöse Therapie. Bereits während der Blutwäsche ist eine Behandlung mit Antikoagulanzien erforderlich. Zum Einsatz kommen hier konventionelles Heparin, niedermolekulares Heparin und rekombinantes Hirudin. Bevorzugt werden zur Zeit niedermolekulare Heparine, da sie weniger unerwünschte Wirkungen (Osteoporose, Haarausfall, Heparin-induzierte Thrombopenie vom Typ II) als konventionelles Heparin aufweisen. In Einzelfällen kommen alternative Antikoagulanzien wie Hirudin-Derivate, Danaparoid, Prostacyclin und Citrat zum Einsatz.

Probleme der Anämiebehandlung

Zur Therapie der renalen Anämie werden Erythropoetin (Epoetin) und Eisen verwendet. Epoetin kann sowohl intravenös während der Dialyse als auch subkutan mit etwas höherer Wirksamkeit gegeben werden. Für seinen effizienten und rationellen Einsatz ist eine Kontrolle des Eisenhaushaltes mit ausreichender Auffüllung der Eisenspeicher erforderlich. Zur Zeit stehen Epoetin alfa und Epoetin beta zur Verfügung, wobei sich die beiden Präparate in ihrer klinischen Wirksamkeit nicht unterscheiden. Im allgemeinen führt die Therapie mit Epoetin zu einer verminderten Mortalität, einer besseren Lebensqualität und weniger Krankenhausaufenthalten. Zur Behebung der Anämie ist in der Regel noch eine zusätzliche intravenöse Eisentherapie mit Eisen(III)-gluconat erforderlich.

Die Therapie der renalen Anämie ist nicht unproblematisch. So ist z. B. der anzustrebende Hämatokritwert noch unklar. Zwar führte einigen Untersuchungen zufolge eine Anhebung des Hämatokritwertes in Normbereiche oft zu einer subjektiven Verbesserung der Leistungsfähigkeit und des Befindens, aber es kam bei diesem Vorgehen zu einer ansteigenden Mortalität bei Dialysepatienten mit chronischer Herzinsuffizienz oder koronarer Herzerkrankung. Des Weiteren erhöhen sowohl Eisen als auch Epoetin das arteriosklerotische Risiko, Epoetin möglicherweise durch Freisetzen bestimmter Wachstumsfaktoren. Die Therapie mit Eisen erhöht zudem die Infektanfälligkeit des Patienten.

Osteodystrophie - Gefahr für die Knochen

Eine renale Osteodystropie hat beim Nierenkranken mehrere Ursachen; eine wesentliche Rolle spielt die Hyperphosphatämie als Folge der chronischen Niereninsuffizienz. Daneben bedingt der sekundäre Hyperparathyreoidismus einen erhöhten Knochenumbau. Die verminderte Synthese von Calcitriol in der geschädigten Niere ist mitverantwortlich für die mangelhafte Mineralisation des Knochens. Neben der Substitution von Calcitriol ist daher eine Normalisierung des Serumphosphates von elementarer Bedeutung.

Die früher gebräuchlichen aluminiumhaltigen Phosphatbinder sollten aufgrund ihrer unerwünschten Wirkungen (Verschlechterung der Anämie, Osteopathie, Enzephalopathie) nicht mehr eingesetzt werden. Heute werden vor allem calciumhaltige Phosphatbinder wie Calciumacetat oder Calciumketoglutarat verwendet. In der Erprobung befindet sich ein neuer, calciumfreier Phospatbinder (Renagel®), der zusätzlich die Blutfette senken kann.

Weitere therapeutische Maßnahmen

Der Dialysepatient benötigt zahlreiche weitere Medikamente. Dies sind in der Regel Antihypertonika, lipidsenkende Substanzen, Antidiabetika und Koronartherapeutika. Therapeutisch nicht einfach zu beeinflussen sind der häufig auftretende Juckreiz und die Neuropathien beim Dialysepatienten. Da der Juckreiz auf einem sekundären Hyperparathyreoidismus beruht, kann die Entfernung der Nebenschilddrüse sinnvoll sein. Gute Ergebnisse werden auch durch eine UV-A-Bestrahlung erzielt. Die Neuropathie beim Dialysepatienten spricht nicht auf eine Behandlung mit α-Liponsäure an. Möglich ist die Gabe von Antidepressiva oder Levodopa (Madopar, Nacom) in geringer Dosierung.

Immunsuppressiva nach der Nierentransplantation

Die Behandlung mit Immunsuppressiva ist oftmals eine lebenslange Therapie und erfordert eine gründliche Aufklärung von Patient und Hausarzt, um den Transplantationserfolg nicht zu gefährden. Dr. Wolfgang Grotz von der Medizinischen Universitätsklinik IV Freiburg gab einen Überblick über die gängigen Immunsuppressiva und zeigte deren Wirkmechanismus, Wirkprofil, Interaktionen und unerwünschte Wirkungen auf (Tab. 1 und 2).

Das erste Immunsuppressivum war Cortison, das erstmals 1948 zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen eingesetzt wurde. In den letzten Jahren wurden zahlreiche neue Immunsuppressiva entwickelt, die das Immunsystem selektiver hemmen und sich in ihren Wirkungen teilweise ergänzen können. Alle Immunsuppressiva haben eine geringe therapeutische Breite. Im allgemeinen gilt, dass der Therapieeffekt mit höherer Dosis ansteigt. Gleichzeitig nehmen aber die unerwünschten Wirkungen zu.

Man unterscheidet substanzspezifische Nebenwirkungen und unerwünschte Wirkungen, die allen Immunsuppressiva gemein sind. Dazu gehören ein verstärktes Auftreten bestimmter maligner Tumoren (z. B. verschiedener Hautkrebsarten) und eine verstärkte Neigung zu opportunen Infektionskrankheiten (z. B. Reaktivierung einer Lungentuberkulose).

Angriffspunkte

Immunsuppressiva greifen an unterschiedlichen Stellen im Immunsystem ein. So führen z. B. Corticosteroide zu einer Suppression der Makrophagenfunktion, Ciclosporin hemmt die Expression von Interleukin-2 und unterbindet die Bildung zytotoxischer T-Lymphozyten, Azathioprin hemmt die Purinsynthese, Methotrexat ist eine Folsäureantagonist, und Cyclophosphamid stört die DNA-Synthese. Aufgrund dieser unterschiedlichen Wirkmechanismen können auch einige Immunsuppressiva miteinander kombiniert werden.

Prednison

Glucocorticoide greifen in eine sehr frühe Phase der Immunreaktion ein. Sie führen u. a. zu einer Suppression der Makrophagenfunktion und blockieren die Interleukin-2-Produktion; somit erfolgt eine Hemmung der Proliferation von T-Lymphozyten. Typische unerwünschte Wirkungen einer Cortisontherapie sind u. a. Osteoporose, Striae, Hyperlipidämie, Wachstumsretardierung bei Kindern, Morbus Cushing, diabetogene Wirkungen.

Ciclosporin und Tacrolimus

Diese zwei Substanzen sind Hemmstoffe der intrazellulären Calcineurinphosphatase und verfügen über einen ähnlichen Wirkmechanismus. Sie hemmen die Expression von Interleukin-2 und unterbinden die Bildung alloreaktiver zytotoxischer T-Lymphozyten. Beide Substanzen haben nur ein kleines therapeutisches Fenster und müssen aufgrund von Blutspiegelbestimmungen dosiert werden.

Ciclosporin kann zahlreiche unerwünschte Wirkungen, wobei seine Nephrotoxizität aufgrund funktioneller und struktureller morphologischer Veränderungen beim Nierentransplantierten besonders problematisch ist. Weitere unerwünschte Wirkungen sind Hypertonie, Hyperlipidämie, Hepatoxizität, Hirsutismus und Gingivahypertrophie. Ciclosporin und Tacrolimus weisen zahlreiche Interaktionen auf, so wird z. B. der Blutspiegel von Ciclosporin durch einige Calciumantagonisten und Makrolide erhöht, durch Colestyramin gesenkt.

Antimetaboliten

Zu den Antimetaboliten zählen Methotrexat und Azathioprin. Methotrexat ist ein Folsäureantagonist und führt zu einer gestörten Nukleinsäuresynthese. Azathioprin wird im Organismus zu 6-Mercaptopurin umgewandelt und wirkt als kompetitiver Hemmstoff bei der Purinbiosynthese. Azathioprin weist zahlreiche Interaktionen mit gebräuchlichen Arzneistoffen wie z. B. mit Allopurinol auf. Durch Hemmung der Xanthinoxidase beeinträchtigt Allopurinol den Abbau von Mercaptopurin und erhöht dessen Toxizität, was sich in einer schweren Agranulozytose niederschlagen kann.

Alkylanzien

Alkylierende Substanzen wie Cyclophosphamid und Chlorambucil verursachen Querbrüche in der DNA und führen letztendlich den Zelltod herbei. Cyclophosphamid ist ein Prodrug, aus dem unter Abspaltung von Acrolein eine stark alkylierende Verbindung (N,N-Bis(2-chlorethyl)-phosphorsäurediamid) entsteht. Acrolein wird durch die Blase ausgeschieden und kann dort eine hämorrhagische Zystitis verursachen und ein Blasenkarzinom induzieren. Cyclophosphamid ist ferner mit zahlreichen weiteren unerwünschten Wirkungen behaftet.

Neue Immunsuppressiva

Mycophenolatmofetil und Leflunomid sind neuere Immunsuppressiva, die relativ selektiv nur an den T- und B-Lymphozyten wirken. Sie verfügen über ein akzeptables Nebenwirkungsprofil, das vor allem gastrointestinale Wirkungen wie Bauchschmerzen, Übelkeit und Durchfall sowie hämatologische Nebenwirkungen wie Leukopenie und Anämie umfasst.

Pharmakotherapie des nierentransplantierten Patienten

Dr. Peter Schnülle von der V. Medizinischen Klinik des Klinikums in Mannheim sprach über die therapeutischen Besonderheiten des nierentransplantierten Patienten, wobei er seinen Schwerpunkt auf die neueren therapeutischen Möglichkeiten legte. Die zukünftige Therapie wird wahrscheinlich aus einer Kombination verschiedener Immunsuppressiva bestehen, da so die erwünschten Wirkungen potenziert und die unerwünschten Wirkungen minimiert werden können.

Transplantation kostengünstiger als Dialyse

Heute liegt die Erfolgsrate einer Nierentransplantation bei rund 90%: Nach fünf Jahren funktionieren noch 60 bis 80% der übertragenen Organe. Der Ersatz der kranken Niere durch ein Spenderorgan bedeutet für den Patienten u. a. eine erhöhte Lebensqualität, eine bessere Rehabilitation und ist im Vergleich zu einer Hämodialyse wesentlich kostengünstiger. Die Kosten einer Nierentransplantation belaufen sich auf ungefähr 100 000 DM; die jährlichen Behandlungskosten für eine Hämodialyse liegen bei 60 000 bis 80 000 DM, d. h. nach anderthalb Jahren ist eine Nierentransplantation bereits "amortisiert".

Ferner weisen neuere Daten darauf hin, dass Nierentransplantierte im Vergleich zu Dialysepatienten auf der Transplantationswarteliste einen Überlebensvorteil aufweisen. Allerdings hängen die Erfolge der Transplantationsmedizin ganz entscheidend von der Verfügbarkeit und dem richtigen Einsatz spezifischer Immunsuppressiva ab.

Therapeutische Optionen

Der Einsatz von Ciclosporin A hat der Transplantationsmedizin auf breiter Ebene zum Durchbruch verholfen. Weiterentwicklungen wie Tacrolimus sind in der Lage, selbst therapierefraktäre Abstoßungskrisen zu bewältigen, wodurch Transplantate gerettet werden können, die sonst irreversibel abgestoßen würden.

In der klinischen Erprobung befindet sich Sirolimus (syn. Rapamycin, Wyeth USA), das eine synergistische Wirkung mit den Calcineurininhibitoren (d. h. Ciclosporin A, Tacrolimus) aufweist, indem es die Signaltransduktion von Interleukin-2 zum Zellkern unterbindet. In Studien konnte bereits gezeigt werden, dass Sirolimus keine Nephrotoxizität aufweist; allerdings kann unter der Therapie der Lipidstoffwechsel ungünstig beeinflusst werden.

Relativ neu im Arzneischatz ist Mycophenolatmofetil (MMF), ein Hemmstoff der De-Novo-Purinsynthese. Es wirkt spezifisch auf die Proliferation von T- und B-Lymphozyten. Seine Wirksamkeit wurde in drei großen Studien nachgewiesen, in denen eine signifikante Reduktion der Transplantatabstoßungen gezeigt wurde. Da MMF keine nephrotoxischen Wirkungen aufweist, keine Hypertonie induziert und keinen Einfluss auf den Lipid- und Glucosestoffwechsel hat, erhofft man sich auf lange Sicht günstige Ergebnisse von dieser Substanz, die allerdings noch in Langzeitstudien nachgewiesen werden müssen.

Eine weitere therapeutische Novität sind die monoklonalen Antikörper Daclizumab und Basiliximab, die gegen Strukturen des T-Zellrezeptors gerichtet sind. Sie ermöglichen eine additive immunsuppressive Therapie ohne den Nachteil einer erhöhten Inzidenz opportunistischer Infektionen. Für alle Immunsuppressiva gilt indes, dass ihre Langzeitwirkungen noch unzureichend bekannt sind und eine definitiv wertende Beurteilung noch aussteht.

Organtransplantation - ethische und rechtliche Aspekte

Trotz therapeutischen Fortschritten in der Transplantationsmedizin stagniert in Deutschland die postmortale Organspende. Prof. Dr. Werner Lauchart von der Deutschen Stiftung Organtransplantation Region Süd-West führte mögliche Gründe für diese Tatsache auf und ging in seinem Referat auf die ethischen und rechtlichen Aspekte der Organtransplantation ein.

Zwischen 1963 und 1998 wurden in Deutschland mehr als 50 000 Transplantationen durchgeführt. Mehrheitlich waren dies Nierenübertragungen (37 240), gefolgt von Herz- (5749), Leber- (6185), Pankreas- (904) und Lungentransplantationen (796). Zurzeit stagniert oder sinkt die postmortale Organspende, so dass dem wachsenden Bedarf an Transplantaten ein Mangel an geeigneten Organen gegenübersteht. So warteten im vergangenen Jahr annähernd 9000 Patienten auf eine Niere, 1000 Kranke auf eine Leber und knapp 600 auf ein neues Herz. Dabei verstarben rund 600 der auf der Warteliste stehenden Patienten.

Daraus wird das Dilemma ersichtlich, dass einerseits dank Fortschritten in der Transplantationsmedizin Organverpflanzungen mit guten Erfolgsaussichten durchgeführt werden können, auf der anderen Seite aber die hierzu benötigten Organe fehlen.

Stagnierende Organspende

Die Gründe für die stagnierende oder abnehmende Organspende sind vielschichtig. Eine Rolle spielen wahrscheinlich die Scheu des Einzelnen, sich mit der Organspende (und damit mit dem eigenen Tod) auseinanderzusetzen, und die Verunsicherung aufgrund unseriöser Pressemitteilungen.

Von kirchlicher Seite aus wird die Organspende befürwortet, und in einer gemeinsamen Erklärungen werten die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland die Organspende als einen Akt der Nächstenliebe. Von medizinischer Sicht aus gibt es im Hinblick auf das Transplantat (unabhängig ob Lebend- oder Totspender) wenig Einschränkungen. Als Ausschlusskriterien gelten eine Tumorerkrankung und eine Infektion mit HIV oder mit Hepatitisviren. Es gibt keine numerische Altersbeschränkung, da das biologische Alter eines Organs entscheidend ist, so ist z. B. die Übertragung einer 80-jährigen Niere im Einzelfall durchaus möglich. Bei Herztransplantationen sollte das Spenderherz allerdings nicht älter als 60 Jahre sein.

Das Transplantationsgesetz

Das im November 1997 beschlossene deutsche Transplantationsgesetz (TPG) schafft eine Rechtsgrundlage für die Spende, Entnahme und Übertragung von menschlichen Organen und Geweben. In diesem Gesetz ist auch erstmals die Regelung für eine Organentnahme bei Lebenden geregelt. Eine Organentnahme ist nur mit Einwilligung des Organspenders möglich. Hatte der Verstorbene zu Lebzeiten keine Erklärung zur Organspende abgegeben, können die Angehörigen einer Organentnahme im Sinne des Verstorbenen zustimmen ("erweiterte Zustimmungslösung"). Vor der Organentnahme muss der Hirntod von zwei dafür qualifizierten, von dem Transplantationsvorgang unabhängigen Ärzten bestätigt werden. Bei der Organentnahme ist die Würde des Organspenders zu achten.

Regelung für die Organentnahme bei lebenden Spendern

Besonders geregelt ist die Organentnahme bei lebenden Organspendern. Sie ist gebunden an die Volljährigkeit und Einwilligungsfähigkeit des Spenders und setzt eine umfassende Aufklärung voraus. Ferner darf ein Organ nur entnommen werden, wenn eine zwingende medizinische Indikation besteht (also keine "präventive" Transplantation) und kein Organ von einem toten Spender zur Verfügung steht. Das bedeutet, dass unmittelbar vor der Narkoseeinleitung beim gesunden Spender nochmals die Koordinierungsstellen abgerufen werden müssen, ob ein Kadaverorgan zur Verfügung steht.

Koordinierung der Organspende

In speziellen Koordinationszentren wird die Entnahme, Vermittlung und Übertragung der Organe koordiniert. Hier werden die Patienten in eine einheitliche Warteliste aufgenommen. Die Zuteilung des Organs erfolgt nach genau definierten Kriterien wie z. B. Übereinstimmung des Gewebes, Erfolgsaussicht, Dringlichkeit, Wartezeit, Entfernung vom Transplantationszentrum etc. (patientenorientierte Allokation). Die Vermittlungsentscheidung muss anschließend genau dokumentiert werden.

Funktionen der normalen Nieren

  • Ausscheiden von harnpflichtigen Substanzen
  • Elektrolyt- und Volumenhomöostase
  • Hormonsynthese
  • Erythropoetin
  • Vitamin D3

    Nephrotoxische Arzneistoffe

  • Aminoglykosid-Antibiotika
  • Pentamidin
  • NSAIDs
  • ACE-Hemmer
  • Diuretika

    Ideales Wirkprofil

    Folgende Anforderungen sind an den idealen Arzneistoff für niereninsuffiziente Patienten zu stellen:

  • Ausscheidung von weniger als 25% des unveränderten Arzneistoffes im Urin
  • Vorwiegend hepatische bzw. biliäre Elimination
  • Disposition ist nicht beeinflusst durch Veränderungen des Wasserhaushaltes
  • Disposition bleibt unbeeinflusst bei Änderungen der Proteinbindung
  • Große therapeutische Breite
  • Keine Nephrotoxizität

    Folgen des Vitamin-D-Mangels bei Niereninsuffizienz

  • Verminderte Aufnahme von Calcium über den Darm
  • Osteomalazie
  • Sekundärer Hyperparathyreoidismus
  • Hyperphosphatämie
  • Nierenersatztherapie

  • Hämodialyse
  • Kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse (CAPD)
  • Nierentransplantation

    Indikationen für eine Hämodialyse

  • Hyperkaliämie
  • Symptome einer Urämie (Perikarditis, Enzephalopathie)
  • Lungenödem
  • Schwere Hyperphosphatämie
  • Schwere Azidose
  • Kreatinin-Clearence < 8 - 10 ml/min

    Ablauf einer Hämodialyse

  • Dreimal 4 Stunden pro Woche
  • Gewichtsentzug pro Dialyse 0 - 4 kg
  • Blutfluss am Dialysator 250 - 400 ml/min
  • Dialysatfluss 500 - 800 ml/min
  • Reduktion des Serumharnstoffes von 200 mg/dl auf 50 mg/dl
  • Vor- und Nachteile der Nierentransplantation

    Vorteile

  • Mehr Lebensqualität
  • Höherer Grad der Rehabilitation
  • Regression der dialyseassoziierten Begleitmorbidität
  • Kostenvorteil
  • Überlebensvorteil

    Nachteile

  • Lebenslange Immunsuppression
  • Erhöhtes Krebsrisiko
  • Vermehrtes Infektionsrisiko
  • Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko
  • Substanzspezifische Nebenwirkungen

    Probleme des Steroidentzugs

    Ein Absetzen der Corticosteroide ist innerhalb der ersten sechs Monate nach einer Nierentransplantation in rund der Hälfte aller Fälle möglich. Nach einem Jahr kann das Steroid bei 67 bis 87% aller Nierentransplantierten abgesetzt werden, ohne dass Abstoßungsreaktionen auftreten. Der Steroidentzug wirkt sich günstig auf kardiovaskuläre Parameter wie z. B. auf den Glucosestoffwechsel aus.

    Diesem günstigen Effekt auf kardiovaskulärer Ebene müssen allerdings die Langzeitfolgen eines Steroidentzugs auf das Transplantat gegenübergestellt werden. So konnte in einer langjährigen Studie gezeigt werden, dass nach Ablauf von fünf Jahren bei den Transplantatempfängern, bei denen das Cortison abgesetzt worden war, deutlich häufiger Abstoßungsreaktionen aufgetreten waren als bei den Patienten, die weiterhin Cortison einnahmen. Somit steht also dem Nutzen eines Steroidentzugs (verringertes kardiovaskuläres Risiko) ein möglicher Nachteil (mehr Abstoßungsreaktionen) gegenüber.

    Transplantationsgesetz

    Das Transplantationsgesetz von 1997 enthält acht Abschnitte: 1. Allgemeine Vorschriften 2. Organentnahme bei toten Organspendern 3. Organentnahme bei lebenden Organspendern 4. Entnahme, Vermittlung und Übertragung bestimmter Organe 5. Meldungen, Datenschutz, Fristen, Richtlinien zum Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft 6. Verbotsvorschriften 7. Straf- und Bußgeldvorschriften 8. Schlussvorschriften

    Situation der Transplantationsmedizin

  • Die Akzeptanz überwiegt.
  • Dank TPG ist eine Rechtsgrundlage geschaffen.
  • Die Mehrzahl der auf eine Transplantation wartenden Kranken ist auf ein Kadaverorgan angewiesen.
  • Die postmortale Organspende stagniert.
  • Der Mangel wird durch Lebendspenden nicht ausgeglichen.
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