Gesundheitspolitik

Studie zur elektronischen Gesundheitskarte vorgestellt

Relativ hohe Akzeptanz, aber auch Unwissen bei der Bevölkerung – Skepsis bei den Ärzten

BERLIN (tw). Knapp drei Viertel der Bevölkerung halten die elektronische Gesundheitskarte (eGK) für sinnvoll oder sehr sinnvoll. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK). Bei TK-Versicherten in den Testregionen lag die Akzeptanz der eGK sogar bei 87 Prozent. Positive Erwartungen haben insbesondere jüngere Befragte, während ältere den erweiterten Funktionen der Karte mit Unsicherheit begegnen. Deutlich kritischer als die Versicherten sehen die Ärzte die Karte: Nur 59 Prozent halten ihre Einführung für sinnvoll, die Mehrheit hat zudem Sicherheitsbedenken.
Dauerbrenner eGK So schlecht scheint es um die Akzeptanz der Gesundheitskarte in der Bevölkerung nicht bestellt zu sein, anders als in den betroffenen Berufsgruppen. Bei der Vorstellung der Studie "Branchenbarometer E-Health" (v.l.n.r.): Cecilie Schank, Projektleiterin "Elektronische Gesundheitskarte" TK, Dorothee Meusch, Pressesprecherin TK, Prof. Dr. Norbert Klusen, Vorstandsvorsitzender TK, Karin Gangl, Studienleiterin am Frankfurter F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbH.
Foto: AZ/tw

Selten wurde ein Projekt im deutschen Gesundheitswesen so kontrovers diskutiert wie die elektronische Gesundheitskarte. Befürworter wie der Vorstandsvorsitzende der TK, Prof. Dr. Norbert Klusen, sehen im "Sprung des deutschen Gesundheitswesens auf eine elektronische Plattform" die Chance, Dinge zu bewegen, die bislang unmöglich schienen: beispielsweise die Einführung eines bundesweit einheitlichen Arztausweises, das einfache Sperren ungültiger Karten, das Verhindern von Rezeptfälschungen, die zuverlässige Identifizierbarkeit von Patienten in der Arztpraxis oder die sichere Kommunikation der Leistungserbringer untereinander.

Kritiker bezweifeln den angeblichen Nutzen ebenso wie die offiziellen Schätzungen zu Kosten und Einsparungspotenzial. Dabei wird von Ärzteseite insbesondere die fehlende Kalkulation der Handhabungs- und Betriebskosten kritisiert. So werden aufgrund der Beobachtungen in den Testregionen Handhabungsprobleme insbesondere bei Älteren erwartet, die auch die Abläufe in der Arztpraxis verzögern könnten. Erhebliche Bedenken bestehen zudem bei der Datensicherheit. Ärzte und Datenschützer warnen seit Langem vor dem "gläsernen Patienten".

Mehr Sicherheit bei Arzneimittelabgabe?

Vor diesem Hintergrund sei das "Branchenbarometer E-Health" zu sehen, so Klusen. Die Studie, die vergangene Woche in Berlin vorgestellt wurde, sollte helfen, ein tatsächliches Meinungsbild zur eGK und den mit ihr möglich werdenden Anwendungen zu erhalten. Mit den Ergebnissen können die Auftraggeber der Studie angesichts der heftigen Diskussionen durchaus zufrieden sein, legen sie doch nahe, dass die Deutschen der elektronischen Gesundheitskarte weit positiver gegenüberstehen als bislang angenommen.

Besonders gut beurteilten Patienten und Ärzte das Foto auf der Karte, da es ein einfaches Mittel zur Einschränkung des Kartenmissbrauchs ist und zur besseren Identifizierung des Patienten in der Praxis beiträgt. Die meisten Versicherten und die Mehrheit der Ärzte versprechen sich durch die eGK zudem eine bessere Verfügbarkeit wichtiger Gesundheitsdaten sowie eine höhere Arzneimittelsicherheit. Während ein Großteil der Patienten auch einen Nutzen bezüglich einer höheren Diagnosesicherheit, der Vermeidung von Doppeluntersuchungen und einer Kostensenkung der Behandlungen erwartet, ist die Mehrheit der Mediziner hier skeptisch: Trauen immerhin noch knapp die Hälfte der Karte eine höhere Diagnosesicherheit und etwas weniger auch eine Vermeidung von Doppeluntersuchungen zu, rechnen gerade einmal 18 Prozent mit einer Senkung der Behandlungskosten.

Bezüglich der künftigen Erweiterungsfunktionen der eGK kommen besonders elektronische Patientenakte und -quittung sowie der elektronische Arztbrief bei Versicherten wie Ärzten gut an. Die befragten Ärzte messen zudem der Möglichkeit einer Online-Aktualisierung größere Bedeutung bei.

Erstaunlich gering sind die Bedenken insbesondere jüngerer Versicherter bezüglich der Datensicherheit. Fast drei Viertel der 18- bis 29-Jährigen und immerhin noch 53 Prozent der über 45-Jährigen halten die eGK für sicher oder sehr sicher. Damit genießt sie der Studie zufolge deutlich mehr Vertrauen als die Bankkarte. Ganz anders urteilen hier die befragten Ärzte: 86 Prozent von ihnen sehen Gefahren des Missbrauchs von Patientendaten.

Verbesserungsbedarf für den Alltagseinsatz

Vier von fünf Medizinern fordern, das System vor dem Start besser gründlich zu entwickeln, als zu früh eine unausgereifte Technik einzusetzen. Die Erfahrungen in den Testregionen geben ihnen recht: Es zeigte sich zum Teil erheblicher Verbesserungsbedarf bei der Einbindung in die täglichen Arbeitsprozesse der Praxen. Während das Auslesen der Basisdaten per Testkarte keine Probleme bereitete, berichteten viele Mediziner, dass das Ausstellen eines elektronischen Rezepts und das PIN-Verfahren für freiwillige Anwendungen weniger gut bis schlecht verlief. Probleme bei der PIN-Eingabe führten in früheren Versuchen nicht nur zu zahlreichen Sperrungen von Gesundheitskarten insbesondere älterer und gesundheitlich eingeschränkter Versicherter, auch viele Heilberufsausweise fielen einer falschen PIN-Eingabe zum Opfer.

Bei der Beurteilung der Studienergebnisse sollte zudem eine wichtige Zahl nicht außer Acht gelassen werden: Im Rahmen der Bevölkerungsbefragung zeigte sich, dass gut jeder vierte Versicherte noch nie von der eGK gehört oder gelesen hatte. Dabei stieg der Informationsgrad zwar mit zunehmendem Alter, Bildungsniveau und Einkommen, insgesamt stellt sich aber dennoch die Frage, wie fundiert die Einschätzung eines so komplexen Themas wie der Gesundheitskarte ist, wenn der Urteilende erst im Rahmen der Befragung überhaupt von dessen Existenz erfahren hat. Interessant wäre sicher eine gesonderte Auswertung nur jener Personen, die sich mit der Thematik bereits befasst haben.

Die Ergebnisse des "Branchenbarometers E-Health" basieren auf einer im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) durchgeführten bevölkerungsrepräsentativen Befragung von 1006 Krankenversicherten ab 18 Jahren. Zusätzlich wurden stichprobenartig und nicht repräsentativ 100 TK-Versichterte und 51 niedergelassene Ärzte interviewt, die an den Tests in den Pilotregionen teilgenommen hatten.

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