Arzneimittel und Therapie

Erbrechen und Durchbruchschmerz effektiv begegnen

"Supportivtherapie ist nicht alles, aber ohne Supportivtherapie ist alles nichts" – diese Feststellung trifft insbesondere auf das zytostatikainduzierte Erbrechen und eine inadäquate Schmerztherapie zu. Neue Wirkstoffe und spezielle galenische Formulierungen schließen Lücken in der Supportivtherapie.

Die Therapie – oder genauer – die Prävention des zytostatikainduzierten Erbrechens richtet sich vorwiegend nach der emetischen Potenz des eingesetzten Wirkstoffs und dem Zeitpunkt des Erbrechens.

Hier unterscheidet man die

  • akut-toxische Emesis, die innerhalb von 24 Stunden nach der Chemotherapie eintritt und durch die Serotoninfreisetzung aus enterochromaffinen Zellen zustande kommt,
  • das verzögerte Erbrechen, das hauptsächlich durch Substanz P vermittelt wird und innerhalb von zwei bis sieben Tagen nach der Chemotherapie erfolgt und
  • die antizipatorische Emesis, die bereits vor der Therapie auftritt und als Folge einer klassischen Konditionierung zu betrachten ist.

Des Weiteren sind individuelle Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, schlechte Erfahrungen bei vorausgegangenen Therapien und Angst zu berücksichtigen. Wie in einer Studie (Anchor-Studie) gezeigt wurde, wird das Ausmaß der akuten Emesis von Patienten, Ärzten und Pflegepersonal gleich eingeschätzt; das Ausmaß der verzögerten Emesis wird hingegen von Ärzten und Schwestern häufig unterschätzt.

Serotonin-Antagonisten

Bei der Festlegung des emetogenen Potenzials zählt das Zytostatikum mit der höchsten emetogenen Potenz; es besteht kein additiver Effekt durch weitere Zytostatika. Gängige Leitlinien empfehlen bei hoch und moderat emetogenen Therapien die Gabe von Serotonin-Antagonisten (5-HT3 -Antagonisten), die mit Dexamethason und bei hoch emetogenen Therapien zusätzlich mit dem Neurokinin-1-Rezeptorantagonisten Aprepitant kombiniert werden. Zur Therapie der verzögerten Emesis werden Aprepitant und Dexamethason eingesetzt.

Zurzeit sind fünf Serotonin-Antagonisten im Handel, die sich in ihren Halbwertszeiten und in ihrer Rezeptoraffinität unterscheiden. Der jüngste Vertreter, Palonosetron (Aloxi®), zeigt bei Rezeptorbindungsstudien im Vergleich zu Granisetron und Ondansetron eine starke und lang anhaltende Inhibierung der 5-HT3 -Rezeptorfunktionalität. Dies und seine längere Plasmahalbwertszeit erklären auch seine anhaltende Wirksamkeit bei moderat emetogener Chemotherapie. Ob Palonosetron auch bei hoch emetogener Chemotherapie lange wirkt, ist Gegenstand aktueller Studien. Dabei zeigte Palonosetron im Vergleich mit Ondansetron im Hinblick auf das akute und verzögerte Erbrechen bei hoch emetogenen Therapien bessere Ergebnisse. Weitere Studien befassen sich mit dem Einsatz von Palonosetron bei Kindern und bei Mehrtagestherapien. Die neueste Entwicklung ist ein oral einzunehmendes Palonosetron, für das in den USA bereits der Zulassungsantrag gestellt wurde.

Durchbruchschmerz effektiv bekämpfen

Unter Durchbruchschmerz versteht man plötzliche Schmerzepisoden bei Patienten, die bereits Opioide erhalten und mit dieser Medikation normalerweise schmerzfrei sind. Die Schmerzattacke setzt spontan und häufig nicht vorhersehbar ein und hält meist nicht länger als 30 Minuten an. Die Schmerzen treten in der Regel an der gleichen Stelle wie der Dauerschmerz auf, sind aber häufig stärker. Man schätzt, dass rund die Hälfte aller Tumorpatienten im fortgeschrittenen Krankheitsstadium täglich ein bis sechs solcher Attacken erfährt. Beim Erstellen einer Schmerzanamnese werden solche Schmerzen häufig nicht erfasst.

Die analgetische Therapie besteht in der Regel aus einer Basistherapie und der Bedarfsmedikation zum Abfangen von Schmerzspitzen oder Durchbruchschmerzen. Die Basistherapie erfolgt üblicherweise mit Hilfe einer retardierten Arzneiform (oder transdermalen therapeutischen Systemen), die Bedarfsmedikation muss als schnell wirksame Arzneiform angeboten werden. Die am raschesten einsetzende Wirkung erfolgt nach einer intravenösen Gabe – allerdings sind dieser Applikationsform Grenzen gesetzt, da sie für die Selbstanwendung nicht in Frage kommt. Eine Alternative sind Morphintropfen, deren Wirkung allerdings erst nach etwa 30 Minuten einsetzt.

Internet

  • Multinational Association of Supportive Care in Cancer: www.mascc.org
  • Informationssystem für die klinischen Aspekte der Onkologie und Hämatologie: www.onkodin.de
  • Arbeitsgemeinschaft Nebenwirkungen & Supportivtherapie der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie: www.nw-suppo.de

Oral-transmukosale Applikation

Eine weitere Möglichkeit ist die oral-transmukosale Zufuhr mit einer speziellen Fentanyl-Formulierung (Actiq® Stick von Cephalon). In diesem Stick ist Fentanyl in eine zuckerhaltige Matrix eingebettet, die an einem Kunststoffapplikator angebracht ist. Durch Reiben des Sticks an der Mundschleimhaut löst sich die Matrix auf, und Fentanyl gelangt sehr rasch unter Umgehung des First-Pass-Effekts direkt in die Blutbahn und passiert aufgrund seiner lipophilen Eigenschaften die Blut-Hirn-Schranke. Die analgetische Wirkung setzt innerhalb von fünf bis zehn Minuten ein. Da der Wirkstoff rasch abgebaut wird, sind keine Überdosierungen bei mehrmaliger Gabe zu erwarten. Dank Stärken von 200 bis 1600 μg Fentanyl kann für jeden Patienten eine individuelle Dosistitration erfolgen. Die Palette rasch wirksamer Analgetika soll durch eine Fentanyl Buccal Tablette erweitert werden. Die europäische Zulassung hierfür wird 2008 erwartet.

 

Quelle

Prof. Dr. Hartmut Link, Kaiserslautern: "Optimierung der antiemetischen Therapie durch Palonosetron – neue Studienergebnisse von aktuellen Kongressen" und Dr. Jan-Peter Jansen, Berlin: "Durchbruchschmerzen – warum wir darüber sprechen müssen", 10. Münchener Fachpresse-Workshop "Supportivtherapie in der Onkologie", München, 28. November 2007, unterstützt von der Amgen GmbH, Cephalon GmbH, Hikma Pharma GmbH – ribosepharm division und Sanofi-Aventis Deutschland GmbH.

 


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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