Interpharm 2008

Erektile Dysfunktion und Infertilität

Die erektile Dysfunktion, lange unbeachtet, ist ein häufiges Problem für Männer. Und damit auch für Frauen. Prof. Dr. André Reitz, Neurourologe in Bonn, stellte die modernen Therapieoptionen vor, gespickt mit zahlreichen praktischen Tipps für die Beratung. Oft ebenfalls belastend für die Beziehung: die männliche Infertilität. Mit der assistierten Reproduktion lässt sich der ersehnte Kinderwunsch dann doch oft erfüllen.

Wie relevant die erektile Dysfunktion (ED) ist, zeigte erstmals eine epidemiologische Studie 1994 in Boston: Die ED-Inzidenz in der Gruppe der 40- bis 70-jährigen Männern lag bei 52%. Eine französische Studie bestätigte diese Zahlen: Hier litt ein Drittel der 40-jährigen Männer an einer erektilen Dysfunktion. Dass es sich nicht nur um ein Problem für jüngere Männer handelt, machte schließlich die Kölner-ED-Studie deutlich. Auch in der siebten Lebensdekade waren noch 71% aktiv. Doch nicht jede erektile Dysfunktion ist therapiepflichtig, betonte Reitz. Behandelt werden sollte aus seiner Sicht immer dann, wenn ein hoher Leidensdruck bei einem der Partner besteht. Er betonte, dass die erektile Dysfunktion nicht als mechanisches Ereignis definiert ist, sondern als partnerschaftliche Interaktionsstörung, nämlich als Unfähigkeit eine penile Erektion zu erreichen oder so lange aufrechtzuerhalten, dass ein für beide befriedigender Geschlechtsverkehr möglich ist.


Keine Wärme bei Subfertilität

Die heiß diskutierte Frage, ob Wärmeeinwirkung die Fruchtbarkeit beeinflusst, beantwortete Reitz klar: Bei fertilen Männern spielt Wärme keine Rolle. Anders bei subfertilen Männern. Bei ihnen kann durch extreme Wärmeexposition durch enge Hosen, Sauna, heiße Bäder, berufliche Voraussetzungen die Fertilität ungünstig beeinflusst werden.

ED als "Wünschelrute des Herzens"

Der typische ED-Patient ist laut Definition der amerikanischen Gesellschaft für Urologie, der über 50-jährige Mann mit Übergewicht, Diabetes oder erhöhten Blutfettwerten. Reitz wies auf die vielen gemeinsamen Risikofaktoren für eine erektile Dysfunktion und kardiovaskuläre Erkrankungen hin. Nicht umsonst wird der Penis als "Wünschelrute des Herzens" bezeichnet. Meint: Die erektile Dysfunktion ist ein Frühsymptom einer Gefäßerkrankung, die dem Herzinfarkt um ein bis zwei Jahre vorausgeht. Neben vaskulären Störungen können auch psychogene, hormonelle und neurogene Probleme, etwa bei multipler Sklerose oder Schlaganfall, zur erektilen Dysfunktion führen. Als häufigste Ursachen der erektilen Dysfunktion in Deutschland nannte Reitz den Diabetes mellitus, die radikale Prostatektomie, Gefäßerkrankungen und Medikamente, allen voran Betablocker und Antidepressiva.

Kann erfolgreich sein: Beckenbodentraining

Fällt die Entscheidung für eine Therapie, ist die Partnerin immer mit betroffen. Denn die Behandlung führt immer auch zu einer Veränderung der Paarbeziehung, betonte Reitz. Sie sollte deshalb möglichst in den Therapieentscheid einbezogen werden. Generell günstig sind zunächst Allgemeinmaßnahmen, ähnlich der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sprich regelmäßige körperliche Aktivität, Gewichtsreduktion, gesunde Ernährung, Nicotinabstinenz und moderatem Alkoholkonsum. Auch ein Blick auf die eingenommenen Medikamente und bei Bedarf deren Austausch empfiehlt sich. Gerade bei Störungen des venösen Abstroms kann ein Beckenbodentraining erfolgreich sein, das laut Reitz von den Männern gut akzeptiert wird. Eine psychosexuelle Therapie ist nur anzuraten, wenn organische Ursachen definitiv ausgeschlossen sind.

Erste Wahl: PDE-5-Hemmer

Bleiben Allgemeinmaßnahmen ohne Erfolg, ist die Therapie mit einem hemmstoff der Phosphodiesterase 5 (PDE-5-Hemmer) erste Wahl. Der Patient muss allerdings darüber aufgeklärt werden, dass der neuronale "Input" da sein muss, sprich: "Ohne sexuelle Stimulation läuft nichts", so Reitz. Die drei zur Verfügung stehenden PDE-5-Hemmer Sildenafil, Vardenafil und Tadalafil, zeigen durchweg eine gute Wirksamkeit, auch bei Patienten mit schwerer erektiler Dysfunktion, etwa bei Diabetikern, bei denen vaskuläre und neurogene Störungen gleichzeitig vorliegen. Die Unterschiede liegen im Detail. So wirkt Tadalafil über 36 Stunden ("weekend pill"), die Resorption des Wirkstoffs wird, im Gegensatz zu den beiden anderen Wirkstoffen, nicht durch eine fettreiche Mahlzeit eingeschränkt. Auch das Nebenwirkungsspektrum variiert leicht. Generell können unter PDE-5-Hemmern Kopfschmerzen und Gesichtsröte auftreten. Rückenschmerzen wurden nur unter Tadalafil beobachtet, eine Rhinitis tritt vor allem unter Vardenafil auf. Reitz betonte jedoch, dass jeder Patient anders reagiere. Deshalb sollte er über alle drei Präparate informiert werden und sie auch praktisch prüfen, nämlich jeden Wirkstoff mindestens vier Mal. Dann fällt die Entscheidung nach der persönlichen Präferenz des Patienten, der Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs und den individuell festgestellten Nebenwirkungen. Auch das anfangs heiß diskutierte Thema Myokardinfarkt ist vom Tisch. Es wird unter PDE-5-Hemmern kein Anstieg der Infarktrate beobachtet, betonte Reitz. Strenge Kontraindikation sind Stickstoffmonoxid-Donatoren. Wird ein Patient, der einen PDE-5-Hemmer eingenommen hat, notfallmäßig versorgt, muss er den Arzt über die Medikation informieren. "Das muss er wissen", so Reitz.

Penisring vor dem Einschlafen abnehmen

Als Second-line-Regime nannte Reitz die Vakuumpumpe, SKAT und MUSE: Die Vakuumpunkte liefert "bei einem selektionierten Patientengut" eine hohe Wirksamkeit von 90%. "Das ist nichts für romantische Männer." Wichtig: Der Penisring muss vor dem Einschlafen abgenommen werden, sonst besteht das Risiko schwerer Nekrosen. Die Schwellkörperautoinjektionstherapie SKAT mit vasoaktiven Substanzen wie Prostaglandin E oder Papaverin/Phentolamin ist laut Reitz durchaus eine Alternative zu PDE-5-Hemmern. Sie kann allerdings penile Schmerzen und eine prolongierte Erektion verursachen. Bei Priapismus über vier Stunden, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Häufiger als zwei- bis dreimal pro Woche sollte sie wegen Fibroserisiko an der Injektionsstelle nicht angewandt werden.

Hohe Zufriedenheit mit der Penisprothese

Und "wenn alles andere nichts gebracht hat oder der Wunsch nach einer permanenten Lösung besteht", fällt die Wahl auf die Penisprothese. Und das ist immer häufiger der Fall. State of the art ist die hydraulische Penisprothese, der von den Anwendern eine höhere Zufriedenheit attestiert wird als den PDE-5-Hemmern. Und was ist mit der Hormonsubstitution? Sie sollte nur durchgeführt werden, wenn tatsächlich ein Hormonmangel besteht.

Bei Infertilität: assistierte Reproduktion

Infertilität kann für Männer ebenfalls zum Problem werden und die Partnerschaft ganz massiv belasten. Bei etwa einem Drittel aller sexuell aktiven Paare, die innerhalb eines Jahres kein Kind zeugen, liegt die Ursache beim Mann, bei einem Drittel bei der Frau und bei einem weiteren Drittel bei beiden. Bei drei Viertel der infertilen Männer ist die Spermienproduktion gestört, 12,3% leiden unter einer Varikozele. Auch Ejakulationsstörungen oder eine erektile Dysfunktion können dahinterstecken, wenn ein Paar ungewollt kinderlos bleibt. Für den Erfolg medikamentöser Strategien gibt es keine gesicherten Studiendaten. Sie könnten allenfalls im Einzelfall erfolgreich sein. Regime der Wahl ist die assistierte Reproduktion. Sie kann den Kinderwunsch häufig erfüllen.


bf

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