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100. BPhD-Tagung: Ein seltenes Jubiläum

Am 27. Mai fand in Frankfurt die 100. Bundesverbandstagung des Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland e.V. (BPhD) statt. Zu diesem Jubiläum gab es unter anderem einen historischen Überblick über die organisierte Interessenvertretung der Pharmaziestudierenden in Deutschland. Dragan Pavlovic von ADEXA war dabei und berichtet:

Als ich Ingo Kolb von der Fachschaft Pharmazie der Universität Frankfurt anrief, machte er einen gefassten, aber auch gehetzten Eindruck. Den Einsatz, den die Studenten Frederik und Mareike Modrack, Andreas Halbritter, Roland Böhme, Kerstin Altenkirch und Dominic Merten für die Organisation der 100. Tagung des Bundesverbandes der Pharmaziestudierenden (BPhD) an den Tag legten, war enorm und bewundernswert. Liefen doch parallel auch wichtige Prüfungen. Und erfahrungsgemäß bleibt die Arbeit immer an einigen Wenigen hängen. So stöhnte Ingo ob seiner Doppelbelastung als Organisator und universitärem Geistessportler, um gleich darauf professionell anstehende Fragen für die Organisation eines ADEXA-Infostandes zu beantworten. Die Festveranstaltung der 100. Bundesverbandstagung (BVT) am 27. Mai 2006 fand in der grandiosen Architektur des ehemaligen IG-Farben-Hauses im Herzen Frankfurts statt. Die vornehm wirkende Architektur von etwa 1930, gebaut aus einem Stein mit warmem Farbton, war eine würdige Umgebung für die akademische Festveranstaltung. Das Haupt–gebäude ist dem General Motors Building in Detroit nachempfunden, die Festveranstaltung fand im gegenüberliegenden Kasino statt. Dass dieser Gebäude–komplex heute für die Bildung genutzt wird, ist eine tolle Idee in Anbetracht der umstrittenen Geschichte des IG-Farben-Konzerns.

Ein solches Jubiläum war ADEXA Anlass genug, vor Ort präsent zu sein und das eine oder andere Gespräch mit den künftigen Apothekern zu führen. Zu wenige wissen über ihre Rechte als Angestellte Bescheid. Und die akademische Qualifikation, die man als Apotheker erwirbt, bereitet nicht auf die Untiefen und Betriebsrealitäten einer öffentlichen Apotheke vor.

So drehten sich die Fragen am Stand um die Rechtsberatung, den Tarifvertrag und den prinzipiellen Nutzen einer Arbeitnehmervertretung, der sich nicht unmittelbar erschließt, wenn man sich keine Gedanken über die Standards in der öffentlichen Apotheke macht. So manchem war es wertvoll zu wissen, wohin man sich bei rechtlichen Konflikten wenden kann. Das angebotene Informationsmaterial und das "Spektrum" fanden Anklang.

Vor dem ADEXA-Infostand im marmornen Foyer des Kasinos unterhielten sich die Studenten mit den zahlreichen Gästen aus der pharmazeutischen Welt, die für ihre Reden angereist waren. Neben den Vertretern von Forum Leipzig, DAZ, LAK Hessen, ABDA, DPV und anderen erregten meine Aufmerksamkeit die angekündigten Vorträge von neun ehemaligen Studentenvertretern, die aus ihrer aktiven Zeit berichten: Angefangen bei Herrn Vogl aus den 50er-Jahren mit den typischen Nachkriegsproblematiken bis hin zu Herrn Pfannkuche aus der jüngsten Vergangenheit. Dieser Samstag hielt die eine oder andere Überraschung bereit. Bewegende –Reden hielten der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Pharmazeut Karl-Hermann Haack, der Ende der 60er-Jahre stu–dierte, und Wolfgang Hartmann-Besche – aktiver Student Anfang bis Mitte der 70er-Jahre. Schon damals waren Refor–men der pharmazeutischen Ausbildung aktuell, da die Prüfungsordnungen noch aus den 30er-Jahren stammten; ebenso stand eine Reform der deutschen Universitäten insgesamt auf der Agenda.

Wegen des Funktions–verlusts der Apotheker als Arzneimittelhersteller diskutierte man kritisch ihre Rolle als "Schubladenzieher" in Anbetracht eines nunmehr globalen Pharmazie-Marktes und der Industrialisierung dieses Sektors. Man könnte meinen, es handelte sich damals um eine heutige Debatte. Die CDU wollte aus Kostengründen die Pharmazie von den Hochschulen an die Fachhochschulen vertreiben, was jedoch auf Widerstand stieß.

Kettenapotheken sollten wie in den USA eingerichtet werden.

Die Diskussion über die Rolle der IG-Farben im Dritten Reich und der Conterganskandal entfachten eine Wertedebatte über das naturwissenschaftliche Selbstverständnis. Die Fachschaften beschäftigten sich unter dem Eindruck der psychosomatischen Medizin kritisch mit den Psychopharmaka. Sie provozierten gezielt, um die Öffentlichkeit aufzurütteln. Das Motto war, dass ohne Tabubrüche keine Aufmerksamkeit zu erwarten war. So fragten die kritischen Studenten nach der Rolle der Apothekerschaft im Dritten Reich, u.a. bei der Diskriminierung der Juden. Es kam zu einer Belastungsprobe zwischen Studenten und pharmazeutischem "Establishment", die schließlich zur Spaltung der Fach–schaften führte; die Mehrzahl grenzte die Berliner Pharmazie-Fachschaft als "radikale" Minderheit aus.

Anfang der 70er-Jahre explodier–te die Zahl der neugegründeten öffentlichen Apotheken – es gab keine ökonomischen Probleme. Die jungen Leute wurden in die Pharmazie "hineingeworfen". Neben den Aufgaben in Studium und Beruf blieb genügend Zeit, um Kritik am Vietnam-Krieg zu üben, sich mit dem historischen Materialismus zu befassen und gegen den Abriss schöner, alter Villen zu demonstrieren, z.B. im "Häuserkampf" im Frankfurter Westend. Schon damals debattierte man das Hausapothekenmodell, um den Funktionsverlust der Apotheke als Arzneimittelhersteller durch intensivierte Beratung auszugleichen. Viele Apotheker litten unter diesem Verlust und hatten ein schlechtes Bild von sich selbst. Das kontrastierte stark zu dem guten Außenbild, den die Bürger vom Betrieb Apotheke in der Öffentlichkeit hatten (und noch haben).

Zum Schluss möchte ich noch ein Wort von Karl-Hermann Haack aufgreifen, der meinte, dass die bewegte Geschichte der Pharmaziestudenten es wert sei, aufgeschrieben zu werden, da die Debatten zeigen, dass die heutigen Probleme die gleichen sind wie zu ihrer aktiven Zeit als Studentenvertreter.

Zufrieden und geschafft ging der Tag für die überarbeiteten Studen–ten zu Ende. Für die Recherche zu diesem Artikel stolperte ich wieder über die Webseite der Frankfurter Pharmazie-Fachschaft www.fachschaft-pharmazie-frankfurt.de und fand unter dem Button "BVT" eine verlinkte Witzseite: Ein Videoclip kommentiert genüsslich die Arbeitsbelastung durch die Organisation der BVT. Ein Mann, erwacht aus einem fünfjährigen Koma, in das er gefallen war, weil er zu sehr gefeiert hatte. Das steht in sehr schönem Kontrast zu den Glückwünschen der Vertreter aus Pharmazie und Fach–öffentlichkeit an die Studenten: Sie mögen doch bis zur 200. BVT weiter durchhalten!

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