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Gesundheits-Check in der Apotheke – sinnvoll oder sinnlos? (Außenansicht)

Viele Apotheken leiden unter den großen Veränderungen im Gesundheitsmarkt. Die Umsätze gehen zurück, die Konkurrenz durch Versandapotheken nimmt zu. Um nicht unter die Räder zu kommen, lässt man sich etwas einfallen. Über die Preisgestaltung im OTC- Bereich ist wenig zu machen, also sucht man nach anderen Möglichkeiten. Was liegt näher, als über Wellness- und Gesundheitsaktionen den Gang in die Apotheke attraktiver zu machen, dem Kunden mehr Service durch kompetente Beratung zu bieten?

Dabei geht man ganz richtig davon aus, dass es nicht die telefonische Beratung, auf die sich Versandapotheken beschränken müssen, sondern der persönliche Kontakt ist, was sich der Kunde/Patient wünscht. Soweit alles richtig, denn mit Schubladenziehen und einem freundlichen "Drei mal täglich" ist es nicht mehr getan.

Wie nun dieser Dienst am Kunden aussehen soll, darüber gehen die Vorstellungen auseinander. Zwei ganz unterschiedliche Wege werden eingeschlagen (von denjenigen abgesehen, die gar nichts ändern wollen oder zu ändern brauchen). Der eine Apotheker glaubt sich auf dem richtigen Weg, wenn er sich als Wohlfühl-Guru und Fitnessexperte darstellt und sein Geschäft um Kosmetik- und Diät-Abteilungen bis hin zum Nagelstudio erweitert (wobei den Schritt von den Nägeln zu den Haaren erstaunlicher Weise noch niemand gewagt hat, könnte doch die Zeit unter der Trockenhaube gut für Arzneiberatung genutzt werden). Aktionswochen "Abnehmen" und "Jungbleiben", Wellnesstage und Anti-Aging-Sprechstunden gehören ebenfalls zum Spektrum innovativer Apothekenaktivitäten. Nur: Ist der Apotheker dafür wirklich der kompetente Berater?

Andere fühlen sich als Gesundheitsmanager und bieten nicht einen Service für das Wohlbefinden, sondern für die Gesundheit an, werben für Vorbeugung oder fordern zur Früherkennung auf, laden die Kunden ein, sich den Blutdruck, die Knochendichte und den Blutzucker kontrollieren zu lassen. Vielleicht weil sie meinen, dass die Messung der Knochen nun wirklich besser als die Pflege der Nägel zum Image eines Apothekers passt. Nur: Ist der Apotheker auch dafür der kompetente Berater?

Wäre alles zu schön, wären da nicht die Ärzte und Heilpraktiker, die solches Treiben misstrauisch (und wohl auch missgünstig) beobachten und argwöhnen, dass Apotheker damit in die Domäne von Diagnose und Therapie eindringen.

Nicht ganz unverständlich, denn den Ärzten geht es vielfach nicht anders als den Apothekern. Auch sie haben unter den Veränderungen im Gesundheitswesen zu leiden. Jeder überlegt, wie er sich vor seinen Patienten noch besser profilieren kann. Die zusätzlichen Spezialkenntnisse, die einzelne Ärzte in ihren Fachgebieten plötzlich besitzen und ihren Patienten als etwas Besonderes zur Verfügung stellen, sind grenzenlos. Kein ordentlicher Arzt, der nicht etwas könnte, was andere nicht können. Und da kein Patient beurteilen kann, ob das, was der Arzt kann, auch wichtig, und das, was er tut, auch richtig ist, müssen Geräte her. Am Zeigerausschlag eines Geräts ist nicht zu rütteln, weder in der Arztpraxis noch in der Apotheke.

Die Frage nun, was der Apotheker eigentlich darf und was nicht, ob also die von ihm neu entdeckten gesundheitlichen Tätigkeiten unter den Begriff der Heilkunde fallen, diese Frage wird ständig von Anwälten gestellt und von Gerichten beantwortet. Leider sind die Urteile selten eindeutig und ein für allemal gültig. Immer geht es dabei um die Frage, ob die für Ärzte und Heilpraktiker gesetzlich festgelegten Tätigkeitsgrenzen von Apothekern unzulässig überschritten werden.

Es liegt auf der Hand, dass Leistungen wie das Messen des Blutdrucks oder der Knochendichte nur schwer von Tätigkeiten zur Feststellung von Krankheiten abzugrenzen sind und damit nahe an einer für den Apotheker verbotenen heilkundlichen Tätigkeit liegen. Stand der Dinge ist es, dass der Apotheker zwar messen, aber nicht diagnostizieren, die Knochendichte zwar bestimmen und den Blutdruck messen, aber keine Aussagen über Osteoporose und Bluthochdruck machen darf.

Stellt sich also die Frage, wem solche arzttypischen Dienstleistungen etwas bringen? Wenn diese Tätigkeiten sich in dem bloßen Messen von Körperfunktionen und dem Analysieren von Körperflüssigkeiten erschöpfen, dann ist das (auch wenn die Messwerte mit Norm- und Grenzwerten verglichen werden dürfen) zu wenig, als dass es für den Apotheker von Nutzen und für seinen Kunden von Wert ist. Einzelne Messwerte sind nichtssagend, sie beruhigen selten und beunruhigen oft. Der Passant geht in die Apotheke und kommt mit dem Gefühl, gesund oder krank zu sein, wieder heraus.

Weder die Pflege der Nägel noch das Vermessen von Knochen sind Dienstleistungen, die zum Tätigkeitsbereich und zum Kerngeschäft des Apothekers gehören. Der Apotheker ist weder Nagelpfleger noch Orthopäde. Er ist Experte für Arzneimittel, und hier ist er wirklich der kompetente Berater. Außer ihm gibt es wenige, die davon so viel verstehen wie er. Kompetente Beratung über Arzneimittel ist das, was der Patient benötigt und viel zu selten erhält. Wenn sich der Apotheker mehr (sehr viel mehr!) als bisher diesem Service verschreibt, werden die alten Kunden bleiben und neue hinzukommen.

Klaus Heilmann

Prof. Dr. med. Klaus Heilmann beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Risikoforschung, Krisemanagement und Technikkommunikation. In der DAZ-Rubrik "Außenansicht" befasst sich Heilmann mit Themen der Pharmazie und Medizin aus Sicht eines Nicht-Pharmazeuten vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen.

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