Zukunftschance Gendiagnostik

So könnten Nebenwirkungen und Therapieversager vermieden werden

Genetische Polymorphismen von Cytochrom-P450-Enzymen können dafür verantwortlich sein, dass ein Arzneistoff in der angegebenen Dosierung bei dem einen Patienten wirkt, bei einem anderen in der gleichen Dosierung zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führt und bei einem dritten vollkommen wirkungslos ist. Effizienz und Sicherheit einer Arzneimitteltherapie mit Substanzen, die über das CYP450-System metabolisiert werden, ließen sich enorm steigern, wenn die Möglichkeiten der modernen Gendiagnostik genutzt würden.

Für den oxidativen Arzneistoffmetabolismus sind Enzyme des Cytochrom-P450-Systems verantwortlich. Für alle sind genetische Polymorphismen bekannt, das heißt, dass die für diese Enzyme codierenden Gene individuelle Abweichungen in ihrer DNA-Sequenz aufweisen können. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Aktivität der Enzyme und damit für den Abbau der Arzneistoffe, die auf Enzyme des Cytochrom-P450-Systems angewiesen sind: Führen die genetischen Abweichungen zu einer verstärkten Enzymaktivität, werden entsprechende Substrate schneller metabolisiert. Resultiert eine reduzierte Enzymaktivität oder ein kompletter Funktionsverlust, werden die betroffenen Substrate langsamer oder gar nicht über diesen Weg verstoffwechselt. Genetische Polymorphismen können also auf der einen Seite dafür verantwortlich sein, dass bei einem Patienten ein Arzneistoff nicht wirkt, weil wegen zu schneller Metabolisierung kein ausreichender Wirkspiegel erreicht wird. Auf der anderen Seite können sie dazu führen, dass bei einem anderen Patienten mit der gleichen Dosierung toxische Wirkspiegel aufgebaut werden, weil die abbauenden Enzyme in ihrer Aktivität reduziert sind oder gar nicht mehr in der Lage sind, den Arzneistoff abzubauen.

Biochips geben Aufschluss über Metabolisierungstyp

Für den Arzneistoffmetabolismus klinisch relevante genetische Polymorphismen betreffen die Enzyme CYP2D6, CYP2C9 und CYP2C19 (siehe Tab. 1 und 2). Unterschieden werden

  • schwache Entgifter ohne Enzymaktivität (poor metabolizer),
  • mittelschwache Entgifter (intermediate metabolizer),
  • normale (extensive metabolizer) und
  • extrem schnelle Entgifter (ultra rapid metabolizer).

Wer zu welchem Metabolisierungstyp zählt, lässt sich mit Hilfe einer gendiagnostischen Untersuchung abklären, die wie eine Blutuntersuchung durchgeführt wird und wie eine Blutgruppenbestimmung nur einmal im Leben gemacht werden muss. Einen entscheidenden Fortschritt hat die Entwicklung von Biochips bzw. DNA-Chips, bei denen auf einer planaren Oberfläche viele einzelsträngige DNA-Sequenzen systematisch angeordnet sind und eine schnelle Genanalyse erlauben. Inzwischen steht mit dem Amplichip® CYP450 ein Routinetest zur Analyse von CYP2D6 und CYP2C19 zur Verfügung. Auf einer Glasplatte befinden sich hier auf vorbestimmten Feldern 15.000 verschiedene einzelsträngige DNA-Abschnitte. Zur Bestimmung des Metabolisierungstyps muss aus einer Blutprobe DNA gewonnen werden, die nach Vervielfältigung mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) auf den Chip aufgebracht wird. Nach Reaktion mit den komplementären DNA-Abschnitten des Chips und Fluoreszenzmarkierung wird das entstandene Hybridisierungsmuster rechnergestützt mit einem Scanner ausgewertet. Auf dieser Basis erfolgt dann die Bestimmung des Metabolisierungstyps. Pharmakologisches und pharmakogenetisches Wissen ist gefragt!

Ist der Metabolisierungstyp bekannt, müssen Konsequenzen in der Therapie folgen. Doch oft fehlen aussagekräftige Studien, die Rückschlüsse auf die Dosierung in Abhängigkeit der individuellen Metabolisierungkapaziät erlauben. Es muss also versucht werden, Nebenwirkungen und Therapieversager durch Dosisanpassung oder Auswahl einer anderen Substanz mit Hilfe des vorhandenen pharmakologischen und pharmakogenetischen Wissens zu vermeiden. Hier ist nicht nur der Arzt gefordert, sondern auch der Apotheker.

Gesetz zur Gendiagnostik: AMK und DPhG fordern Beteiligung der Apotheker

Vor dem Hintergrund eines als Diskussionsentwurf vorliegenden Gesetzesentwurfs über genetische Untersuchungen am Menschen (Gendiagnostikgesetz) haben die Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker (AMK) und die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) in einer Stellungnahme vom 6. Mai diesen Jahres gefordert, dass Apothekerinnen und Apotheker ebenso wie Ärztinnen und Ärzte auf die Möglichkeit der Genotypisierung arzneimittelrelevanter Marker aufmerksam machen, Tests veranlassen und hinsichtlich der Ergebnisse beraten sollten. Im Rahmen der pharmazeutischen Betreuung sollte der Apotheker in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt die individuelle Wirksamkeit von Arzneistoffen optimieren, die Dosis nach Maßgabe der Möglichkeiten anpassen und damit unerwünschte Arzneimittelwirkungen vermeiden. Der Diskussionsentwurf sieht bislang vor, dass Gentests und die verpflichtende Beratung lediglich von Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden dürfen, prädiktive Gentests im Gegensatz zu diagnostischen Gentests sollen zudem nur von Fachärzten der Humangenetik vorgenommen werden dürfen. AMK und DPhG fordern, dass in einem Gesetz zur Gendiagnostik neben dem Arztvorbehalt die pharmazeutische Beratungskompetenz von Apothekerinnen und Apothekern angemessen berücksichtigt wird. Das Zentrallabor Deutscher Apotheker arbeitet an einem Konzept, das den Apothekern die problemlose Durchführung der notwendigen Gendiagnostik zur Bestimmung der individuellen Medikamentenverträglichkeit ermöglichen soll.

 

Quelle
[1] Schwab, M. et al: Pharmakogenetik der Zytochrom-P-450-Enzyme. Dtsch. Ärztebl. 99, A 497 – 504 (2002). [2] Bauer, J.: Arzneimittelunverträglichkeit – Wie man Betroffene herausfischt. Dtsch. Ärztebl., 100: A 1654 –1656, (2003) [3] Prädiktive Gendiagnostik – Stellungnahme der AMK und DPhG. Dtsch. Apoth. Ztg. 145, 2112 (2005).

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