Fortbildung

Gendiagnostik

AmpliChip Der erste für die pharmako­genetische Diagnostik zugelassene Biochip.

Maßgeschneiderte Pharmakotherapie

Mithilfe gendiagnostischer Methoden können nicht nur die individuellen Risiken für Krankheiten wie Chorea Huntington oder Morbus Alzheimer erkannt werden. Auch die individuell unterschiedliche Wirksamkeit bestimmter Arzneistoffe und ihre ideale Dosierung lassen sich mit Gentests herausfinden.

Ein Beispiel dafür, wie die Gendiagnostik bereits heute zur Identifizierung von Arzneimittelrisiken praktisch angewendet werden kann, ist der AmpliChip CYP450 Test (CE-IVD), der 2004 von der EMEA in Europa und 2005 von der FDA in den USA zugelassen wurde. Mit diesem Gentest können die 33 wichtigsten Polymorphismen auf den Genen, die die Enzyme CYP2D6 und CYP2C19 codieren, identifiziert werden.

Je nachdem, um welchen Polymorphismus es sich dabei handelt und ob ein oder beide Allele des jeweiligen Gens betroffen sind, kann die Aktivität der beiden Cytochrom-P450-Enzyme vermindert sein oder ganz fehlen. Patienten mit einem komplett funktionslosen Enzym werden im Rahmen dieses Tests als "poor metabolizer" (PM), Patienten, mit eingeschränkter Metabolisierungskapazität (nur ein Allel des Gens ist betroffen) als "intermediate metabolizer" (IM) und Patienten mit normaler Enzymfunktion als "extensive metabolizer" (EM) klassifiziert.

Im Falle des CYP2D6 kann noch ein weiterer Phänotyp – der des "ultra rapid metabolizers" (UM) bestimmt werden. Bei diesen Patienten liegt eine erbliche Vervielfachung des CYP2D6-Gens (bis zu 15 Kopien) vor. Verabreicht man diesen Patienten einen Arzneistoff, der hauptsächlich über das Enzym CYP2D6 metabolisiert wird, werden die therapeutischen Plasmakonzentrationen in der Regel nicht erreicht. Bei einem langsamen Metabolisierer (PM) dagegen wäre in diesem Fall mit dem verstärkten Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) zu rechnen.

Die Anwendung des AmpliChip-Tests dient dazu, sowohl Non-Responder zu identifizieren als auch unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) zu verhindern. Ein routinemäßiger Einsatz ist jedoch aufgrund der hohen Kosten noch nicht möglich. Vor dem Hintergrund, dass die jährliche Zahl der UAW-bedingten Todesfälle in Deutschland auf ca. 17.000 geschätzt wird, erscheint der Einsatz dieses und ähnlicher prädiktiver Gentests jedoch sehr sinnvoll.

Rolle von CYP2D6 in der Brustkrebstherapie

Auch für den Erfolg einer adjuvanten Brustkrebstherapie mit Tamoxifen scheint die Aktivität von CYP2D6 von Bedeutung zu sein, wie die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Studie zeigen. Tamoxifen wird über dieses Enzym zum aktiven Metaboliten Endoxifen aktiviert. Bei Patientinnen mit einer verminderten CYP2D6-Aktivität (PM) war der Zeitraum bis zum Auftreten eines Rezidivs signifikant kürzer als bei Patientinnen mit normaler Enzymfunktion (EM), wobei die Gesamtmortalität nicht erhöht war. Möglicherweise könnten also mithilfe eines Gentests diejenigen Patientinnen ausgewählt werden, die von einer Tamoxifen-Therapie am meisten profitieren.

Phase-II-Enzyme

Genetische Polymorphismen mit klinischer Relevanz betreffen nicht nur die Cytochrom-P450-Enzyme, sondern auch Enzyme des Phase-II-Metabolismus, z. B. die Thiopurin-Methyltransferase (TPMT) und die UDP-Glucuronyltransferase (UGT), sowie das Transportprotein P-Glykoprotein, das vom MDR1-Gen codiert wird. Die TPMT metabolisiert u. a. 6-Mercaptopurin, das zur Therapie der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) eingesetzt wird. Es ist jedoch bekannt, dass etwa 75 Prozent der weißen Bevölkerung eine reduzierte TPMT-Aktivität besitzen und jedes 300. Individuum gar keine TPMT-Aktivität aufweist. Wird nun ein solcher Patient nach einem Standard-Protokoll behandelt, erleidet er lebensbedrohliche Nebenwirkungen, vor allem eine ausgeprägte Neutropenie. Daher findet sich in der Fachinformation des Mercaptopurin-Präparats Puri-Nethol® der Hinweis auf Tests zur Identifizierung eines TPMT-Mangels. Verpflichtend ist ein solcher Test jedoch nicht; in den USA dagegen existieren in dieser Hinsicht eindeutigere Empfehlungen (siehe Kasten).

Auch zu Irinotecan, einem Wirkstoff zur Behandlung von metastasiertem Dickdarm- und Mastdarmkrebs, hat die FDA Richtlinien zur Dosisanpassung veröffentlicht, die in der Fachinformation des in Deutschland zugelassenen Präparats (Campto®) noch nicht enthalten sind. Der aktive Metabolit von Irinotecan wird durch die UDP-Glucuronyltransferase UGT1A1 zu einer inaktiven Substanz abgebaut, die dann über Leber oder Niere ausgeschieden werden kann. Patienten mit einer Mutation in der Promotorregion des UGT1A1-Gens besitzen weniger UGT1A1, weshalb der aktive Metabolit in geringerem Maße abgebaut wird. Dies führt zu einer Verstärkung von Nebenwirkungen, vor allem schweren Durchfällen und Neutropenie. Die FDA empfiehlt daher, vor einer Irinotecan-Therapie den Genotyp oder Phänotyp zu bestimmen und ggf. eine niedrigere Initialdosis zu geben.

Nach Angaben der FDA enthalten die Fachinformationen von etwa zehn Prozent der in den USA zugelassenen Arzneimittel pharmakogenomische Informationen. Diese Informationen sollen dazu beitragen, die Pharmakotherapie effektiver und sicherer zu machen und damit der Vision einer "maßgeschneiderten Pharmakotherapie" ein Stück näher zu kommen.

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

Quellen

Prof. Dr. Theo Dingermann, Frankfurt am Main, Prof. Dr. Reinhold Kreutz, Berlin: "Von prädiktiver Gendiagnostik zur maßgeschneiderten Pharmakotherapie – Realität oder Vision?" Referate auf einer gemeinsamen Fortbildungsveranstaltung der Ärztekammer Berlin und der Apothekerkammer Berlin am 18. April 2007 in Berlin.

Goetz, M.P., et al.: The impact of cytochrome P450 2D6 metabolism in women receiving adjuvant tamoxifen. Breast Cancer Res. Treat. 101 (1), 113-121 (2007).

Table of valid genomic biomarkers in the context of approved drug labels; www.fda.gov/cder/genomics/genomic_biomarkers_table.htm.
Enzyme und Substrate
Durch CYP2D6 und CYP2C19 verstoffwechselte Arzneistoffe (Beispiele):
CYP2D6: Atomoxetin, Codein, Dextromethorphan, Fluoxetin, Metoprolol, Risperidon, Tamoxifen, Venlafaxin
CYP2C19: Citalopram, Diazepam, Imipramin, Nelfinavir, Omeprazol, Phenytoin, Proguanil, Propranolol
Test empfohlen
Gegenwärtige Berücksichtigung des genetischen Polymorphismus der Thiopurin-Methyltransferase (TPMT) in der klinischen Praxis:
"Patienten mit einem erblichen Thiopurin-Methyltransferase (TPMT)-Mangel können ungewöhnlich empfindlich gegenüber der myelosuppressiven Wirkung von Mercaptopurin sein und dazu neigen, rasch nach Einleitung der Behandlung mit Puri-Nethol® eine Knochenmarksuppression zu entwickeln. (…) Einige Laboratorien bieten Tests zur Erkennung eines TPMT-Mangels an, obwohl diese Tests nicht alle Patienten mit einem Risiko für eine schwere Toxizität identifizieren konnten. Daher ist eine engmaschige Kontrolle der Blutwerte nach wie vor erforderlich."
Aus: Fachinformation Puri-Nethol® (Stand Oktober 2006)
"Thiopurin methyltransferase deficiency or lower activity due to mutation at increased risk of myelotoxicity. TPMT testing is recommended and consideration be given to either genotype or phenotype patients for TPMT."
Quelle: Empfehlung der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA; www.fda.gov/cder/genomics/genomic_biomarkers_table.htm

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