Arzneimittel und Therapie

Erfolg versprechend, aber noch riskant

Die Xenotransplantation, also die Übertragung von Zellen, Geweben oder Organen anderer Spezies auf den Menschen, könnte eine der Möglichkeiten in der Zukunft sein, Menschen zu heilen. Während noch vor 15 Jahren die Forscher, die sich mit der Xenotransplantation befassten, ausgelacht wurden, stellen diese Überlegungen heute eine ernsthafte Alternative zur Überwindung des weltweiten Mangels an Spenderorganen dar.

Diese Art der Transplantation ist von einer Reihe erheblicher ethischer Bedenken begleitet, die sowohl potenzielle Empfänger als auch die Gesellschaft insgesamt betreffen. Umfragen folgend befürworten lediglich 50% der Befragten eine Xenotransplantation. "Trotz großer Fortschritte in der Forschung sind noch weitere Untersuchungen erforderlich, bevor die Xenotransplantation klinischer Alltag werden kann", sagte Professor Reinhard Kurth, Präsident des Robert Koch-Institutes (RKI) in Berlin anlässlich der Eröffnung des 8. Minisymposiums Xenotransplantation am 9. und 10. Juni 2005 im Robert Koch-Institut.

Hindernisse auf dem Weg zu einer sicheren Xenotransplantation

Vor der klinischen Anwendung der Xenotransplantation mit Schweinen als Spendertiere müssen noch eine Reihe von Hürden überwunden werden. Die zu transplantierenden Zellen, Gewebe und Organe dürfen nicht abgestoßen werden, sie müssen physiologisch kompatibel sein und es dürfen bei der Xenotransplantation keine humanpathogenen Erreger übertragen werden. Die immunologischen Mechanismen, die zur Abstoßung von Transplantaten führen können, reflektieren die verschiedenen Arme des Immunsystems.

Bei Allotransplantaten, der Übertragung von Zellen oder Organen von Mensch zu Mensch, als auch bei der Xenotransplantation spielen sowohl angeborene (innate) als auch erworbene (adaptive) Immunantworten eine Rolle. Diese werden jeweils durch eine bestimmte Zellart (zellulär) oder/und lösliche Stoffe (humoral) vermittelt. Zur Unterdrückung der humoralen Abstoßungsreaktion stehen heute eine ganze Reihe potenter Immunsuppressiva (Ciclosporin, Mycophenolat, Sirolimus) zur Verfügung.

Zur Rolle der zellulären Seite der Immunabwehr bei der Transplantatabstoßung herrscht allerdings weitgehend Unklarheit. Zu diesem System gehören neutrophile Granulozyten, Makrophagen und Monozyten, dendritische Zellen und natürliche Killerzellen. Auf dem amerikanischen Transplantationskongress in diesem Jahr in Seattle zeigte sich, dass Fortschritte wesentlich beschleunigt werden könnten, wenn in der Xenotransplantation der Aufbau einer Immuntoleranz oder einer Akkomodation beim Transplantatempfänger gelänge. Die bereits vorliegenden Ansätze der freien Gewebetransplantation (z. B. Inselzellen des Pankreas) oder des extrakorporalen Ersatzes von Organen würden damit einen erheblichen Schub nach vorne erreichen.

Übertragung humanpathogener Mikroorganismen

Die Übertragung humanpathogener Mikroorganismen ist eines der größten Risiken der Xenotransplantation. Die meisten Mikroorganismen können durch spezifiziert pathogenfreie Züchtung aus den Spendertieren eliminiert werden. Bei den Herpesviren, den Circoviren und den porcinen endogenen Retroviren (PERVs) ist dies nicht so einfach. Diese Viren sind entweder schlecht nachweisbar, sie werden über die Plazenta übertragen, oder sind, wie die PERVs, im Genom der Tiere verankert. Im Genom eines jeden Schweins sind PERVs vorhanden, die Schweinezellen können infektiöse Zellen freisetzen und einige der PERVs infizieren humane Zellen.

Zum Screening der ersten klinischen Xenotransplantationen auf Virusübertragung wurden hochsensitive molekularbiologische und immunologische Nachweismethoden für die PERVs sowie andere porcine Viren entwickelt. Die Seren der meisten der weltweit behandelten 200 Patienten wurden im Labor des RKI untersucht. In keinem Fall konnte ein positiver Nachweis einer PERV-Übertragung belegt werden. Die Aussagefähigkeit dieser Untersuchungen ist allerdings begrenzt. Bisher wurden lediglich kleine Mengen Inselzellen zur Behandlung des Diabetes oder Schweinehaut zur Behandlung schwerer Brandverletzungen eingesetzt. Bei der Untersuchung von Fleischern, die häufig Blut-Blut-Kontakt mit Schweinen, den optimalen Übertragungsweg für Retroviren, hatten, konnten keine Hinweise einer PERV-Übertragung gefunden werden.

Aktuelle Stellungnahme der WHO

Im April 2005 traf sich ein Beratungsgremium der WHO zur Diskussion über Fortschritte bei der Xenotransplantation. Dabei wurde erneut festgestellt, dass ein Hauptrisiko der Xenotransplantation die Übertragung von Krankheiten ist. Viele ernste Humaninfektionen haben ihren Ursprung im Tierreich. Sobald ein neues Pathogen in ein menschliches Individuum gelangt, kann es sich in der Bevölkerung ausbreiten. Nicht in allen Ländern, in denen Xenotransplantationen durchgeführt werden, sind Leitlinien für Qualitäts- und Sicherheitskontrollen implementiert worden.

Das Beratungsgremium empfahl: da alle Xenotransplantationen in Ländern ohne adäquate Kontrollverfahren nicht akzeptierbare infektiöse Risiken darstellen, sollten sie dort sofort gestoppt werden. Wegen des Risikopotenzials haben die WHO-Mitgliedstaaten die World Health Assembly Resolution zur Xenotransplantation verabschiedet. Sie veranlasst die Mitgliedstaaten, Xenotransplantation nur zu erlauben, wenn nationale regulatorische Kontrollen und Überwachungsmechanismen, vermittelt durch nationale Gesundheitsbehörden existieren. Das WHO-Beratungsgremium stellte ferner fest, dass strengere Maßnahmen etabliert werden müssen.

So soll das Potenzial dieser verheißungsvollen Technologie unterstützt werden und gleichzeitig die Risiken von unbewiesenen oder missbrauchten Praktiken minimiert werden.

Dr. Jochen Kotwas, Berlin

Quelle
Pressegespräch "Xenotransplantation vor der klinischen Anwendung?", Berlin, 10. Juni 2005, veranstaltet von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Xenotransplantation, der Deutschen Transplantationsgesellschaft und vom Robert Koch-Institut, Berlin.

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