Arzneimittel und Therapie

Das Schwein als Nierenspender?

Der Bedarf an Spenderorganen für eine Transplantation ist groß, das Angebot dagegen niedrig. Eine Lösung des Problems könnte die Transplantation von tierischen Organen und Geweben (Xenotransplantaten) in Menschen sein. Ein Problem dabei sind die immunologischen Unterschiede zwischen den Spezies, ein weiteres die Übertragung von tierischen Krankheitserregern auf den Menschen.


Nach der erfolgreichen chirurgischen Transplantation eines Organs wird dieses mit drei Phasen der Abstoßung konfrontiert:

  • der hyperakuten Abstoßungsreaktion,
  • der akuten vaskulären Abstoßung und
  • der chronischen T-Zell-vermittelten Abstoßung.

Hyperakute Abstoßungsreaktion


Die hyperakute Abstoßungsreaktion in den ersten Minuten bis Stunden wird durch präexistierende Antikörper, durch das Komplementsystem und durch natürliche Killerzellen vermittelt. Antikörper des Patienten binden an Endothelzellen des Spenderorgans, das Blut koaguliert, und die Blutgefäße verstopfen, das Organ stirbt ab ("weiße Niere").
Bei der Übertragung von Xenotransplantaten ist diese erste Abstoßungsreaktion stärker ausgeprägt, weil verschiedene Zuckerreste auf der Zelloberfläche von anderen Säugern, die beim Menschen nicht vorkommen, sehr schnell als immunologisch fremd erkannt werden. Außerdem fehlen auf tierischen Zellen regulatorische Proteine wie der Decay accelerating factor (DAF) oder CD59, die die Komplementreaktion abschwächen. Eine extrakorporale Perfusion des Empfängerblutes, um Antikörper gegen die tierischen Zuckerreste zu binden, oder Hemmstoffe des Komplementsystems, z.B. der Cobra venum factor, könnten dabei helfen, diese hyperakute Abstoßungsreaktion zu überwinden.

Akute vaskuläre Abstoßung


Die akute vaskuläre Abstoßung wird durch Entzündungszellen vermittelt, die in das geschädigte Endothel des Spenderorgans eindringen. Durch lokale Entzündungsreaktionen kommt es zum Verschluß der Gefäße. Bei dieser zweiten Phase der Abstoßung, die sich über Tage bis Wochen erstreckt, unterscheiden sich ein Allograft, also ein Spenderorgan derselben Spezies, und ein Xenograft kaum voneinander. Bei Gewebetransplantaten, bei denen das Gefäßsystem des Transplantates nicht an das des Patienten angeschlossen wird, kommt es im allgemeinen nicht zu den beiden ersten Phasen der Abstoßung, es sei denn, beim Einwachsen von Gefäßen in das Gewebe bilden sich spontane Anastomosen.

Chronische T-Zell-vermittelte Abstoßung


Die dritte Phase der Organabstoßung, bei der es zur chronischen Abstoßung des Organs kommt, ist T-Zell-vermittelt und antigenspezifisch. T-Zellen des Empfängers richten sich dabei hauptsächlich gegen die Proteine des Major histocompatibility complex (MHC) des Spenderorgans. Bei Xenotransplantaten ist die Konzentration an Fremdproteinen sehr groß, auch fehlen regulatorische Zelloberflächenproteine, die eine Bildung von T-Suppressorzellen hervorrufen könnten.

Das Schwein ist als Organspender gut geeignet


Neben den verstärkten Abstoßungsreaktionen müssen bei der Xenotransplantation weitere Probleme überwunden werden: Die Physiologie der Organe schränkt die Auswahl an Spendertieren stark ein. Andere Primaten sind kleiner als der Mensch. Die Kapazität ihrer Organe reicht nicht aus, um einen Menschen zu versorgen. Hinzu kommen Unterschiede in den metabolischen Leistungen der Organe, sie zeigen andere Reaktionen auf Wachstumsfaktoren, Matrix- und Oberflächenproteine und somit auch bei der Neovaskulierung. Insgesamt ist das Schwein unter diesen Gesichtspunkten das geeignetste Tier, es ist sowohl in der Größe als auch in den metabolischen Leistungen seiner Organe dem Menschen näher als andere Primaten.

Krankheitserreger können übertragen werden


Ein zusätzlicher Nachteil von Xenotransplantaten ist die Gefahr der Zoonose. Durch die direkte Übertragung von Krankheitserregern vom Tier auf den Menschen kann es zu bisher unbekannten Infektionen oder Krankheiten kommen. Ein engmaschiges Screening der Organe kann nur bekannte Erreger erfassen und könnte auch nicht endogene (im tierischen Erbgut vorhandene) Retroviren erfassen. Die Aufzucht der Tiere unter konditionierten Bedingungen kann die Möglichkeit einer Zoonose einschränken, jedoch nicht aufheben.

Tierische Zellen für die Zelltherapie


Auch für die Zelltherapie könnten sich tierische Zellen eignen. Ziel der Zelltherapie ist es, die biologische Funktion geschädigter Zellen, Gewebe oder Organe zu ersetzen, zu reparieren oder zu verbessern. Dabei bedient man sich der Trans- oder Implantation isolierter, charakterisierter Zellen. Zellen für die Zelltherapie sollten leicht zugänglich, kultivierbar, leicht zu vermehren und manipulierbar sein. Prinzipiell kommen vier verschiedene Zelltypen in Frage.

  • Autologe Zellen entstammen dem Körper des Patienten, sie sind immunologisch inaktiv und bereiten keine ethischen Probleme. Ein Beispiel sind Keratinozyten, die, an einer anderen Stelle des Körpers entnommen, als körpereigenes Hauttransplantat genutzt werden können. Ein anderes Beispiel ist die Behandlung von Tumorzellen ex vivo, die so angeregt werden sollen, mehr krebsspezifische Antikörper zu bilden.
  • Allogene Zellen stammen von einem menschlichen Spender. Ihr Vorteil gegenüber gespendeten Organen ist, daß sie besser aufzubewahren sind. Ihre Immunogenität ist auch vom Zelltyp abhängig: Während Keratinozyten eines Spenders zu einer schnellen Abstoßungsreaktion führen, sind Myo- oder Fibroblasten weniger anfällig.
  • Xenogene Zellen werfen die gleichen Probleme auf wie xenogene Organe. Zellinien sind für die Zelltherapie ein idealer Zelltyp, weil sie immer verfügbar sind und standardisiert werden können. Andererseits sind sie unsterblich, und deshalb können sie sich nicht voll ausdifferenzieren. Auch tragen sie uncharakterisierte onkogene Mutationen, die beim Empfänger Krebs auslösen könnten.


Wenn die zu übertragenden Zellen eine potentielle Gefahr für den Empfängerorganismus darstellen, so können sie durch gezieltes Einkapseln der Spenderzellen in eine künstliche Matrix gebannt werden, zusätzlich werden Zellen (z. B. insulinproduzierende Betazellen) auf diese Weise vor einer Zerstörung im Empfängerorganismus geschützt. Quelle
Platt, J. L.: New directions for organ transplantation. Nature 392 (Suppl.), 11-17 (04-1998).
Gage, F. H.: Cell Therapie. Nature 392 (Suppl.), 11-17 (04-1998).
Holger Neye, Münster

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