Kommentar

Zwischen Panik und Börse

Des einen Freud, des andren Leid - die Vogelgrippe ist ante portas. Bei Roche, dem Hersteller des Influenzamittels Tamiflu, schnellt der Aktienkurs in die Höhe, viele Enten, Hühner und andere Vögel müssen vorzeitig ihr Leben lassen - und in Teilen der Bevölkerung zeichnen sich bereits panikartige Hamsterkäufe von Grippemitteln ab. In diesem Klima tut Abkühlung not. Man sollte mit naturwissenschaftlicher Besonnenheit an das Thema ran gehen und mehr auf die Fakten schauen (siehe unseren Beitrag in DAZ 37 vom 15. September).

Fakt ist, dass das H5N1-Virus die Vogelgrippe auslöst - also eine Tiererkrankung ist - und nicht die menschliche Influenza. Menschen können sich mit dem Vogelgrippe-Virus infizieren, wenn sie direkt damit in Kontakt kommen (Kot, Sekrete). Die Gefahr ist allerdings sehr gering. Gefährlich würde es, wenn sich H5N1-Virus mit dem humanen Grippevirus mischt und ein Supervirus entsteht. Doch davon sind wir noch weit entfernt. Zumal auch alle Vorkehrungen getroffen werden, dass die Ansteckungsgefahr bei unserem Federvieh durch Zugvögel und die Übertragung auf den Menschen minimiert wird. Panik ist demnach nicht angesagt.

Den besten Schutz gegen Influenza bietet derzeit die Grippeimpfung. Ob die panikartige Bunkerung des Grippemittels Tamiflu (Wirkstoff Oseltamivir) sinnvoll ist? Als Neuraminidase-Hemmer ist es zwar eine wichtige Säule der medikamentösen Therapie- und Prophylaxestrategie, aber es wirkt nicht spezifisch gegen die Vogelgrippe, es kann nur den Verlauf einer Influenza abschwächen.

Der Hersteller Roche freut sich über die rege Nachfrage, die Tamiflu-Einnahmen wachsen gewaltig (in diesem Jahr bereits 800 Mio. Schweizer Franken). Aber der Konzern scheint seine Glückssträhne nicht ausnützen zu wollen. Es bahnt sich keine (künstliche) Verknappung an, für knapp acht Prozent der Bundesbürger steht derzeit nach einer Kalkulation der Länder Tamiflu im Pandemiefall zur Verfügung. Und Roche steigert seine Kapazitäten und will Lizenzen an Subunternehmen vergeben.

Der Hessische Apothekerverband überraschte mit der Meldung, dass bestimmte Apotheken in Hessen Oseltamivirphosphat-Lösungen aus Wirkstoffpulver selbst herstellen können. Diese Apotheken sind in die Pandemieplanung der Landesregierung mit eingeplant. Jede dieser Apotheken kann im Notfall 1000 Einheiten pro Tag herstellen - ein Pluspunkt in der Öffentlichkeitsarbeit.

Peter Ditzel

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