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Interview: Integrierte Versorgung als Chance begreifen!

Das große Interesse an dem BMC-Workshop in Berlin hat gezeigt: Neue Versorgungsformen im Gesundheitswesen sind ein aktuelles Thema, und die Arzneimittelversorgung in der integrierten Versorgung wird von den Apothekern neue Konzepte abverlangen. Doch was ist für die Apothekerschaft jetzt vornehmlich zu beachten? Was ist zu erwarten, und können medizinische Versorgungszentren die Apothekenlandschaft langfristig verändern? Nachfolgend ein Interview mit dem Vorsitzenden des Bundesverbands Managed Care, Dr. Klaus Meyer-Lutterloh:

DAZ:

Herr Meyer-Lutterloh, die Örtlichkeiten dieses Kongresses mussten kurzfristig verlegt werden. Gab es hierfür besondere Gründe?

Meyer-Lutterloh:

Integrierte Versorgung und medizinische Versorgungszentren sind derzeit Topthemen. Der große Run auf unsere Veranstaltung stellte uns kurzfristig vor die Entscheidung: entweder die ursprünglich als "Workshop" konzipierte Veranstaltung zu begrenzen und mehr als der Hälfte der Angemeldeten abzusagen oder der unerwartet großen Nachfrage durch den Wechsel in ein Berliner Kongresshotel zu entsprechen.

DAZ:

Für einige Detailfragen konnten keine konkreten Lösungsansätze gefunden werden. War der Workshop dennoch ein Erfolg?

Meyer-Lutterloh:

Die gesetzlichen Regelungen zu den neuen Versorgungsstrukturen und insbesondere die sogenannte "Ein-Prozent-Förderung" haben eine Art Goldgräberstimmung bei vielen Akteuren hervorgerufen. Gründung und Trägerschaft von integrierter Versorgung und medizinischen Versorgungszentren stellen aber anspruchsvolle unternehmerische Herausforderungen dar.

Wer hierbei die Chancen der neuen gesetzlichen Regelungen wahrnehmen will, sollte wissen, welche Detailfragen zu lösen sind, und natürlich auch, welche Risiken vermieden werden sollten. Wer diese Veranstaltung besucht hat, erhielt darüber einen breit angelegten Überblick. Die Dokumentation, die wir den Teilnehmern in Kürze auf einer CD zur Verfügung stellen, liefert ein Raster, auf das die Gründer neuer Versorgungsstrukturen aufbauen können.

DAZ:

Die Arzneimittelversorgung und die Rolle der Apothekerschaft standen ja auch im Mittelpunkt dieses Kongresses. Welche Funktion ist Ihrer Meinung nach den Apothekern in der integrierten Versorgung zuzuschreiben bzw. anzuvertrauen?

Meyer-Lutterloh:

Sinn und Zweck der integrierten Versorgung ist eine Überwindung der sektoralen Zergliederung der Versorgung. Es soll stattdessen die Versorgung "aus einer Hand" angeboten werden, bei der die Gesundheitsdienstleistungen - und somit auch die pharmazeutischen Leistungen - in einer abgestimmten und qualitätsgesicherten Versorgungskette erfolgen.

Auch sollte der in ein integriertes Versorgungssystem eingeschriebene Versicherte möglichst eine aktive und professionell unterstützte ("gecoachte") Rolle bei seiner Krankheitsbewältigung und Gesundheitsvorsorge spielen.

DAZ:

Ist Ihrer Meinung nach der Apotheker als Berater aus der integrierten Versorgung wegzudenken? Welche Aufgaben sollte er übernehmen?

Meyer-Lutterloh:

Die pharmazeutische Kernkompetenz des Apothekers als Berater beim Arzneimitteleinsatz ist in diesem Zusammenhang unverzichtbar. Weitere wichtige Aufgaben hat der Apotheker z. B. beim Einkauf und bei der Qualitätsbewertung der Arzneimittel.

Kurz: um Qualität und Wirtschaftlichkeit in einem Verbund "integrierter Versorger" sicherzustellen, wird der Apotheker benötigt. Dabei sollten Anreize geschaffen werden, die beim wirtschaftlichen Erfolg der integrierten Versorgung seine Mitwirkung angemessen belohnen.

DAZ:

Nach dem Referat von Dr. Ulrich Orlowski konnte der Eindruck entstehen, dass das Gesundheitsministerium mit der integrierten Versorgung eine Steuerung von Patienten- und Finanzströmen beabsichtigt. So sollen auch von der Arzneimittelpreisverordnung abweichende Preisvereinbarungen mit an der integrierten Versorgung teilnehmenden Apothekern geschlossen werden können. Wird hier die integrierte Versorgung nicht genutzt, um die Apothekerschaft zu spalten?

Meyer-Lutterloh:

Die Aufgabe des BMC ist es nicht, Gesetze zu interpretieren. Das Bessere ist der Feind des Guten. Das gilt auch im zu erwartenden Wettbewerb zwischen herkömmlichen und neuen Versorgungssystemen. Letztlich stimmen die Patienten darüber mit den Füßen ab. Es wird Gewinner und Verlierer und unterschiedliche Positionierungen der Apotheker geben.

Die Apotheker werden nicht umhin können, diese Herausforderungen anzunehmen. Ob die Gewinner unbedingt immer die Beteiligten an integrierter Versorgung sind, bleibt abzuwarten. Eine hohe Transparenz des Leistungsgeschehens einschließlich der Arzneimittelversorgung und eine strikte Qualitätssicherung müssen dafür sorgen, dass Preisdumping nicht zum Absinken der Behandlungsqualität führt.

DAZ:

Halten Sie die seitens der ABDA vorgetragenen Konzepte von Dr. Peter Froese und Dr. Martin Schulz für Schritte in die richtige Richtung?

Meyer-Lutterloh:

Die beiden Vertreter der ABDA beim BMC-Workshop haben in ihren Referaten gezeigt, dass Apotheker in der Lage sind, sich den Herausforderungen durch neue Versorgungs- und Vertragsformen zu stellen. Patientennahes pharmazeutisches Management muss ein essenzieller Bestandteil insbesondere auch in integrierter Versorgung sein.

Es wird Aufgabe der Partner einer Integrationsversorgung sein, hierfür bei der konkreten Umsetzung der neuen gesetzlichen Regelungen zu sorgen. Wichtig war auch der Hinweis auf die Notwendigkeit einer funktionsgerechten EDV-Vernetzung.

DAZ:

Letzte Frage, welche Ratschläge können Sie den Apothekern geben, um ihre Rolle und ihren Erfolg in der integrierten Versorgung zu sichern?

Meyer-Lutterloh:

Sie sollten sich beispielsweise nicht darauf beschränken, alte brüchig gewordene Bastionen zu verteidigen. Die neuen gesetzlichen Regelungen bieten für "pro-aktiv" und unternehmerisch handelnde Apotheker durchaus Chancen. Diese beruhen nicht nur auf der fachlichen Kompetenz.

Auch als Unternehmer, Initiator, Investor oder Vertragspartner bieten sich Apothekern vielerlei neue Möglichkeiten. Wichtig ist, diese zu erkennen; außerdem, die Entwicklungen im eigenen Umfeld im Auge zu behalten, besser noch, sie mitzugestalten, um nicht durch plötzliche Veränderungen der Wettbewerbslandschaft unter Druck zu geraten.

DAZ:

Herr Meyer-Lutterloh, vielen Dank für dieses Gespräch.

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