Interpharm 2019 – Forum Heimversorgung

Was bringt der neue Mustervertrag?

Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheken stellt neuen Mustervertrag vor

ks | Die Versorgung von Heimen ist für viele Apotheken zu einem wichtigen Standbein geworden. Doch der Versorgungsbereich ist komplex und herausfordernd – sowohl logistisch als auch im Hinblick auf die zahlreichen regulatorischen Anforderungen. Grund genug, ihm auf der Interpharm erstmals ein eigenes Forum zu widmen. Im Mittelpunkt stand aus aktuellem Anlass der neue Mustervertrag des Bundesverbands der klinik- und heimversorgenden Apotheker (BVKA).

Der BVKA – Kooperationspartner des Deutschen Apotheker Verlags für dieses Forum – befasst sich schon seit Jahren mit den spezifischen Fragen der Heimversorgung. Die Referenten Prof. Dr. Hilko J. Meyer, der den Verband juristisch berät, und Apotheker Achim Gondermann, Beiratsmitglied des BVKA, gaben einen kurzen Einblick in diese Vereinsarbeit. 1983 als Verband klinikversorgender Apotheker gegründet, erweiterte der BVKA 2003 seinen Aktionsradius auf die Heim­versorger. Damals wurde der Heimversorgungsvertrag ins Apothekengesetz (§ 12a) eingeführt und in der Folge auch der erste Mustervertrag des BVKA erarbeitet. Mittlerweile kümmert sich der Verband auch um die Palliativ- und die Substitutionsversorgung, sodass im vergangenen Jahr eine Verbandsumbenennung in „Bundesverband der Versorgungsapotheker“ (BVVA) erfolgte, die allerdings noch nicht rechtlich abgeschlossen ist.

Warum ein neuer Mustervertrag?

Im Zentrum des Forums auf der Interpharm stand der von Meyer für den BVKA neu gefasste Mustervertrag nach § 12a ApoG. Nachdem sich in den vergangenen Jahren im gesundheitspolitischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Umfeld vieles für Heim­träger und Apotheken geändert hat, waren Anpassungen nötig. So gab es unter anderem einen ganzen Strauß von Gerichtsentscheidungen und gesetzlichen Neuregelungen, die sich in verschiedener Form auf die Versorgung und das Miteinander von Heimen und Apotheken auswirken. Zu denken ist zum Beispiel an die 2012 geänderte Apothekenbetriebsordnung oder die neuen Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung. Von großer Bedeutung sind zudem die 2016 neu eingeführten Korruptionsstraftatbestände speziell für das Gesundheitswesen. Meyer betonte, dass sich mit einem Mustervertrag zwar nicht die Marktverhältnisse und auch nicht das zwingende Recht ändern lassen – aber die Vertragsgestaltung helfe zu kanalisieren und könne einen rechtssicheren Weg ausloten. Zudem sorge sie für Transparenz und Systematik. Diese helfe am Ende auch Juristen – nicht ­zuletzt Staatsanwälten – zu verstehen, worum es wirklich geht.

Foto: Alex Schelbert/DAZ
Apotheker Achim Gondermann aus Bad Camberg und Prof. Hilko J. Meyer aus Frankfurt beantworteten die wichtigsten Fragen zum neuen Mustervertrag Heim­versorgung.

Meyer zeigte auf, welche Prinzipien ihn bei der Neugestaltung des Mustervertrags geleitet haben. Dabei steht an erster Stelle die Autonomie des Heimbewohners sowie dessen gute Versorgung. Hier ist zu beachten, dass die Teilnahme an der zentralen Versorgung nur bei vorheriger informierter Einwilligung des Bewohners bzw. seines Vertreters erfolgen kann. Dabei ist es aus Meyers Sicht originäre Aufgabe des Heims, entsprechend zu informieren und diese Einwilligung einzuholen. Das Heim müsse sicherstellen, dass kein Rezept ohne Einwilligung an die Apotheke gehe. Der neue Mustervertrag schreibe diese Pflicht auch fest. Ein spezielles Muster für diese Einwilligung gibt es daher nicht. Dafür steht aber ein Muster für eine Datenschutzinformation bereit, mit der der Heimbewohner gegenüber der Apotheke in die Verarbeitung seiner Daten für die typischen Zusatzleistungen einwilligt, und die ausdrücklich auf die Zustimmung zur Teilnahme an der zentralen Versorgung Bezug nimmt.

Trennung von Zusatz- und Pflichtleistungen

Weiterhin zieht der neue Vertrag Schlussfolgerungen aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), das für Klarstellungen zur Rechtsnatur von Heimversorgungsverträgen gesorgt hatte (BGH, Urteil vom 14. Juli 2016, Az.: III ZR 446/15, DAZ 2016, Nr. 29, S. 18). In dem hier entschiedenen Fall hatte ein Heimträger von der versorgenden Apotheke eine kostenlose Verblisterung gefordert. Nachdem sich diese dazu nicht in der Lage sah, kündigte das Heim den Vertrag und schloss einen neuen mit einer anderen Apotheke. Die vertraglich festgelegte Kündigungsfrist von sechs Monaten hielt das Heim nicht ein. Die ursprünglich versorgende Apotheke forderte daraufhin Schadenersatz von dem Heim – und bekam diesen letztlich auch vom BGH zugesprochen. Die Richter machten klar: Es geht hier um einen zweiseitigen Vertrag, an den beide Seiten gebunden sind und der für beide Parteien Mitwirkungspflichten vorsieht. Die Apotheke habe zwar einen Mehraufwand, der nicht vom Heim­träger vergütet werde – doch dafür bekomme sie einen privilegierten Zugang zu den Bewohnern. Der Mustervertrag führt nun genau auf, welche Mitwirkungspflichten es für Apotheke und Heim gibt. Damit macht er auch den Unterschied deutlich zwischen den hier genannten Pflichtleistungen (vorgegeben durch § 12a ApoG), die – laut BGH – durch den Zugang zu den Bewohnern abgegolten sind, und den nicht kostenlosen Zusatzleistungen, die gesondert zu vereinbaren sind. Meyer betonte: Werden fremde Obliegenheiten kostenlos wahrgenommen, kann dies ein „Vorteil“ im Sinne der strafrechtlichen Korruptionsstrafbestände sein. So falle zum Beispiel das Verabreichen der Arzneimittel, einschließlich ihrer entsprechenden Vorbereitung, in den originären Bereich des Heimes, so Meyer. Natürlich könne die Apotheke hier Aufgaben des Heims übernehmen – sofern sich diese im Rahmen des gesetzlich möglichen halten, wie etwa das patientenindividuelle Verblistern – aber dies sei eben keine Pflicht, auf die das Heim oder seine Bewohner einen Anspruch hätten. Vielmehr sei es eine echte Zusatzleistung, für die es auch eine Gegenleistung geben müsse. Und so enthält der neue Mustervertrag eine entsprechende Zusatzvereinbarung über die „bewohnerbezogene Arzneimittelbereitstellung in patientenindividuellen Einzelbehältnissen“.

Die Zusammenarbeit zwischen Apotheke, Heim und Arzt ist ebenfalls ein wichtiger Punkt, den der Vertrag aufgreift. Das Dilemma: Es gibt viele Vorschriften, die zeigen, dass eine solche Kooperation gesundheitspolitisch gewollt ist. Leistungserbringer sollen zum Wohle des Patienten gemeinsam seine Versorgung managen. Das Sozialgesetzbuch V sieht mittlerweile auch eine Kooperation zwischen Heimen und Ärzten vor (§ 119b SGB V). Doch zugleich sind Kooperationen nach wie vor rechtlich umstritten. Auch hier soll der neue Mustervertrag helfen, indem er „mit offenen Karten spielt“ und die erforderlichen Prozesse und Schnittstellen verdeutlicht. In manchen Fällen müsse die Apotheke nun einmal Kontakt zum Arzt aufnehmen, um die Kontinuität der Versorgung ­sicherzustellen, betont Meyer.

Foto: Alex Schelbert/DAZ

Was heißt das für Altverträge?

Was bedeutet der neue Mustervertrag nun für bereits laufende Verträge der Apotheken mit Heimen? Sollten diese nun durch neue Vereinbarungen abgelöst werden? Zwingend ist das nicht, aber eine pauschale Antwort ist auch nicht möglich, sagt Meyer. Bei unpro­blematischen Vertragsbeziehungen dürfte es wirtschaftlich unklug sein, die Änderung des Vertrags zu ver­langen und diesen auch noch kostenpflichtig genehmigen zu lassen. Er empfiehlt jedoch dringend, jedenfalls die Zusatzvereinbarung des neuen Mustervertrags zu den neuen Datenschutzregelungen aufzunehmen. Zudem rät der Jurist, die Zusatzverein­barung zum Verblistern zu ergänzen, wenn die Apotheke diese Leistung ­anbietet. Solche Vertragsergänzungen sind zwar in der Regel anzeigepflichtig, aber gebührenfrei. Dies sollte mit der zuständigen Behörde geklärt werden. Generell meint Meyer: Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, sollte man den neuen Vertrag durchaus verwenden – und wenn es um ganz neue Verträge geht, erst recht.

Zum Abschluss der Veranstaltung richteten Meyer und Gondermann nochmals den Blick auf aktuelle Forderungen des BVKA. So arbeitet der Verband z. B. daran, dass eine Klarstellung zur zulässigen Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker in der Heimversorgung erfolgt. Hier liege eben keine Zuweisung im Sinne von § 11 ApoG vor, weil sowohl der Arzt als auch der Patient von vornherein feststünden, so Meyer. Eine andere Baustelle ist die Bereitstellung elektronischer Beipackzettel für patientenindividuell verblisterte Fertigarzneimittel – bislang sieht das Arzneimittelgesetz vor, dass diese jeweils in Papierform vorliegen müssen. Weitere Stichworte auf der BVKA-Agenda sind Versorgungsverträge für ambulante Pflegedienste, die Arzneimittel für die von ihnen betreuten Patienten aufbewahren, oder der Einsatz von E-Learning bei der Schulung der Pflegekräfte über den sachgemäßen Umgang mit Arzneimitteln und Medizinprodukten. |

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