DAZ aktuell

OTC auf Kassenrezept: Hat der Apotheker wirklich eine Prüfpflicht? (Diskussion)

Muss der Apotheker wirklich prüfen, ob ein OTC-Präparat zu Recht auf einem Kassenrezept verordnet wurde? Rechtsanwalt Dr. Gerhard Nitz verneinte dies (DAZ Nr. 36/2004, S. 58), Ulrich Dietz vom Bundesgesundheitsministerium widersprach dieser Auffassung (DAZ Nr. 42/2004, S. 24) und versuchte klarzustellen, dass dem Apotheker eine Prüfpflicht zukomme. Jetzt meldet sich Gerhard Nitz erneut zu Wort und weist darauf hin, dass es letztendlich darauf ankommt, wie die Gerichte die Rechtslage auslegen:

"In DAZ Nr. 42 schrieb Ulrich Dietz vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung unter dem Titel "Klarstellung", dass den Apotheker entgegen meinen Ausführungen in DAZ Nr. 32 und 36, eine Prüfpflicht bezüglich der Verordnungsfähigkeit von ärztlich verordneten OTC-Präparaten auf Kassenrezept treffe. Dies überrascht.

In unserem gewaltenteilenden Rechtsstaat hat ein Ministerium keine Kompetenz, die Rechtslage "klarzustellen". Rechtlich verbindliche Regelungen werden von der rechtsetzenden Gewalt erlassen, deren verbindliche Auslegung ist Aufgabe der Gerichte. Mit anderen Worten: Die Ausführungen eines Bundesministerialbeamten sind rechtlich genauso (un)verbindlich wie meine Auffassung. Entscheidend ist, wie die Gerichte die geltende Rechtslage auslegen.

Für die Auslegung der Rechtslage zur Prüfpflicht der Apotheker bei auf Kassenrezept verordneten OTC-Präparaten ist also nicht die Auffassung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung maßgeblich, sondern die juristisch überzeugendere Argumentation. Einziges Argument von Herrn Dietz ist der Verweis auf den Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V. Dieser Rahmenvertrag sei für öffentliche Apotheken, die einem Mitgliedsverband einer apothekenrechtlichen Spitzenorganisation angehören, verbindlich. Dies ist zutreffend.

Allein: Im Rahmenvertrag in der derzeit geltenden Fassung der Schiedsentscheidung vom 5. 4. 2004 steht zwar viel über die Anwendung der Aut-idem-Regelung, über die Abgabe von Importarzneimitteln etc., jedoch nichts zur Prüfpflicht des Apothekers bei ärztlicher Verordnung auf Kassenrezept. Allenfalls ließe sich noch an § 3 Abs. 1 S. 1 Rahmenvertrag denken, nach dem ein Vertrag zwischen Krankenkasse und Apotheke "durch die Annahme einer ordnungsgemäßen gültigen vertragsärztlichen Verordnung" zu Stande kommt. Diese allgemeine Regelung konstituiert jedoch keine inhaltliche Prüfpflicht, sondern knüpft an anderenorts möglicherweise rechtsverbindlich vorgegebene Prüfpflichten an. Daher sind nicht der Rahmenvertrag Quelle von Prüfpflichten des Apothekers, sondern die diese Prüfpflichten ausdrücklich thematisierenden Arzneilieferverträge. Diese Arzneilieferverträge erstrecken die Prüfpflicht jedoch – wie ich in DAZ Nr. 32 und Nr. 36 näher ausgeführt habe – jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht auf die Verordnung von OTC-Präparaten auf Kassenrezept."

RA Dr. Gerhard Nitz, Berlin

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