Arzneimittel und Therapie

Influenza: Impfen ist besser als therapieren

Immer noch wird die Virusgrippe (Influenza) als "harmloser Schnupfen" unterschätzt. Dies rührt nach Meinung von Experten auf dem 2. Deutschen Influenza-Kongress in Erfurt auch daher, dass ihre schweren Verläufe nur noch unter den jeweiligen Folgeerkrankungen registriert werden: Im Krankenhaus findet man sie vor allem unter ihren Komplikationen wie Pneumonie, Otitis media, aber auch Myokarditis, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Mit Komplikationen rechnen muss man bei jedem fünften Influenza-Patienten.

Derzeit erkranken etwa zwei bis acht Millionen Deutsche jährlich an einer Influenza. Im Falle einer Pandemie könnte diese Zahl rasch auf 30 bis 40 Millionen ansteigen. Und die Gefahr solch einer globalen Grippe-Attacke ist offensichtlich gegeben: Der durchschnittliche Abstand zwischen den Influenza-Pandemien des vorigen Jahrhunderts lag bei 27,5 Jahren; die letzte liegt inzwischen schon 36 Jahre zurück.

Aber nicht nur die Statistik spricht für eine wachsende Bedrohung: In Vietnam, Thailand und China zirkuliert ein potenziell gefährliches Virus, auch Kambodscha, Laos, Indonesien und Malaysia müssen eigentlich zum Risikogebiet gezählt werden. Ob sich dort eine neue Pandemie zusammenbraut, kann derzeit definitiv noch niemand beantworten.

Zur Bekämpfung der Influenza, die auch ohne Pandemie schon jährlich 7000 bis 10000 Todesopfer fordert, sollten sich möglichst weite Teile der Bevölkerung jährlich rechtzeitig gegen die "Grippe" impfen lassen, vor allem die von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) definierten Risikogruppen. Das sind:

  • Personen über 60 Jahre,
  • Kinder, Jugendliche oder Erwachsene mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens,
  • Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen,
  • Personen mit erhöhter Gefährdung wie zum Beispiel medizinisches Personal,
  • Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr und auch
  • Personen, die als mögliche Infektionsquelle für von ihnen betreute ungeimpfte Risikopersonen fungieren können.

Damit wird der Kreis recht groß. Nach Meinung der Experten macht auch die Impfung aller Kinder zwischen dem 6. und 23. Lebensmonat sowie die Impfung Schwangerer durchaus Sinn, wenngleich zur Influenza-assoziierten Morbidität von Kindern außerhalb von Kliniken noch genauere Daten gefordert werden.

Aktuell empfohlene Influenza-Vakzine 2004/2005 für die nördliche Hemisphäre:

  • A/New Caledonia/20/99 (H1N1)-like virus
  • A/Fujian/411/2002 (H3N2)-like virus
  • B/Shanghai/361/2002-like virus

Quelle: WHO

Neuraminidasehemmer zur Prophylaxe

Eine sinnvolle Ergänzung der Influenza-Impfung ist während einer regionalen Epidemie die Prophylaxe mit einem Neuraminidasehemmer (Oseltamivir [Tamiflu®], Zanamivir [RelenzaTM]). Dies gilt für ungeimpfte oder erst kürzlich geimpfte Personen, deren Impfschutz noch nicht voll wirksam ist, insbesondere dann, wenn sie innerhalb der letzten 48 Stunden engen Kontakt zu Erkrankten hatten. Außerdem ist eine medikamentöse Influenza-Prophylaxe für Bewohner von Alten- und Pflegeheimen zu erwägen, wenn deren Grippeimpfung schon länger als drei Monate zurückliegt.

Für breite Bevölkerungsschichten kommt die medikamentöse Vorbeugung erst dann in Frage, wenn während einer Pandemie der Impfstoff möglicherweise nicht genau dem zirkulierenden Virus entsprechen sollte – so lange, bis der "passende" Impfstoff zur Verfügung steht.

Erkrankungsdauer verkürzen

Ist die Erkrankung erst einmal ausgebrochen, so ist rasches Handeln gefragt, denn alle sechs Stunden entstehen aus einem Influenza-Virus zirka 2000 Kopien. Die Experten empfahlen die rasche Diagnose der Influenza anhand der klinischen Daten: Bei Zirkulieren des Virus in der Region (regionale Epidemie, zu erfahren über die Meldesysteme RealFlu™, Roche, bzw. AGI-Sentinel, Arbeitsgemeinschaft Influenza) sowie plötzlichem Krankheitsbeginn mit Fieber über 38 °C und mindestens zwei weiteren der folgenden Symptome:

  • Frösteln, Schweißausbrüche
  • Muskel- und Gelenkschmerzen
  • trockener Husten
  • Abgeschlagenheit, schweres Krankheitsgefühl
  • Halsschmerzen
  • Kopfschmerzen

ist mit mehr als 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen einer Influenza-Erkrankung auszugehen. Falls der Erkrankungsausbruch nicht länger als 48 Stunden zurückliegt, sollte in diesem Fall unverzüglich mit der Gabe eines Neuraminidasehemmers (ab 1 Jahr: Oseltamivir, oral als Kapsel oder Suspension; ab 12 Jahren auch: Zanamivir, inhalativ) begonnen werden. Dadurch kann die Erkrankungsdauer um etwa 1,5 bis 3 Tage verkürzt werden und es werden Sekundärinfektionen und andere Komplikationen verhindert oder abgemildert.

Die aktuellen Resistenzraten gegen Neuraminidasehemmer liegen mit nur etwa 4% für Erwachsene und 0,4% für Kinder noch immer erfreulich niedrig; wichtig ist aber, dass das Zeitfenster konsequent eingehalten wird.

Simone Reisdorf, Erfurt

Quelle 
Dr. Johannes Hallauer, Berlin; Prof. Dr. Bernhard Ruf, Leipzig; Prof. Dr. Heinz-Josef Schmitt, Mainz; Dr. Klaus Stöhr, Genf; Prof. Dr. Georg E. Vogel, München; Prof. Dr. Peter Wutzler, Jena: Pressekonferenz „Die Influenza – eine immer währende Bedrohung“ und Symposium „Klinik und Diagnostik der Influenza und ihrer Komplikationen“ im Rahmen des 2. Deutschen Influenza- Kongresses, Erfurt, 9. September 2004, veranstaltet von der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e.V., Berlin.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.