WIdO-Studie: Praxisgebühr hält Ärmere vom Arztbesuch ab

Joachimsthal/Berlin (ks). Die Praxisgebühr entfaltet die von der Politik gewünschte Lenkungsfunktion. Dies erklärte der Vorstandschef des AOK-Bundesverbands Dr. Hans Jürgen Ahrens am 22. Juni vor Journalisten in Joachimsthal. Er bezog sich dabei auf eine Umfrage des Wissenschaftlichen Institutes der AOK (WIdO), der zufolge rund 80 Prozent der Patienten zuerst zu ihrem Hausarzt gehen. Von diesem lassen sie sich im Bedarfsfall zum Facharzt überweisen, um eine erneute Praxisgebühr zu sparen. Die Studie kam auch zu dem Ergebnis, dass Versicherte mit geringem Einkommen wegen der Praxisgebühr eher einen Arztbesuch verschieben als Besserverdiener.

Die Menschen haben sich über die neuen Regelungen der Praxisgebühr informiert und sich mit ihr arrangiert, erklärte Ahrens anlässlich der Vorstellung der WIdO-Studie. Auch die Steuerung über den Haus- zum Facharzt funktioniere offenbar. Die Studie befasste sich aber auch mit der Frage, warum einige gesetzlich Krankenversicherte nicht zum Arzt gegangen sind. Gefragt wurde, ob jemand in den ersten drei Monaten einen Arztbesuch wegen der Praxisgebühr verschoben habe. 88 Prozent verneinten dies. Die 12 Prozent, die die Frage bejahten, wurden nach ihrem Einkommen befragt. Dabei zeigte sich, dass Versicherte mit einem monatlichen Haushaltseinkommen unter 1000 Euro zu fast 20 Prozent angaben, die Praxisgebühr habe sie abgeschreckt. Lag das Haushaltseinkommen über 3000 Euro, so gaben nur gute acht Prozent diesen Grund für einen unterlassenen Arztbesuch an. "Hier liegt eine Schwäche der Reform", erklärte Ahrens, "es darf nicht sein, dass Teile der Versichertengemeinschaft nicht mehr adäquat an der gesundheitlichen Versorgung teilnehmen". Unklar blieb bei der Befragung allerdings, welche Krankheit jeweils vorgelegen hat, d.h. ob es sich um eine Bagatelle oder eine ernsthafte Erkrankung handelte.

Das Bundesgesundheitsministerium wies die Behauptung, das Reformgesetz weise hier eine "Schwäche" auf, zurück: Ahrens wisse selbst genau, dass die Gesundheitsreform sozial verträglich ausgestaltet sei. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass Versicherte notwendige Arztbesuche unterlassen, hieß es aus dem Ministerium. Die AOK solle besser von der Möglichkeit Gebrauch machen, Hausarztmodelle anzubieten. Diese könnten den teilweisen oder völligen Erlass der Praxisgebühr vorsehen. "Panikmache und das Verbreiten schlechter Stimmung" seien hingegen keine tauglichen Mittel, so ein Ministeriumssprecher.

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