Praxisgebühr

Ärzte ermuntern Politik zur Abschaffung

Berlin - 12.12.2011, 16:41 Uhr


Die Praxisgebühr ist wieder in aller Munde. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), hatte kürzlich erklärt, Schwarz-Gelb sollte sich das Thema noch in dieser Legislatur vornehmen. Das Bundesgesundheitsministerium zeigt sich zwar zurückhaltend, doch die Ärzteverbände machen deutlich, dass sie hier dringenden Handlungsbedarf sehen.

In ihrem Koalitionsvertrag von 2009 hatten Union und FDP sich bekanntlich einiges vorgenommen – auch gesundheitspolitisch. Darin stand zum Beispiel, man werde Pick-up-Stellen für Arzneimittel verbieten. Aber auch für Ärzte gab es Versprechungen: „Wir wollen die Zahlung der Praxisgebühr in ein unbürokratisches Erhebungsverfahren überführen“, heißt es im Vertrag. Lange war es still um dieses Vorhaben – plötzlich ist unter anderem von einer auf fünf Euro reduzierten Gebühr die Rede. Einigkeit besteht offenbar in einem Punkt: Das eigentliche Ziel der Praxisgebühr – eine Steuerung der Versicherten hin zu weniger Arztbesuchen – wurde verfehlt. Noch immer geistert die Statistik von durchschnittlich 18 Praxisbesuchen pro Kopf und Jahr umher.

Union und FDP scheinen sich jedoch nicht ganz einig, wie sie es erreichen können, dass Versicherte künftig zwei Mal darüber nachdenken, ob ein Arztbesuch wirklich notwendig ist. In der FDP setzt man auf mehr Eigenverantwortung – etwa durch mehr Transparenz bei den Behandlungskosten. So erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Heinz Lanfermann, dass gegen eine kleine, sozial abgefederte Selbstbeteiligung nichts einzuwenden sei – eine Gebühr pro Arztbesuch lehne er jedoch ab.

Der Patientenbeauftragte der Regierung, Wolfgang Zöller (CSU), kann auch die positiven Effekte der Praxisgebühr nicht ganz ausblenden – schließlich spült sie fast zwei Milliarden Euro ins System. „Ich würde sie gerne abschaffen, aber ich kenne bisher keinen praktikablen Vorschlag, der folgende Voraussetzungen erfüllt: Einnahmen sichern, Steuerungswirkung erreichen, Bürokratie abbauen und chronisch Kranke nicht überfordern“, so Zöller gegenüber der „Frankfurter Rundschau“ (Dienstagsausgabe). Er sei für einen Ersatz durch eine neue Form der Kostenbeteiligung. Hier seien kreative Experten gefordert. Möglicherweise sei eine Regelung im Rahmen des geplanten Patientenrechtegesetz im kommenden Jahr machbar.

Im BMG ist man derzeit auf andere Themen gepolt als auf die Praxisgebühr. Angesichts der Vorgaben im Koalitionsvertrag sieht man dort den Ball ohnehin bei den Fraktionen liegen.

Deutlich machten ihre Position heute allerdings die unterschiedlichen Ärzteverbände. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, betonte, dass die Praxisgebühr keine der an sie gerichteten Erwartungen erfüllt, dafür für jede Menge Bürokratie in den Arztpraxen gesorgt habe. „Sie muss abgeschafft werden“, so sein Fazit. Auch von einer Fünf-Euro-Gebühr hält Montgomery nichts: „Wenn die Politik die Eigenverantwortung stärken will, sollte sie nicht bei den behandlungsbedürftigen Patienten, sondern bei den Versicherten ansetzen, etwa über eine Ausweitung von Wahltarifen“. Auch Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, sieht in der fünf Euro-Variante keine Verbesserung.  Dies sei „das falsche Rezept für das Problem der häufigen Arztbesuche  in Deutschland“.

KBV-Vorstandschef Andreas Köhler erklärte, eine Änderung der jetzigen Regelung zu unterstützen. Eine geringe Zuzahlung je Arztbesuch könne sinnvoll sein. Sie müsse aber sozial abgefedert sein, damit notwendige Arztbesuche nicht verhindert werden. Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Klaus Reinhardt, appellierte auf die Koalition: „An dieser Stelle kann die Politik unter Beweis stellen, dass sie in der Lage ist, seit langem erkennbaren Unsinn auch unverzüglich zu beenden“. Und auch der NAV-Virchowbund sieht es nicht anders: „Das Bürokratiemonster Praxisgebühr gehört abgeschafft“, forderte der Bundesvorsitzende des Verbandes, Dirk Heinrich.


Kirsten Sucker-Sket