Hessischer Wirtschaftsminister bei der ANZAG Rhiel: Sicherheit der Arzneiversorg

Frankfurt/Main (anz/az). Der hessische Wirtschaftsminister Dr. Alois Rhiel kritisierte bei einem Besuch der Pharmagroßhandlung ANZAG in Frankfurt/Main am 6. Juni die Pläne der Bundesregierung als wettbewerbsfeindliche Überregulierung, die das angestrebte Ziel der Kostenreduzierung verfehlen müsse. "Das hat mit Wettbewerb nichts mehr zu tun", sagte der Hessische Wirtschaftsminister, "das ist wie in der zentralen Planwirtschaft!"

Auch die geplante Positivliste lehnt Rhiel "als völlig falsches Anreizsystem" ab. "Wo sollen wir in Zukunft forschen, wenn nur bestimmte Arzneimittel von Ärzten verschrieben und von den Krankenkassen erstattet werden?" Der Wirtschaftsminister fürchtet dadurch eine extreme Bevormundung der Verbraucher: Wolle der Patient ein anderes Medikament als in der Positivliste vorgeschlagen, müsse er es selbst bezahlen. Wie Prof. Dr. Hilko Meyer vom Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO) beim Treffen in Frankfurt erläuterte, sichert der Arzneimittelvertrieb über den vollsortierten, herstellerunabhängigen pharmazeutischen Großhandel und die öffentlichen Apotheken die bundesweite Verfügbarkeit sämtlicher, auch selten gebrauchter, innovativer Arzneimittel. Meyer fordert daher, dass der Versand von Arzneimitteln weiterhin verboten bleiben muss.

Versandhandel gefährdet die Arzneimittelsicherheit

"Wir liefern Arzneimittel innerhalb von zwei Stunden – flächendeckend in ganz Deutschland", sagte Bernd Roos, ANZAG Vorstand Handel & Services. "Per Versand gelangt das Medikament – wenn überhaupt – erst nach drei bis vier Tagen zum Patienten", so Roos. Meyer bekundete seine Bedenken gegenüber der geplanten Aufhebung des Versandhandelsverbots für apothekenpflichtige Arzneimittel: "Wenn in Zukunft von überall her Arzneimittel verschickt werden können, sehe ich die Arzneimittelsicherheit und den Verbraucherschutz ernsthaft gefährdet", sagte Meyer.

Die ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände) schlägt dagegen die Entwicklung eines Hausapothekensystems vor. Über einen Home-Service könnte die Apotheke dem Endverbraucher direkt die notwendigen Arzneien nach Hause liefern.

Mehrbesitz bedeutet auch das Zulassen von Fremdbesitz

Außerdem sieht die Bundesregierung bekanntlich die Abschaffung des Mehrbesitzverbotes für öffentliche Apotheken vor. Bisher ist dem Apotheker nicht erlaubt, mehr als eine Apotheke zu führen. Das will Ulla Schmidt ändern: im Rohentwurf hieß es noch, der Apotheker dürfe bis zu fünf Apotheken besitzen.

Im zweiten Entwurf ist von einer Begrenzung schon keine Rede mehr. "Damit ist der erste Schritt getan, dass internationale Konzerne Zugriff auf die Apotheken bekommen", machte Meyer deutlich. Manfred Renner, Aufsichtsratsvorsitzender der ANZAG, sieht dadurch die Selbstständigkeit und Individualität der Apotheke in Gefahr. "Dann werden pharmazeutische Großhändler in Deutschland damit beginnen, Apotheken zu kaufen und Ketten zu bilden", so Renner. Auch die geplante "4. Hürde für die Arzneimittelzulassung" wurde kritisch gesehen: dabei wird von der Regierung in Erwägung gezogen, ein systematisches Verfahren zur Nutzen-Kosten-Bewertung zu etablieren, um festzustellen, welchen tatsächlichen Nutzen ein neues Arzneimittel hat.

Rabatte als Wettbewerbsinstrument

Bereits mit dem zum 1. Januar 2003 in Kraft getretenen BSSichG versucht die Bundesregierung Geld in die leeren Kassen zu pumpen, indem sie die Rabatte des Pharmagroßhandels an die Apotheken über so genannte Zwangsrabatte "abschöpft". So soll der pharmazeutische Großhandel über diesen Zwangsabschlag einen Sparbeitrag von 600 Mio. Euro leisten.

Offensichtlich übersehen habe die Gesundheitsministerin dabei die Tatsache, dass die Gewinne des Pharmagroßhandels gar nicht ausreichten, um die geforderten zusätzlichen Rabatte zu zahlen. Dem Großhandel bleibe also nichts anderes übrig, so die Großhandelsvertreter, als einen überwiegenden Teil dieser Zwangsabschläge an die Apotheken weiterzureichen (bis zu 80 %). Leidtragende seien letztendlich aber die Verbraucher und Patienten, wenn die Apothekenleistungen zurückgefahren würden.

Nach neuesten Informationen plant das Gesundheitsministerium eine weitere Kappung der Großhandelsspannen bis hin zur völligen Abschöpfung der Rabatte. Das wäre auch wettbewerbsrechtlich bedenklich, machte Renner deutlich: "Das würde den Rabattwettbewerb im Pharmagroßhandel quasi ausschalten", sagte Renner. Die vom PHAGRO vorgeschlagenen alternativen Einsparmaßnahmen zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung blieben bisher ungehört.

Renner hofft indes auf die Opposition, die schon deutlich gemacht hat, dass sie die Vorschläge der Bundesregierung zur Gesundheitsreform ablehnen will. Auch der bei dem Treffen in Frankfurt anwesende Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Frankfurt Nord-West, Ulrich Caspar (CDU), ist überzeugt, dass man die Probleme im Gesundheitswesen nur lösen kann, wenn man mehr Wettbewerb zulässt.

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