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Infektionskrankheiten: Neue Strategien gegen Mikroben

In einer Vortragsveranstaltung der DPhG am 6. Mai in Würzburg sprach Prof. Dr. Jörg Hacker, Institut für Molekulare Infektionsbiologie der Universität Würzburg, über das Thema: Was macht Mikroben zu Krankheitserregern Ų Neue Aspekte der Infektionsforschung.

Infektionskrankheiten sterben nicht aus

"Time has come to close the book of infectious diseases". Dieses Statement des Leiters der US-Gesundheitsbehörde von 1967 nahm der Vortragende zum Anlass, die aktuelle Datenlage bei Infektionskrankheiten neu zu bewerten.

Anhand von Berichten über die Viruserkrankung SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome) führte er aus, dass Infektionskrankheiten auch in neuerer Zeit eine ernstzunehmende Bedrohung der Gesundheit darstellen und nach wie vor weltweit mit insgesamt ca. 17 Mio. Todesfällen pro Jahr die Haupttodesursache darstellen.

Infektionserreger sind tierische Parasiten, Pilze, Bakterien, Viren und auch Prionen, die als Auslöser der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung verantwortlich zeichnen. Allein seit 1976 wurden über 30 neue Erreger von Infektionskrankheiten entdeckt, wie z.B. das Ebola-Virus (1976), der Erreger der Borreliose (Borrelia burgdorferi; 1982), aber auch das Human Immunodeficiency Virus (HIV; 1983), der Erreger von AIDS.

In diesem Zeitraum wurden auch die Prionen als Auslöser degenerativer Enzephalopathien erkannt, und vor wenigen Wochen konnten Corona-Viren als Verursacher des schweren Atemwegssyndroms (SARS) identifiziert werden.

Das "Waffenarsenal" von Mikroben ist vielfältig. Während Bakterien-Toxine zu einer Zerstörung der umliegenden Gewebe führen, dienen die Adhäsine (Adhäsionsmoleküle) zur Anheftung der Mikroben an Epithelzellen, was eine Kolonisierung und Bildung von Biofilmen erleichtert.

Die Bildung von Staphylokokken-Biofilmen auf Harnwegs-Kathetern zeigte der Vortragende mit eindrucksvollen elektronenmikroskopischen Aufnahmen. Staphylokokken führen als Bestandteil der normalen Hautflora besonders häufig zu Wundinfektionen oder Sepsis und sind gegen viele Antibiotika resistent.

Zunehmende Resistenzen

Die Wirkmechanismen, mit denen Antibiotika Bakterien angreifen, betreffen

  • den Aufbau der Zellwand,
  • die Proteinbiosynthese,
  • die DNA-Replikation sowie
  • die RNA-Synthese.

Als genetische Ursache der Resistenz kommen sowohl der Gentransfer durch Plasmid-DNA als auch Punktmutationen in Frage. Diese bewirken eine Veränderung der Zielstrukturen, d.h. Abweichungen in der Protein- bzw. DNA-Struktur der Bakterien, die zum Wirkungsverlust der Medikamente führen. Ebenso verhindert der Abbau von Antibiotika und eine (verstärkte) Expression von membranständigen Efflux-Pumpen die Akkumulation der Wirksubstanzen in der Bakterienzelle.

Während Penicillin G im Jahre 1995 gegen Staphylococcus aureus in 80% der Fälle wirkungslos war, stellt sich die Resistenzsituation für die moderneren Chemotherapeutika aus der Klasse der Chinolone (Ciprofloxacin, Ofloxacin) und der Aminoglykoside (Erythromycin, Amikacin) noch wesentlich besser dar (ca. 10 – 20%). Aber auch bei dem Reserveantibiotikum Vancomycin finden sich mittlerweile resistente Keime, darunter leider auch Enterokokken und Staphylokokken.

Wirt gegen Pathogen

Die Auseinandersetzung zwischen Pathogen und Wirtszelle wird bestimmt durch

  • Virulenz, Resistenz und Flexibilität der Mikroben,
  • die angeborene bzw. erworbene Immunität des Wirtes sowie
  • eine entsprechende Disposition der Wirtszelle, die auf einer bestimmten Rezeptorstruktur basieren kann.

Besonders gute Chancen haben Mikroben bei immunsupprimierten Patienten, z. B. aufgrund einer Chemotherapie, Organtransplantation oder des fortgeschrittenen Lebensalters. Dagegen findet man als Ursache für eine Resistenz des Wirtes gegen das Pathogen häufig veränderte Rezeptorstrukturen, die ein Anheften der Erreger an die Wirtszelle unmöglich machen. Beispiele hierfür sind Veränderungen des Komplement-Rezeptors CR1 oder des CCR5-Chemokin-Rezeptors, die vor Tuberkulose bzw. AIDS schützen.

Targets für innovative Antibiotika

Neue geno- und phänotypische Methoden der Diagnostik erleichtern das Auffinden von neuen Targets für innovative Antibiotika. Neben Hemmstoffen der Zellwandsynthese und des Protein- sowie DNA/RNA-Metabolismus ist auch der Import von lebensnotwendigen Stoffwechselprodukten, wie z. B. Eisen, ein potenzielles Target für neue Antibiotika. Auch Regulatormoleküle sowie Virulenzfaktoren stellen attraktive Angriffspunkte für innovative Behandlungsmethoden dar.

Ein weiterer Ansatz zur Bekämpfung der Mikroben ist die Entwicklung neuer hochwirksamer Impfstoffe, wie z. B. Glykokonjugate zur Prophylaxe gegen Haemophilus influenzae, Lebendimpfstoffe gegen Vibrio cholerae oder DNA-Vakzinen gegen Plasmodium falciparum. Aber auch Wirt-basierte Ansätze wie verbesserte diagnostische Methoden, die Substitution von Cytokinen und Antikörpern oder die Gentherapie erscheinen vielversprechend.

Verantwortungsvolles Verhalten schützt

Als besonders wichtige Aspekte bei der Verbreitung von Krankheitserregern nannte Hacker menschliches Verhalten und sozioökonomische Faktoren. Dazu zählen die verstärkte Reisetätigkeit, das Sexualverhalten, der Umgang mit Nahrungsmitteln, die Wasser- bzw. Abwasser-Aufbereitung sowie das Halten von Haustieren.

Dem gemäß kann verantwortungsvolles Verhalten vor Infektionskrankheiten schützen. Hierzu zählen der Verzicht auf ungeschützten Geschlechtsverkehr, die prophylaktische Einnahme von Arzneimitteln vor Reisen, Impfauffrischungen sowie der verantwortliche Umgang mit Antibiotika und eine offene Informationspolitik.

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