Arzneimittel und Therapie

Ein einfaches Rezept gegen persistente Erreger

Persistente Erreger stellen bei zahlreichen Infektionskrankheiten ein erhebliches Problem dar. Im Gegensatz zu Mikroorganismen reduzieren Persister ihre Stoffwechselaktivitäten auf ein Minimum und sind damit einer Antibiotika-Therapie nicht zugängig, die zumeist ausschließlich gegen sich vermehrende Erreger wirksam ist. Wie US-amerikanische Wissenschaftler im Tierversuch jetzt zeigten, lassen sich diese Dauerformen durch die zusätzliche Gabe von einfachen Metaboliten, die den Stoffwechsel aktivieren, unschädlich machen.

Durch eine Mutation oder ein zusätzliches Gen können Bakterien Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln. Resistente Bakterien stellen gerade im Krankenhausbereich als Erreger nosokomialer Infektionen ein zunehmendes Problem dar. Die meisten antibiotisch wirksamen Substanzen hemmen sich vermehrende Zellen wie die β-Lactam-Antibiotika, die die Zellwandsynthese blockieren, oder die Makrolid-Antibiotika, die als Translationshemmer bei der Proteinsynthese wirken.

Persistente Erreger hingegen zeigen keine genetische Veränderung, sie widerstehen dem Angriff von Antibiotika, indem sie ihren Stoffwechsel so weit herunterfahren, dass sie sich weder teilen noch wachsen. So können sie in bestimmten Rückzugsräumen im Körper des Wirts selbst nach Ausheilen einer Infektionskrankheit überleben. Eine derartige latente Infektion kann bei bakteriellen Infektionen mit Salmonellen oder der durch Mycobacterium tuberculosis verursachten abgekapselten Tuberkulose vorliegen.

Glucose und Co. lassen Aminoglykoside wirken

Einen neuen möglichen Therapieansatz haben jetzt US-amerikanische Wissenschaftler untersucht. Um den Stoffwechselumsatz zu erhöhen, setzten sie Kolonien von persistenten Escherichia-coli-Bakterien (gramnegativ) zusätzlich zum Aminoglykosid-Antibiotikum Gentamicin einfache Metaboliten wie Glucose, Fructose oder Mannitol zu. Aminoglykosid-Antibiotika lagern sich an die 30S-Ribosomen an, wobei aber die Proteinbiosynthese noch ablaufen kann. Es entstehen allerdings nichtfunktionsfähige Eiweiße, die sogar den Aufbau der Zellwand behindern. Während die mit einem Zuckerzusatz kultivierten persistenten Bakterien innerhalb von zwei Stunden nahezu vollständig eliminiert wurden, überlebten sie bei bloßer Applikation des Antibiotikums.

Kein Erfolg bei anderen Wirkstoffklassen

Erfolgreich war dieser Ansatz auch gegen den gefürchteten Erreger nosokomialer Infektionen Staphylococcus aureus (grampositiv) und somit sowohl gegen grampositive als auch gramnegative Bakterien. Darüber hinaus wurden ebenfalls Biofilme der beiden Arten wirksam eliminiert. In einem Tierversuch konnte weiterhin eine Verbesserung der Therapie von chronischen Harnwegsinfektionen bei Mäusen nachgewiesen werden. Die Ergebnisse waren allerdings spezifisch für die Applikation von Aminoglykosid-Antibiotika, für andere Wirkstoffklassen konnten entsprechende Resultate nicht erhalten werden.

Perspektive für chronisch-rezidivierende Infektionen?

Die Wissenschaftler vermuten eine durch die zusätzliche Gabe der Metaboliten bedingte Stimulierung des bakteriellen Stoffwechsels, die lediglich zu einer verstärkten Aufnahme der Antibiotika führt, nicht aber das Wachstum oder die Vermehrung fördert. In weiteren Studien soll jetzt geprüft werden, ob Patienten mit chronischen oder immer wiederkehrenden Infektionen, beispielsweise des Urogenitalsystems, mit diesem Therapieansatz geholfen werden kann. Auch eine effektivere Therapie der Tuberkulose ist möglicherweise auf diese Weise zu erzielen.


Quelle

Allison, K.R.; et al.: Metabolite-enabled eradication of bacterial persisters by aminoglycosides. Nature 2011; 473(7346): 216 – 220.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 20, S. 49

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