Arzneimittel und Therapie

ADHS / ADS: Eine Alternative zu Methylphenidat

Mit Atomoxetin wird voraussichtlich in ein bis zwei Jahren eine Alternative zu Methylphenidat bei der Therapie des hyperkinetischen Syndroms zur Verfügung stehen. Atomoxetin ist ein selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer, der im Kindes- und Erwachsenenalter eingesetzt werden kann. Die bislang vorliegenden Daten sprechen für eine gute Langzeitverträglichkeit und Sicherheit.

Atomoxetin ist ein potenter Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer. Er verstärkt die Noradrenalin- und Dopamin-Wirkung in der prefrontalen Cortex, nicht aber im Striatum oder im Nucleus accumbens. Atomoxetin verbessert die Aufmerksamkeit und reguliert die Impulskontrolle, weist aber keine motorischen Effekte auf; des Weiteren ist mit keinem Suchtverhalten zu rechnen.

Atomoxetin (Strattera™) ist seit Jahresbeginn in den USA für die Therapie der ADS/ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zugelassen. Die Markteinführung in Deutschland ist für 2005 vorgesehen. Der Zulassung in den USA gingen zahlreiche Studien mit rund 4000 Kindern und Heranwachsenden und rund 1000 Erwachsenen voraus.

Neben primären Studienendpunkten wie dem Einfluss von Atomoxetin auf die ADHS Rating Scale (spezielle Bewertungsskala) wurden auch andere Parameter wie die optimale Dosis, die Dosisintervalle, Metabolisierung und Nebenwirkungen sowie Studien zur Lebensqualität und Langzeitanwendung durchgeführt. Vergleichsstudien mit Methylphenidat sind geplant bzw. in Vorbereitung.

Einnahme einmal täglich

Die Reponse erfolgt innerhalb der ersten Therapiewoche; der gewünschte maximale Effekt tritt nach ein bis zwei Behandlungswochen ein. Obwohl die Halbwertszeit von Atomoxetin nur vier bis fünf Stunden beträgt, ist eine einmal tägliche Gabe ausreichend (1,2 mg/kg/Tag bzw. 1,8 mg/kg/Tag); d.h. der therapeutische Effekt hängt nicht linear mit den pharmakodynamischen Daten zusammen.

Der Metabolismus erfolgt über das Cytochrom P450 2D6 Isoenzym. Trotz Unterschiede in der Metabolisierung (extensive oder poor metabolizers) spielt dies in der Praxis keine relevante Rolle.

Atomoxetin kann mit Methylphenidat kombiniert werden, wobei aber kein additiver Effekt zu erwarten ist. Die gleichzeitige Gabe mit Fluoxetin ist ebenfalls möglich. Die gemeinsame Einnahme mit MAO-Hemmern ist kontraindiziert. Die Coadministration mit intravenös appliziertem Salbutamol führt zu einer erhöhten Herzrate und Blutdruckanstieg, wohingegen inhalativ gegebenes Salbutamol unproblematisch mit Atomoxetin verabreicht werden kann.

Langzeitdaten zur Sicherheit

Anhand von Literaturrecherchen wurden 13 Studien gefunden, die sich mit der Sicherheit bei der Langzeitanwendung von Atomoxetin bei Kindern, Heranwachsenden und Erwachsenen befassen. Insgesamt lagen Daten für knapp 3000 Studienteilnehmer vor, die das Medikament teilweise länger als 78 Wochen eingenommen hatten.

Unter der Langzeittherapie mit Atomoxetin wurden weder hohe Abbruchraten (4% aufgrund der Nebenwirkungen) noch Organtoxizitäten oder Todesfälle beobachtet. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen, die sich signifikant von der Plazebotherapie unterschieden, waren Abdominalschmerzen, Erbrechen, reduzierter Appetit, Schläfrigkeit, Pharyngitis und Schwindel.

Diese unerwünschten Wirkungen wurden als mild bis moderat eingestuft und traten vor allem zu Therapiebeginn auf. Atomoxetin führte ebenfalls zu einem geringfügigen Anstieg des kardiovaskulären Tonus; bei Kindern stieg die Herzschlagrate um 7 bpm (Schläge pro Minute), der diastolische Blutdruck um 2 mm Hg. Bei Erwachsenen stieg die Herzrate um 4 bpm und der systolische Blutdruck um 3,5 mm Hg.

Im Vergleich zur Plazebobehandlung führte die Therapie mit Atomoxetin im Erwachsenenalter häufiger zu Mundtrockenheit, Insomnie, Übelkeit, Appetitabnahme, Verstopfung, Schwitzen und Libidostörungen. Atomoxetin hatte keinen Einfluss auf das QT-Intervall. Obwohl die Einnahme von Atomoxetin initial zu einem Gewichtsverlust führen kann, hat dieser Effekt keine Langzeitfolgen; das heißt, Gewicht und Längenwachstum entwickeln sich normal.

Studien zur Lebensqualität

ADHS beeinträchtigt die Lebensqualität des Betroffenen und seines Umfelds. Dies betrifft zum einen die engeren Krankheitssymptome wie Hyperaktivität, Impulsivität oder Aufmerksamkeitsstörungen, aber auch reduzierte soziale Funktionen, psychiatrische Comorbiditäten (z. B. Depressionen, Bettnässen, Tics, Angsterkrankungen) und schulische bzw. berufliche Beeinträchtigungen. In mehren Studien konnte nun gezeigt werden, dass unter einer Therapie mit Atomoxetin vor allem die psychosozialen Funktionen verbessert werden.

Quelle

Prof. Dr. Dr. Ralf Dittmann, Bad Homburg; Prof. Dr. Jeffrey Newcorn, New York; Prof. Dr. César Soutullo, Pamplona; Dr. Pal Zeiner, Oslo: Internationales Satellitensymposium "Atomoxetin: Eine neue Alternative zur Behandlung von ADS/ADHS", Wien, 3. April 2003, veranstaltet von der Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg.

Mit Atomoxetin wird voraussichtlich in ein bis zwei Jahren eine Alternative zu Methylphenidat bei der Therapie des hyperkinetischen Syndroms zur Verfügung stehen. Atomoxetin ist ein selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer, der im Kindes- und Erwachsenenalter eingesetzt werden kann. Die bislang vorliegenden Daten sprechen für eine gute Langzeitverträglichkeit und Sicherheit.

Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS/ADS)

Definition:

Eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS/ADS) liegt vor, wenn unaufmerksames und impulsives Verhalten mit oder ohne deutliche Hyperaktivität ausgeprägt sind, nicht dem Alter und Entwicklungsstand entsprechen und zu Störungen in den sozialen Bezugssystemen, der Wahrnehmung und im Leistungsbereich von Schule und Beruf führen.

Häufigkeit:

Die Prävalenzraten hängen von den zu Grunde gelegten Diagnosekriterien (DSM-IV, ICD-10, DSM-IV-Vorläufer), Alter, Erhebungsmethode und befragtem Personenkreis (Lehrer, Eltern) ab. Aus international an der allgemeinen Bevölkerung erhobenen Daten ergibt sich eine Häufigkeit von 9,2% (5,8 bis 13,6%) für Jungen und 2,9% (1,9 bis 4,5%) für Mädchen.

Neuere deutsche Erhebungen fanden bei 6 bis 10 Jahre alten Kindern in 6% ein ADHS (nach DSM-IV). Frühere deutsche Studien zeigten eine Jungen/Mädchen-Relation zwischen 2:1 beim vorherrschend unaufmerksamen Subtyp und 5:1 beim hyperaktiv-impulsiven Subtyp.

Pathogenese:

Bei ADHS wird eine fehlerhafte Informationsverarbeitung zwischen Frontalhirn und Basalganglien infolge von Störungen im Neurotransmitter-Stoffwechsel (vor allem Dopamin) angenommen. Neurophysiologisch führt dies über eine mangelnde Hemmung von Impulsen zu ungenügender Selbstregulation. Es besteht eine genetische Disposition.

Verlauf:

Die Symptome treten vom Säuglings- bis ins Erwachsenenalter auf und zeigen eine lebensalter- und geschlechtstypische Symptomausprägung. Bei männlichen Jugendlichen nimmt die hyperaktive Symptomatik ab, Aufmerksamkeitsstörung und Impulsivität bleiben bis ins Erwachsenenalter bestehen. Bei weiblichen Patienten überwiegt in allen Altersstufen die Aufmerksamkeitsstörung.

[Nach der Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft für ADHS der Kinder- und Jugendärzte e.V.].

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