Gesundheitsreform: In der Reformküche brodelt es

Berlin (ks) Der Streit um die Reformen im Gesundheitswesen nimmt kein Ende. Längst herrscht auch hier die unerwünschte "Kakophonie". Das Bundesgesundheitsministerium wird es nicht leicht haben, bis zum Mai einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, der von einer breiten Mehrheit getragen wird. Vergangene Woche musste sich Bundeskanzler Gerhard Schröder mächtig über die Rürup-Kommission ärgern. Grund: Die immer wieder in die Öffentlichkeit durchsickernden Reformideen von Mitgliedern der Kommission.

Zunächst sah sich Schröder gezwungen, wiederholt zu beteuern, die Regierung plane nicht, die privaten Krankenversicherungen aufzulösen. Kommissionsmitglied Karl Lauterbach hatte den Vorschlag auf den Tisch gebracht, den Privaten künftig nur noch das Geschäft mit Zusatzpolicen zu überlassen. An sich keine neue Forderung des Kölner Gesundheitsökonomen, aber offenbar zu einem ungünstigen Zeitpunkt erneut lanciert. Schon in den Wochen zuvor wurde immer wieder deutlich, dass die Kommissionsmitglieder äußerst unterschiedliche Konzepte verfolgen. Dass dies nicht intern gehalten werden konnte, wurde Schröder nun zuviel.

Wie Teilnehmer einer SPD-Vorstandssitzung bestätigten, soll der Kanzler am 24. März sinngemäß gesagt haben: "Wenn das nicht zu stoppen ist, wird die Kommission aufgelöst". Dem Vernehmen nach sei dies allerdings nicht allzu wörtlich gemeint gewesen oder verstanden worden. Auch SPD-Fraktionschef Franz Müntefering soll sich ähnlich geäußert haben. Seinen Unmut wiederholte Müntefering einem Interview mit dem Handelsblatt (Ausgabe vom 27. März). Dort erklärte er, dass in der Rürup-Kommission "einige zu viel quatschen". Die Kommission habe die Aufgabe, internen Rat zu geben und ein Konzept vorzuschlagen. Täglich neue Teilvorschläge hälfen dabei nicht, so der SPD-Fraktionschef.

Ein Telefonat der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt mit dem Kommissionsvorsitzenden Bert Rürup soll mittlerweile die ärgsten Wogen geglättet haben. Rürup habe zugesichert, dass es bis zur Vorlage des Abschlussberichts keine Störungen mehr geben soll, teilte das Ministerium mit.

Gewerkschaften erzürnt über Arbeitgebervorschläge

Daneben befinden sich auch Arbeitgeber und Gewerkschaften im Clinch über die Reformen der Sozialversicherungen. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt erklärte am 27. März, dass die vorgelegten Reformvorschläge seitens der Regierung und der CSU zwar in die richtige Richtung gingen, aber noch nicht das von den Arbeitgebern erwünschte Ausmaß erreichten. Es fehle noch eine Strategie, wie die Lohnnebenkosten auf unter 40 Prozent gedrückt werden könnten. Für die Reformen im Gesundheitswesen - wo Hundt einen paritätisch finanzierten Beitrag von 12 Prozent anstrebt - schlägt er vor, neben dem Krankengeld und versicherungsfremden Leistungen auch private Unfälle und Zahnersatz aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung herauszunehmen. Zudem sollten Zins- und Mieteinnahmen beitragspflichtig werden und die kostenlose Mitversicherung des Ehepartners durch Pauschal- oder Mindestbeiträge ersetzt werden. Gewerkschaftsvertreter reagierten entsetzt über Hundts Vorschläge. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Michael Sommer erklärte, die Forderungen nach tiefgreifenden sozialen Leistungskürzungen seien "eine bodenlose Unverschämtheit". Die Arbeitgeber offenbarten einen "Horrorkatalog sozialer Grausamkeiten". Hubertus Schmoldt, der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE) warf den Arbeitgebern vor, "jedes Maß verloren" zu haben. Schon die Vorschläge des bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber seien eine Zumutung erster Güte gewesen. "Das, was jetzt Herr Präsident Hundt für die Arbeitgeberverbände auf den Tisch gelegt hat, ist der Gipfel an Unverfrorenheit", so Schmoldt. Die Arbeitgeber seien dabei, sich aus der gemeinsamen Verantwortung für die soziale Marktwirtschaft und die sozialen Sicherungssysteme zu verabschieden.

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