Kommentar

Zukunft der Sozialversicherungssysteme: Rürup-Kommission nimmt ihre Arbeit auf

Berlin (ks). Die neue "Kommission zur nachhaltigen Finanzierung der Sozialversicherungssysteme" ist komplett. Unter der Leitung des Finanzwissenschaftlers und "Wirtschaftsweisen" Prof. Dr. Bert Rürup soll das 26-köpfige Gremium nach dem Vorbild der Hartz-Kommission bis zum Herbst 2003 Vorschläge erarbeiten, wie die gesetzliche Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung zukunftsfest gemacht werden können. Sozialministerin Ulla Schmidt stellte die Liste der Kommissionsmitglieder gemeinsam mit Rürup am 21. November in Berlin vor.

Vertreter aus dem Gesundheitswesen sind rar in dem Gremium – vor allem Wirtschafts- und Politikwissenschaftler, Unternehmensberater, Arbeitgebervertreter und Gewerkschafter sind beauftragt, der Regierung Vorschläge zu unterbreiten. Bei den acht Frauen und 18 Männern handle es sich um eine "gute Mischung" aus Wissenschaftlern und Praktikern, sagte Schmidt – sie sei zwar "nicht explosiv", wohl aber "kreativ". Vertreter der Ärzteverbände, der Apotheker, Krankenhäuser oder der Pharmaindustrie finden sich nicht unter den Kommissionsmitgliedern. Für die Krankenkassen ist Dr. Helmut Platzer, Vorstandsvorsitzender der AOK Bayern, mit dabei. Ebenso der BMW-Betriebsrat Manfred Schoch, der zugleich Mitglied des Verwaltungsrats des BKK-Bundesverbands ist.

Auch Mediziner sind dünn gesät: Der eher von Krankenkassen und Gewerkschaften als von Ärzten geschätzte Kölner Gesundheitsökonom Prof. Dr. Karl Lauterbach aus dem Sachverständigenrat ist mit von der Partie, ebenso der stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Ethikrats Prof. Dr. Eckhard Nagel vom Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth. Das Ministerium ist durch den neuen Staatssekretär Heinrich Tiemann vertreten.

Von Gewerkschaftsseite sind die DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer und der Bundesvorsitzende der IG Bauen-Agrar-Umwelt Klaus Wiesehügel einberufen. Weitere Mitglieder sind etwa der Unternehmensberater Prof. Dr. h.c. Roland Berger, Jürgen Husmann von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sowie Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, Direktor des Instituts für Finanzwissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

Schmidt erwartet praktikable Lösungen

Rürup erklärte, er sei sich bewusst, dass die Gruppe für eine konstruktive Zusammenarbeit etwas zu groß geraten sei. Daher soll sie nach ihrer konstituierenden Sitzung am 13. Dezember nur sechs Mal gemeinsam zusammentreten, ehe sie in vier Untergruppen aufgeteilt wird: Jeweils eine Gruppe soll sich intensiv mit den Themen Gesundheit, Rente, Pflege beschäftigen. Eine vierte, so genannte Querschnittsgruppe, wird sich versicherungsfremden Leistungen, administrativen Fragen sowie der Umsetzung der Vorschläge annehmen.

Einen allgemeinen Konsens kann sich Rürup bei Fragen der Sozialversicherung nur schwerlich vorstellen. Doch Konflikte seien "nichts Schlimmes". In der Kommission gehe es vor allem darum, Probleme zu "antizipieren und rationalisieren". Der Wirtschaftsexperte zeigt sich guten Mutes, dass die Expertengruppe im Herbst nächsten Jahres nicht nur "konzeptionell Gehämmertes", sondern auch "Umsetzbares" wird präsentieren können. Auch Schmidt ist zuversichtlich. Sie erwartet von der Kommission "praktikable Vorschläge" und ist sich sicher, dass Rürup die unterschiedlichen Meinungen "konstruktiv zusammenführen" kann. Wenn die Kommission ihre Arbeit in einem knappen Jahr beendet hat, will die Regierung über die ihr vorgelegten Vorschläge entscheiden.

Kritik an der Besetzung

Unterdessen gab es auch kritische Stimmen zur Rürup-Kommission. So wertet der Erste Vorsitzende der Kassenärztliche Bundesvereinigung, Dr. Manfred Richter-Reichhelm, die Besetzung als "Affront gegen die Ärzte und andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen". Es sei ein "Skandal", dass sich in der Gruppe niemand finde, "der unser Gesundheitssystem aus der eigenen täglichen Praxis kennt". Auch die Union bemängelt, dass im Bereich Gesundheit überparteiliche Experten fehlten.

Die CDU-Gesundheitspolitiker Annette Widmann-Mauz und Andreas Storm kritisierten, dass man sich offenbar lediglich auf den "Hofexperten Lauterbach" verlasse. Selbst in den Reihen der Sozialdemokraten betrachtet manch einer die neue Kommission mit Skepsis. So will die Vize-Fraktionsvorsitzende Gudrun Schaich-Walch mit der SPD-Bundestagsfraktion eine eigene Expertengruppe für das Gesundheits- und Rentensystem einrichten.

Der Vorsitzende des Bundestags-Gesundheitsausschusses, Klaus Kirschner (SPD), hätte es lieber gesehen, wenn Rürup vor seiner Berufung zum Kommissionsvorsitzenden bei seinen inhaltlichen Vorstellungen mehr Zurückhaltung an den Tag gelegt hätte. Auch der DGB hat mittlerweile eine Expertengruppe zum Thema zusammengestellt. Ebenso will sich die Union mit einer Kommission rüsten. Für Schmidt kein Problem: Dass das Thema so breit diskutiert werde, zeige, dass sich alle vorbereiten wollen. Da die Regierung schließlich mit Strukturreformen beginnen wolle, bevor die Rürup-Kommission ihre Vorschläge unterbreitet, seien die weitere Expertengruppen durchaus sinnvoll.

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