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Gesundheitsreform: Schröder setzt auf Kooperationsbereitschaft der Union

BERLIN (ks). Nach den Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen ist klar: Die rot-grüne Bundesregierung muss bei den anstehenden Reformen - vor allem der sozialen Sicherungssysteme - verstärkt mit der Opposition zusammenarbeiten. Doch obwohl die Kooperationsbereitschaft auf beiden Seiten grundsätzlich vorhanden ist, besteht über die Reformen im Gesundheitswesen noch einiger Dissens.

Bundeskanzler Gerhard Schröder übernahm am 3. Februar die Verantwortung für die schlechten Wahlergebnisse der SPD in Niedersachsen und Hessen. Offenbar habe man den Bürgern nicht erklären können, warum angesichts der sich verändernden ökonomischen und demografischen Situation Reformen notwendig seien.

Das Ergebnis: Die Wähler haben den unionsgeführten Bundesländern nun eine noch bequemere Mehrheit im Bundesrat verschafft. Auch im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat, den bislang noch die SPD dominierte, herrscht nun ein Patt. Eine Zusammenarbeit mit der Union ist unablässig, sollen die notwendigen Reformen auf dem Arbeitsmarkt und in den sozialen Sicherungssystemen nicht stecken bleiben.

Die Richtung stimmt ...

Und so gab Schröder am 3. Februar die künftige Richtung der Regierung bekannt: "Deutschland erneuern. Gemeinsam" lautet der Titel des Beschlusses, den das SPD-Präsidium am Tag nach der Wahlniederlage fasste. Dabei bleiben die Genossen von ihrem bereits eingeschlagenen Kurs überzeugt: Die vor fünf Jahren mit dem grünen Koalitionspartner begonnene Politik der Erneuerung, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit müsse fortgesetzt werden, heißt es in ihrer Erklärung.

... doch es soll schneller gehen

Annäherungen an die Union sind im Präsidiumsbeschluss ebenfalls erkennbar, etwa in der Gesundheitspolitik, die ganz oben auf dem Reformfahrplan steht. Hier ist ein weitreichender Konsens unerlässlich, da viele Gesetze ohne Zustimmung der Länderkammer nicht durchsetzbar sind.

Und so werden auch die Pläne von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt korrigiert: Sie wollte ursprünglich zunächst die Ausgabenseite des Gesundheitssystems reformieren und die Einnahmenseite später im Jahr anpacken - nachdem die Rürup-Kommission die Ergebnisse ihrer Arbeit vorgelegt hat. Eine Vorgehensweise, die nicht jedem einsichtig ist.

Ex-Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) forderte eine sofortige gemeinsame Reform beider Teilbereiche. Und auch das Kanzleramt sprach sich schon zu Beginn des Jahres für eine "Verzahnung" der beiden Seiten aus. Nun heißt es im Präsidiumsbeschluss: "Angesichts der drängenden Probleme sollen die Entscheidungen über die künftige Struktur und die Finanzierung des Gesundheitswesens bis zum Sommer getroffen werden; die Gesetzgebung muss in diesem Jahr abgeschlossen werden".

Auch die Rürup-Kommission soll ihre Beratungen "zügig zu Ende" führen.

Nachdem die großen Parteien bereits auf eine 1992 gemeinsam beschlossene Gesundheitsreform zurück schauen können, hofft Schröder auch diesmal auf die Kooperation mit der Union: Die Spitzen der CDU/CSU hatten unmittelbar nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert. Man wolle der Regierung bei den anstehenden Reformen "Dampf machen", jedoch keine Blockadepolitik betreiben.

Schmidt fordert Reformvorschläge von der Union

Der Kanzler will potenziellen Blockadesituationen im Bundesrat am liebsten vorbeugen: Gespräche mit der Union sollten bereits beginnen, bevor der Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform ins Parlament komme, so Schröder. Auch Schmidt sieht die Zusammenarbeit zwischen Regierung und CDU/CSU als "Gebot der Stunde".

Gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Ausgabe vom 4. Februar) forderte sie die Union auf, ihre Eckpunkte zu einer Gesundheitsreform "möglichst schnell auf den Tisch zu legen". Dann könne man sehen, wo ein Konsens möglich sei und wo nicht. Prüfen werde man alle Forderungen, so die Ministerin. Wahltarife und höhere Selbstbeteiligungen, wie sie die Opposition vorschlägt, hätten ihre Grenze allerdings immer dort, "wo das solidarische System ausgehebelt werde".

Seehofer: Regierung ist vorleistungspflichtig

Trotz grundsätzlicher Gesprächsbereitschaft der Union, wird die Konsenssuche voraussichtlich nicht problemlos verlaufen: Denn die CDU/CSU sieht sich nicht im Zugzwang, Rot-Grün Vorschläge zu unterbreiten. Vielmehr sei die Regierung in der Vorleistungspflicht. Seehofer sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Ausgabe vom 4. Februar), es müsse zunächst ein "Gesetzentwurf aus einem Guss" vorgelegt werden.

Schmidt hatte ursprünglich geplant, die Eckpunkte der Reform in dieser Woche vorzustellen. Doch offenbar verzögert sich die Präsentation um einige Tage - am 6. Februar will sich die Ministerin zunächst mit Mitgliedern der Rürup-Kommission treffen, um darüber zu beraten, wie die Reformen von Ein- und Ausgabenseite miteinander verzahnt werden können.

Die bislang bekannten Reform-Eckpunkte der Ministerin reichen Seehofer nicht aus. In einigen Bereichen entsprächen sie zwar auch den Vorstellungen der Union - andere Punkte lehnt Seehofer jedoch klar ab, so z. B. das Institut für Qualität in der Medizin.

Sinnvolle Ansätze sieht der CSU-Gesundheitspolitiker im Strategiepapier aus dem Kanzleramt. Hier gebe es Vorschläge für die Schaffung von mehr Transparenz und Wahlfreiheit, die bei der Ministerin fehlten, so Seehofer gegenüber der SZ. Allerdings: Das Kanzleramtspapier enthält auch den Passus, dass der Vertrieb und die Preisbildung für Arzneimittel zu liberalisieren sei - ebenso müsse die Positivliste für Arzneimittel eingeführt werden. Hier ist also noch einiger Zündstoff vorhanden.

Nach den Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen ist klar: Die rot-grüne Bundesregierung muss bei den anstehenden Reformen verstärkt mit der Opposition zusammenarbeiten. Doch obwohl die Kooperationsbereitschaft auf beiden Seiten grundsätzlich vorhanden ist, besteht über die Reformen im Gesundheitswesen noch einiger Dissens.

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