Arzneimittel und Therapie

Morbus Alzheimer: Donepezil wird selten eingesetzt

Donepezil (Aricept®) wurde Anfang 2001 von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft als "First line"-Medikament bei Alzheimer-Erkrankung genannt. Inzwischen gilt für alle Acetylcholinesterase-Hemmer die gleiche Empfehlung.

Donepezil (Aricept®) ist kein "Zufallstreffer" der pharmazeutischen Forschung, sondern wurde per Molekülscreening speziell für den Einsatz bei der Alzheimer-Krankheit entwickelt. Ziel war die cholinerge Stimulation mittels Hemmung des physiologischen Abbaus des Neurotransmitters Acetylcholin durch das Enzym Acetylcholinesterase (ACE). Genau dieses Enzym wird von den modernen Alzheimer-Medikamenten gehemmt und so die Kommunikation zwischen den geschädigten cholinergen Nervenzellen verbessert. Inzwischen stehen drei Cholinesterase-Hemmer zur Verfügung: Donepezil (Aricept®), Rivastigmin (Exelon®) und Galantamin (Reminyl®), während das Tacrin (Cognex®) aufgrund häufiger Nebenwirkungen aus der täglichen Praxis verschwunden ist.

Wirkung auf viele Aspekte der Erkrankung

Anfangs hat man sich in der klinischen Forschung zu den ACE-Hemmern auf die Messung von Verbesserungen der Denkleistung und des Gedächtnisses konzentriert. Inzwischen ist man sich bewusst, dass für die Lebensqualität der Patienten und ihrer Angehörigen die Einflüsse der Medikation auf die Bewältigung der Anforderungen des Alltags mindestens ebenso wichtig sind wie die Erzielung kognitiver Verbesserungen. Gleiches gilt für problematische Verhaltensweisen wie Weglauftendenzen, nächtliche Unruhe und dergleichen, die oft das eigentliche Problem in der häuslichen Versorgung der Demenzpatienten darstellen. Auch Verbesserungen derartiger Symptome lassen sich mit den ACE-Hemmern erzielen, wie neueste Studien bestätigen.

Verbesserte Alltagskompetenz

In der so genannten NORDIC-Studie von Winblad et al. (siehe DAZ 51/52/2001 S. 40) konnte nachgewiesen werden, dass die Therapie mit Donepezil der Behandlung mit einem Plazebo in den Bereichen Kognition, unabhängiger klinischer Gesamteindruck und Alltagsaktivitäten überlegen war, und zwar über die Dauer von 12 Monaten. Die Belastung der Angehörigen verringerte sich deutlich. Im Durchschnitt war es etwa eine Stunde Pflege täglich, die durch eine Behandlung mit Donepezil eingespart wurde. Je schwerer die Pflegebedürftigkeit war, um so deutlicher trat dieser Effekt zutage.

In einer weiteren kontrollierten 1-Jahres-Studie konnte gezeigt werden, dass sich unter Donepezil die Zeit bis zum Eintreten eines klinisch relevanten Verlustes an Alltagskompetenz (gegenüber Plazebo) um 72% verlängern lässt.

Heimeinweisung der Betroffenen verzögert

Eine Konsequenz aus diesen Ergebnissen ist, dass eine kontinuierliche Therapie mit Donepezil ein längeres Verbleiben in der familiären Umgebung ermöglicht und dem Zusammenbruch der häuslichen Pflege vorbeugt. Die groß angelegte "Delay-To-Nursing-Home-Study" mit mehr als 1000 Alzheimer-Kranken konnte diesen Effekt nachweisen: Fast zwei Jahre im Durchschnitt konnte eine adäquate Therapie mit Donepezil die Heimeinweisung verzögern, im Vergleich zu solchen Patienten, die nicht oder nur kurzzeitig mit Donepezil behandelt wurden.

Inzwischen gibt es nun sieben publizierte plazebokontrollierte klinische Studien zu Donepezil. Obwohl sie nicht das Leben des Betroffenen zu verlängern vermag, hebt eine Donepezil-Therapie doch deutlich die Lebensqualität der Kranken und ihrer Angehörigen und verzögert den Zeitpunkt der Heimeinweisung. Auch in Hinsicht des ökonomischen Vorteils ist die Therapie mit Donepezil ein Gewinn: Medikamentenkosten von 128 Euro pro Monat stehen oft mehr als 2556 Euro für einen Pflegeheimplatz gegenüber.

Zukunft der Alzheimer-Behandlung

Eine kausale Therapie der Alzheimer-Demenz liegt noch in recht weiter Ferne. Dennoch sind gerade in den letzten Monaten und Jahren viel versprechende Forschungsergebnisse publiziert worden. Ein Ansatz beschäftigt sich mit der Impfung gegen Amyloide. Der Impfstoff AN-1792 soll diese Plaques im Gehirn zerstören und vor einer Neubildung schützen. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Hemmung der Sekretase. Dieses Enzym spaltet vom Amyloid-Vorläufer-Protein das b-Amyloid, den Grundbaustein der senilen Plaques, ab.

Eine Blockierung der β-Sekretase würde die Entstehung der Plaques verhindern. Die Hoffnung scheint berechtigt, dass in 8 bis 10 Jahren Therapien zur Verfügung stehen werden, die den Krankheitsverlauf entscheidend bremsen oder sogar stoppen werden. Solange allerdings die Alzheimer-Krankheit noch anhand bereits aufgetretener klinischer Symptome diagnostiziert wird, wird die Therapie der Zukunft aus der Kombination einer solchen kausalen Therapie mit einem symptomatisch wirksamen Cholinesterase-Hemmer wie Donepezil bestehen. Erst wenn es gelingt, die Alzheimer-Krankheit sicher präklinisch zu diagnostizieren und aufzuhalten, werden symptomatische Therapien obsolet sein.

Alzheimer und die Öffentlichkeit

In der Bundesrepublik Deutschland sind derzeit etwa eine Million Menschen von Alzheimer betroffen. Aufgrund der demographischen Entwicklung ist in den kommenden Jahrzehnten mit einem drastischen Anstieg der Krankheitszahlen zu rechnen. Trotzdem sind die Krankheitssymptome und die geschilderten Missstände in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Es gibt viel zu wenige Spezialeinrichtungen (sog. Gedächtnissprechstunden), die eine zeitgemäße und rasche Diagnostik anbieten. Der schwerwiegendste Faktor ist die zunehmende Pflegebedürftigkeit der Demenz-Kranken.

Patienten, die zu Hause versorgt werden, sind eine außerordentliche psychische, körperliche und auch finanzielle Belastung für die pflegenden Angehörigen. Die Erkrankten bedürfen häufig einer Pflege und Betreuung rund um die Uhr, auch wenn sie auf den ersten Blick noch recht gesund aussehen. Eisai und Pfizer haben es sich zur Aufgabe gemacht, diese Menschen in ihren Bemühungen zu unterstützen und die Alzheimer-Krankheit in Deutschland bekannter zu machen, mit Vorurteilen aufzuräumen und somit die Situation der Patienten und ihrer Angehörigen zu verbessern. Die von den Firmen mit diesem Ziel 1998 ins Leben gerufene "Alzheimer-Hilfe" (www.alois.de) bietet neben einer Vielzahl von Informationen und Unterlagen vor allem auch praktische Hilfe.

Kastentext: Unzureichender Einsatz der Acetylcholinesterase-Hemmer

Aufgrund der Budgetprobleme der Ärzte erhält nur ein Bruchteil der Alzheimer-Patienten moderne, gut wirksame Medikamente gegen die Demenz. In einer im Jahr 2000 durchgeführten Untersuchung bei 100 Ärzten zeigte sich, dass lediglich gut jeder zehnte Arzt bei einer klar diagnostizierten Alzheimer-Demenz in der Verordnung auf einen modernen, spezifisch für diese Krankheit zugelassenen Acetylcholinesterase-Hemmer zugreift. Fragt man die gleichen 100 Ärzte jedoch, welches Medikament sie bei der Erkrankung eines engen Angehörigen einsetzen würden, so schnellt dieser Wert auf 69%. Bei den Fachärzten sind es sogar 89%, die diese Frage mit einem Acetylcholinesterase-Hemmer beantworten. Bei kaum einem anderen Krankheitsbild lässt sich die Entwicklung zur Zweiklassenmedizin so drastisch nachvollziehen wie bei der Alzheimer-Demenz. Gesetzlich versicherte Patienten erhalten die modernen ACE-Hemmer bei der Diagnose Alzheimer nur zu ca. 18% (+12% relativ vs. Vorjahr), bei Privatversicherten steigt dieser Wert auf 35% (+41%) an.

Quelle: Dr. Frank M. Berger und Oliver Technow, Eisai GmbH (Frankfurt/M); Dr. Rainer Zerfaß, Pfizer GmbH (Karlsruhe), auf dem Pressegespräch "Aricept 2002 – Fakten und Visionen", Wiesbaden, 12. Dezember 2001, veranstaltet von der Eisai GmbH und Pfizer GmbH.

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