Arzneimittel und Therapie

Cholesterinsenkung: Statine für alle kardiovaskulären Risikopatienten?

Von Statinen profitieren nicht nur Patienten mit erhöhten Cholesterinwerten. Auch kardiovaskuläre Risikopatienten mit Lipidwerten im Normbereich können durch HMG-CoA-Reduktasehemmer vor Herzinfarkt und Schlaganfall geschützt werden. Dies gilt auch in der Sekundärprävention nach einer Revaskularisation. Heißt die Zukunft: Statine für alle?

Deutschland ist das Land der Ballondilatationen. Mit über 250 000 Eingriffen pro Jahr nimmt es eine Spitzenreiterposition ein. Die Achillesferse der meist erfolgreichen Intervention ist die hohe Rate an Restenosen. 30 bis 40 Prozent der Gefäße machen nach einer erfolgreichen Ballondilatation wieder dicht. Der Rezidivprophylaxe kommt daher ein enormer Stellenwert zu. Die LIPS(Lescol Intervention Prevention Study)-Studie konnte nun zeigen, dass der HMG-CoA-Reduktasehemmer Fluvastatin (Locol®) das Rezidivrisiko auch bei Patienten mit annähernd normalen Lipidwerten deutlich reduziert.

Fluvastatin reduziert die Wahrscheinlichkeit schwerer kardiovaskulärer Ereignisse

Die prospektive, randomisierte und kontrollierte Untersuchung prüfte den Effekt von Fluvastatin bei 1677 Patienten nach einer erfolgreichen perkutanen Koronarintervention (PCI). Der mittlere LDL-Cholesterinwert der Probanden lag gerade einmal bei 132 mg/dl. Innerhalb des Beobachtungszeitraums von drei bis vier Jahren reduzierte Fluvastatin die Wahrscheinlichkeit schwerer kardiovaskulärer Ereignisse wie kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Herzinfarkt, Bypass-Operation oder Herzkranzgefäß-Erweiterung (PTCA) im Vergleich zu Plazebo um 22 Prozent.

Hochrisikogruppen profitierten dabei in besonders hohem Maße: So lag die Risikoreduktion bei Patienten mit multiplen Gefäßschäden bei 34 Prozent, bei Diabetikern sogar bei 47 Prozent. Das LDL-Cholesterin fiel unter Verum auf unter 100 mg/dl ab, unter Plazebo stagnierte es zwischen 130 und 150 mg/dl.

Effekt unabhängig vom Cholesterinwert

Die LIPS-Studie ist längst nicht die einzige Untersuchung, die die Effizienz eines Statins unabhängig vom Cholesterinwert dokumentiert. Bereits die MIRACL-Studie mit Atorvastatin zeigte eine 18%ige Risikoreduktion bei über 3000 Patienten mit akutem Koronarsyndrom, die einen durchschnittlichen LDL-Cholesterinwert von 123 mg/dl aufwiesen.

Und die Heart Protection Study, die als größte Endpunktstudie in diesem Bereich gilt, führte Ende letzten Jahres zu ähnlichen Ergebnissen bei mehr als 20 000 Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko. Sie profitierten von Simvastatin ebenfalls unabhängig davon, ob ihr LDL-Cholesterin unter 100 mg/dl oder über 130 mg/dl lag. Aufgrund dieser Daten mehren sich die Stimmen, Statine nicht nur Patienten mit erhöhten Cholesterinspiegeln zu geben, sondern generell bei kardiovaskulärem Risiko, beispielsweise auch bei Diabetikern mit physiologischen Lipidwerten.

Pleitrope Effekte im Focus

In In-vitro-Untersuchungen, Tierversuchen und kleinen klinischen Studien wird nun nach den pleiotropen Effekten der Statine gesucht, also den Wirkmechanismen, die sie unabhängig von der Cholesterinsenkung zu einem antiatherosklerotischen Prinzip machen. Wesentlich scheint die Stabilisierung atherosklerotischer Plaques zu sein, insbesondere durch Reduzierung der Metalloproteinasenaktivität und Hemmung der Oxidation von LDL-Cholesterin zu atherogenem oxidierten LDL-Cholesterin (LDLox.).

Dass Fluvastatin oxidativen Stress tatsächlich hemmt, konnte im Tierversuch, aber auch bei Patienten gezeigt werden. In einer Vergleichsstudie an 40 Probanden mit Hypercholesterinämie über 16 Wochen konnte Fluvastatin den anti-LDLox.-Titer signifikant besser senken als Pravastatin, obwohl beide Statine den Cholesterinspiegel vergleichbar gut reduzierten. Und: Statine können den Stickstoffmonoxidstoffwechsel ankurbeln, der eine entscheidende Rolle für die Gefäßfunktion spielt. Sie verbessern die Verfügbarkeit von Stickstoffmonoxid und damit die Vasodilatation. Für Fluvastatin konnte gezeigt werden, dass es bei Patienten innerhalb einer sechswöchigen Therapie die Koronardurchblutung in ischämischen Bereichen verbessert.

Mehr als Lipidsenkung

Angesichts dieser Daten und der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten werden Statine bereits als Aspirin des 20. Jahrhunderts gehandelt. Was sich davon bewahrheitet, werden künftige Untersuchungen zeigen. Als sicher kann aber jetzt schon gelten, dass Statine mehr können als den Cholesterinwert senken.

Kastentext: Beschichteter Stent

Das Restenoserisiko nach einer perkutanen Koronarintervention ist hoch. Wird ein Stent gesetzt, liegt es bei etwa 15 Prozent. Derzeit wird ein Stent geprüft, der mit Sirolimus, einem Zytostatikum, beschichtet ist, um die Gewebsproliferation zu verhindern. In einer allerdings kleinen Untersuchung lag die Rezidivrate bei 0 Prozent.

Zitat

Die zukünftige Indikationsplattform der Statine werden alle kardiovaskulären Risikopatienten sein – unabhängig vom Lipidspiegel.

Prof. Dr. med. Dieter Welzel

Quelle

Prof. Dr. med. Gerd Schmitz, Regensburg, Prof. Dr. med. Wolfgang Motz, Karlsburg, Prof. Dr. med. Dieter Welzel, Regensburg; Expertengespräch "Medizinische Horizonte – HMG-CoA-Reduktasehemmung als universelles antiatherosklerotisches Prinzip", Regensburg, 12. Juli 2002, veranstaltet von der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg

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