Arzneimittel und Therapie

Fettstoffwechselstörungen: Einen Normwert für alle gibt es nicht

Ein erhöhter LDL-Cholesterinspiegel steigert das Risiko für die koronare Herzkrankheit. Weitere Risikofaktoren sind Übergewicht, Hypertonie, Diabetes mellitus und das Rauchen. Wie stark erhöhte Blutfettwerte gesenkt werden sollten, hängt vom individuellen Risikoprofil des Patienten ab, ein Normwert läßt sich nicht allgemeingültig festlegen. In der LCAS-Studie (Lipoprotein and Coronary Atherosclerosis Study) konnte gezeigt werden, daß eine Lipidsenkung mit einem CSE-Hemmer auch bei Patienten mit nur geringfügiger bis mäßiger Erhöhung des LDL-Cholesterins und koronarer Herzkrankheit die Koronararterien schützen kann.

Jeder Zweite in den Industrienationen stirbt an einer kardiovaskulären Erkrankung wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Die meisten Menschen bemerken ihre Gefäßerkrankung vor dem Eintreten eines derartigen schwerwiegenden klinischen Ereignisses nicht, und so ist häufig die Motivation zur Vorbeugung oder zur Behandlung einer symptomlosen Gefäßerkrankung gering.

Die Risikofaktoren potenzieren sich Die Risikofaktoren für die Entwicklung einer Atherosklerose sind heute weitgehend bekannt. Dazu gehören erhöhte Cholesterinwerte im Blut, eine Hypertonie, Diabetes mellitus, ein erhöhter Fibrinogengehalt im Blut und vor allem das Rauchen. Diese Risikofaktoren potenzieren sich. Ein Diabetiker, der raucht, kann auch bei nur mäßig erhöhten Cholesterinwerten sehr gefährdet sein. Der typische Patient mit koronarer Herzkrankheit hat drei bis vier Risikofaktoren: moderat erhöhtes Cholesterin, einen Hypertonus, eine diabetische Stoffwechsellage mit leicht erhöhten Werten, er raucht und hat ein ungünstiges Verhältnis Hüfte/Taille. Um das individuelle Risiko noch besser beurteilen zu können, sollte bei allen Risikopatienten auch das Lipoprotein (a) und die genetische Konstellation des Apolipoprotein-E-Musters bestimmt werden. Ein weiterer Risikofaktor ist das Auftreten der besonders atherogenen kleinen, dichten LDL, beispielsweise beim metabolischen Syndrom. Überwiegen diese LDL, ist das Herzinfarktrisiko dreifach erhöht. Als Zielwert für die Therapie gilt heute ein Gesamtcholesterinwert von unter 200 mg/dl, die Triglyceride sollten ebenfalls unterhalb von 200 mg/dl liegen, und das HDL-Cholesterin sollte höher als 35 mg/dl sein. Ohne zusätzliche Risiken sollte der LDL-Wert unter 155 mg/dl liegen, bei weiteren Risikofaktoren, ist ein niedrigerer Wert von unter 135 mg/dl zu fordern: Zwischen einem LDL-Cholesterin von 120 mg/dl und 180 mg/dl vervierfacht sich das Risiko für einen Herzinfarkt! Wenn eine Diät zur Senkung des LDL-Spiegels nicht ausreicht, sollte der entsprechende Wert mit Hilfe von Lipidsenkern angestrebt werden.

Gefährlich: instabile Plaques Die meisten Okklusionen der Koronar-arterien entstehen durch eine progrediente Lumeneinengung im Bereich fortgeschrittener, fibrotischer Läsionen. Solche Läsionen verengen das Gefäßlumen nur allmählich, sie sind meistens stabil und bleiben häufig klinisch stumm. Zwei Drittel aller Herzinfarkte gehen von Läsionen aus, die das Gefäßlumen um weniger als 70% einengen, dafür aber sehr instabil sind. Instabile Plaques besitzen einen hohen Gehalt an Lipiden. Der Lipidkern wird nur durch eine zarte, bindegewebige Kappe vom Gefäßlumen abgetrennt. Diese Kappe ist nur wenig belastbar und reißt leicht ein, was als Folge zum thrombotischen Verschluß eines Gefäßes mit einem Herzinfarkt als Folge führen kann. CSE-Hemmer reduzieren das Risiko für Gefäßerkrankungen über mehrere Mechanismen: Sie senken erhöhte LDL-Cholesterinwerte, besonders die kleinen, dichten LDL, und erhöhen das HDL. Außerdem wird über eine Sta-bilisierung der atherosklerotischen Plaques diskutiert. Die Plaques mit dem großen Lipidkern können sich wahrscheinlich im Anfangsstadium unter einer lipidsenkenden Therapie etwas zurückbilden. Außerdem können CSE-Hemmer die gestörte Funktion des Endothels und damit die Koronarperfusion verbessern.

Die LCAS-Studie In den letzten Jahren konnte in mehreren Studien gezeigt werden, daß die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen das Risiko der koronaren Herzkrankheit effektiv senken kann. In der skandinavischen 4-S-Studie zeigte sich der Vorteil einer Lipidsenkung mit dem CSE-Hemmer Simvastatin bei Patienten mit deutlich erhöhten Cholesterinwerten. Diabetiker profitierten am meisten. In der CARE-Studie wurde gezeigt, daß eine Lipidsenkung auch bei Patienten mit nur mäßig erhöhten Cholesterinwerten die koronare Herzkrankheit günstig beeinflussen kann. Die LCAS-Studie (Lipoprotein and Coronary Atherosclerosis Study) hatte zum Ziel, den Einfluß einer lipidsenkenden Therapie mit dem CSE-Hemmer Fluvastatin auf die Progression und Regression von Koronararterienstenosen bei Patienten mit milder bis mäßiger Hypercholesterinämie und koronarer Herzkrankheit zu untersuchen. Dabei wurden die Stenosen mit Hilfe der quantitativen Koronarangiographie erfaßt. Insgesamt wurden 429 Patienten (davon 349 Männer) zwischen 35 und 75 Jahren in die Studie eingeschlossen, die unter einer fettreduzierten Diät noch LDL-Konzentrationen zwischen 115 und maximal 190 mg/dl aufwiesen. Die Patienten erhielten randomisiert, doppelblind und plazebokontrolliert entweder täglich 40 mg Fluvastatin oder Plazebo. Patienten mit LDL-Konzentrationen zwischen 160 und 190 mg/dl erhielten zusätzlich (zu Plazebo oder Fluvastatin) Cholestyramin. Die gesamte Behandlungsdauer betrug 130 Wochen, eine quantitative Koronarangiographie wurde vor Beginn und am Ende der Behandlung durchgeführt. Voraussetzung zum Einschluß in die Studie war der angiographische Nachweis einer Stenose, die minimal 30 und maximal 75% ausmachen durfte, in mindestens einem Gefäß. Eine Regression der Koronarstenose wurde definiert als eine Zunahme des minimalen Durchmessers der Stenose um mindestens 0,4 mm, eine Progression als Abnahme des minimalen Durchmessers um mindestens 0,4 mm. Die Auswertung der Studie ergab:
• In der Verumgruppe nahm im Vergleich zur Plazebogruppe das LDL-Cholesterin um 23,9% ab, das HDL-Cholesterin stieg um 8,5%.
• In der Plazebogruppe wurde doppelt so häufig eine Progression der Arteriosklerose beobachtet.
• Eine Regression wurde unter Fluvastatin 4,7mal häufiger beobachtet als in der Plazebogruppe.
• In der Plazebogruppe ergaben sich 1,7mal häufiger neue Stenosen und 1,6mal häufiger ein neuer Verschluß.
• In der mit Fluvastatin behandelten Patientengruppe wurden um 24% weniger kardiale Erkrankungen oder kardiale Todesfälle beobachtet.
• Die Beeinflussung der Koronararterien hing dabei nicht vom Ausgangswert des LDL-Cholesterins ab, auch Patienten mit niedrigen Cholesterinwerten profitierten von der Therapie.

Quelle Prof. Dr. Elisabeth Steinhagen-Thiessen, Berlin, Prof. Dr. med. Reinhard Griebenow, Köln, Dr. med. Winfried März, Freiburg, Dr. med. Eckhard Stein, Hamburg, Fachpressekonferenz ≥Die LCAS-Studie und die Konsequenzen – zum Nutzen einer lipidsenkenden Therapie", München, 28. November 1997, veranstaltet von Novartis Pharma GmbH, Wehr.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.