Arzneimittel und Therapie

Lovastatin - mehr als nur Lipidsenkung?

Gesunde Patienten mit "normalen" Serum-Cholesterinwerten können mit einer Lovastatin-Prophylaxe das Risiko schwerwiegender koronarer Ereignisse um durchschnittlich 37% reduzieren. Das ist das Ergebnis einer großen epidemiologischen Studie, der AFCAPS/TexCAPS-Studie (Air Force/Texas Atherosclerosis Prevention Study). Vor allem über die Lipdsenkung hinausgehende Wirkmechanismen sollen für den Nutzen der Statine in der Primärprophylaxe verantwortlich sein.

Risikopatienten trotz normaler Cholesterinwerte


Unter den Menschen, die einen Herzinfarkt erleiden, sind viele, die normale Cholesterinwerte aufweisen und auch nicht durch bestehende koronare Herzkrankheiten vorgewarnt sind. Bei den "gesunden" Menschen muß man daher von zahlreichen Risikopatienten ausgehen, die jedoch in der Regel nicht behandelt werden, weil ihre Cholesterinwerte normal sind.
Mit der AFCAPS/TexCAPS-Studie sollte die Frage beantwortet werden, ob "gesunde" Menschen überhaupt von einer Cholesterinsenkung profitieren. In der Studie wurde untersucht, inwieweit der CSE-Hemmer Lovastatin im Vergleich mit Plazebo das Risiko "gesunder" Menschen senken kann, ein akutes kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden. Dieses war definiert als tödlicher oder nichttödlicher Herzinfarkt, als instabile Angina pectoris oder als plötzlicher Herztod.

Die AFCAPS/TexCAPS-Studie


An der prospektiven Studie, die im Durchschnitt 5,2 Jahre dauerte, nahmen 5608 Männer im Alter von 45 bis 73 und 997 postmenopausale Frauen im Alter von 55 bis 73 Jahren teil. Um in die Studie aufgenommen zu werden, mußten folgende Kriterien erfüllt werden:

  • keine Anzeichen einer Herzkrankheit,
  • Gesamt-Cholesterin zwischen 180 und 264 mg/dl,
  • LDL-Cholesterin zwischen 130 und 190 mg/dl,
  • HDL-Cholesterin bei Männern unter 45, bei Frauen unter 47 mg/dl,
  • Triglyceride unter 400 mg/dl.


Alle Teilnehmer dieser randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudie hatten zu Beginn normale Cholesterinwerte. Allein der HDL-Cholesterinwert war etwas erniedrigt (im Durchschnitt 36 mg/dl bei den Männern und 40 mg/dl bei den Frauen). Die eine Gruppe (3304 Personen) erhielt einmal täglich Lovastatin, die andere Gruppe (3301 Personen) Plazebo. Die Lovastatindosis betrug 20 mg täglich und wurde bei etwa der Hälfte der Probanden auf 40 mg täglich erhöht, um die angestrebte Cholesterinsenkung auf weniger als 110 mg/dl zu erzielen.

Deutliche Cholesterinsenkung


mit Lovastatin
In der Lovastatingruppe sanken erwartungsgemäß die Lipidwerte der Studienteilnehmer: das LDL-Cholesterin um 25 Prozent, das Gesamt-Cholesterin um 18 Prozent und die Triglyceride um 15 Prozent. Das HDL-Cholesterin erhöhte sich um 6 Prozent. In der Plazebogruppe hingegen änderten sich die Lipidwerte nur geringfügig, was klinisch nicht relevant war.
In der Plazebogruppe war die Zahl der Studienabbrecher größer als in der Lovastatingruppe, weil eine Reihe von Probanden koronare Herzkrankheiten entwickelten und mit CSE-Hemmern behandelt wurden, was einen Ausschluß von der Studie zur Folge hatte. Aus anderen Gründen verließen in beiden Gruppen ähnlich viele Teilnehmer die Studie. Nach durchschnittlich 5,2 Jahren beendeten 71% der Teilnehmer in der Lovastatin- und 63% der Teilnehmer aus der Plazebogruppe die Studie.

Weniger kardiovaskuläre Ereignisse


Die Studienteilnehmer, die Lovastatin erhielten, konnten ihr Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse signifikant um 37% im Vergleich mit Plazebo reduzieren. Während in der Plazebogruppe 183 Patienten ein akutes kardiovaskuläres Ereignis (tödlicher oder nichttödlicher Herzinfarkt, instabile Angina pectoris, plötzlicher Herztod) erlitten, waren es in der Lovastatingruppe nur 116. Im einzelnen sank das Risiko für eine instabile Angina pectoris um 32%, die Inzidenz tödlicher oder nichttödlicher Herzinfarkte sogar um 40%. Daneben verminderte sich in der Lovastatingruppe auch das Risiko für andere Ereignisse. Beispielsweise sank dort die Zahl der Patienten, die sich einer Bypass-Operation unterziehen mußten, um 33%.

Kein erhöhtes Sicherheitsrisiko


Die Behandlung mit Lovastatin wurde insgesamt gut vertragen. Die Inzidenz tödlicher oder nichttödlicher Krebserkrankungen war in beiden Gruppen ähnlich (Lovastatingruppe 252; Plazebogruppe 259). Die Gesamtmortalität betrug 80 in der Lovastatingruppe und 77 in der Plazebogruppe.

Wie schützen Statine?


Die AFCAPS/TexCAPS-Studie hat gezeigt, daß cholesterinsenkende Stoffe wie Lovastatin das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse auch bei Menschen mit normalen Cholesterinwerten senkt. Der Nutzen der Statine bei gesunden Menschen beruht wahrscheinlich auf nicht-lipiden Wirkmechanismen. Neben ihrer cholesterinsenkenden Wirkung besitzen Statine nämlich auch antiatherothrombotische Eigenschaften, das heißt, sie können Thrombosen in den Herzkranzgefäßen vorbeugen. Tierexperimentelle Studien zeigen, daß Statine in der Lage sind, die atherosklerotischen Plaques zu stabilisieren und die Bildung von neuen Plaques zu reduzieren. Das ist entscheidend, denn durch Rupturen und Erosionen der koronaren Plaques entstehen Thromben, die die Koronargefäße verstopfen und zu akutem Herzinfarkt, instabiler Angina pectoris bis hin zum plötzlichen Herztod führen können. Mit Statinen lassen sich im Tierexperiment folgende Beobachtungen machen, die eine Stabilisierung der koronaren Plaques bewirken:

  • Die Gefäße erweitern sich durch eine verbesserte Endothelfunktion.
  • Die Zahl der Entzündungszellen (T-Lymphozyten, Makrophagen) nimmt in der atherosklerotischen Plaque ab.
  • Die antioxidative Kapazität des Blutplasmas erhöht sich.
  • Die Zellen der glatten Gefäßmuskulatur vermehren sich.

Zusatznutzen über die Lipidsenkung hinaus


Statine senken das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse bei Menschen mit normalen Cholesterinspiegeln auch dann, wenn sich bereits Thromben gebildet haben. In tierexperimentellen Studien können Statine verhindern, daß sich Thromben an der Gefäßwand festsetzen und einen Verschluß des Herzkranzgefäßes verursachen. Statine verhindern nämlich die Aggregation von Thrombozyten und senken die Viskosität des Blutes. Darüber hinaus normalisieren sie die Blutgerinnung, indem sie ein gestörtes Gleichgewicht von Fibrinbildung und Fibrinolyse wiederherstellen.
Literatur
Downs J. R., M. Clearfield et al.: Primary prevention of acute coronary events with lovastatin in men and women with average cholesterol levels - Results of AFCAPS/TexCAPS. J. Am. Med. Assoc. 279, 1615-1622 (1998).
Rosenson, R. S., C. C. Tangney: Antiatherothrombotic properties of statins - Implications for cardiovascular event reduction. J. Am. Med. Assoc. 279, 1643-1650 (1998).
Michael Stein, München

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