Arzneimittel und Therapie

Migräne Liga e.V.: Modernes Migräne Management

Migränepatienten gehören seit Generationen zu den Personen, die mit ihrem Leiden leben müssen. Vorliegende Erhebungen gehen von 8 bis 10% der Bevölkerung aus. Die Zahl der Patienten mit schwerer Migräne wird mit 4 bis 5% angesetzt. Dies bedeutet, dass 3,28 bis 4,10 Millionen Patienten in Deutschland unter starker Einschränkung der Lebensqualität bei gleichzeitig hoher psychischer, physischer und sozialer Belastung leben müssen.

Akuttherapie des Migräneanfalls

Die Möglichkeit, akut auftretende Migräneattacken effektiv, schnell und nebenwirkungsarm behandeln zu können, reduziert den Leidensdruck der betroffenen Patienten entscheidend. Die medikamentöse Attackenbehandlung steht damit zwangsläufig im Zentrum jeder Migränetherapie. In jüngster Zeit haben sich die Therapieoptionen zur Behandlung der Migräne sowohl quantitativ als auch qualitativ entscheidend weiterentwickelt.

Akute und seltene Kopfschmerzattacken erfordern eine ausreichend hoch dosierte Akutmedikation von Acetylsalicylsäure oder Paracetamol (500 bis 1000 mg), aber auch neue galenische Verbesserungen altbewährter nichtsteroidaler Antiphlogistika, die zu spezifischen Zulassungen bei Migräne geführt haben: Acetylsalicylsäure (Aspirin® Migräne), Ibuprofen-Lysinat (Dolormin®-Migräne), Diclofenac-Kalium (Voltaren®-K Migräne).

Alle sollten bei mit Übelkeit verbundener Migräne mit der initialen Gabe eines Antiemetikums (Domperidon) oder Motilitätsförderers (Metoclopramid) kombiniert werden. Beide Mittel steigern die im Anfall verzögerte Magen-Darm-Tätigkeit und verbessern damit die Resorption der nachfolgend eingenommenen Medikamente. Ab dem 18. Lebensjahr sind auch die spezifischeren Serotoninagonisten (Triptane) zugelassen. Zu nennen sind hier in der Migräneakuttherapie die neuen Triptane Almotriptan (Almogran®), Eletriptan (Relpax®) und Frovatriptan (Frova®).

Medikation individuell anpassen

Ein qualitativer Fortschritt in der Migränetherapie ist der Schritt weg vom Einsatz von starren Stufenschemata hin zu individuellen Wechselschemata. Traditionell sollten Patienten mit leichten Attacken mit einem Antiemetikum und einem Analgetikum behandelt werden und Patienten mit schweren Attacken mit einem Triptan.

Moderne Therapiestrategien hingegen favorisieren ein hohes Maß an Flexibilität: Je nach aktueller Attackenausprägung eines Patienten können sowohl Antiemetika, Analgetika oder Triptane allein als auch in Kombination eingesetzt werden. Damit ist es möglich – aber auch erforderlich – geworden, die Akutbehandlung an die individuellen Bedürfnisse der Patienten und die Phänomenologie der Migräne anzupassen, um einen optimalen Therapieerfolg zu erzielen.

Die Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die Therapiemöglichkeiten bei einer noch gering ausgeprägten Migräneattacke (Strategie A) und bei bereits fortgeschrittener Migräneattacke (Strategie B). Gleichzeitig sind die Behandlungsprioritäten bei Auswahl der verschiedenen Triptane erläutert.

Die medikamentöse Migräneprophylaxe

Grundsätzlich unterscheidet man in der medikamentösen Migränetherapie zwischen der Akuttherapie und der prophylaktischen Behandlung. Eine Migräneprophylaxe ist nach Empfehlung der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) dann erforderlich, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien zutrifft:

  • Mindestens zwei Attacken im Monat
  • Anfälle mit einer Dauer von 48 Stunden
  • unerträgliche Schmerzen
  • neurologische Ausfälle wie Schwindel, Kribbeln, Sehstörungen

Akutmedikamente sind zur Bekämpfung einer akuten Schmerzattacke hochwirksam, aber sie führen nicht zu einer Beeinflussung der Migräne an sich. Wenn es jedoch gelingt, die Häufigkeit, Stärke und Dauer der Beschwerden langfristig zu vermindern, führt das zu einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität des Patienten. Dieses Ziel wird mit einer vorbeugenden Migränetherapie angestrebt. Ein weiterer positiver Effekt ist dabei, dass sich unter der Prophylaxe auch der Verbrauch von Schmerzmitteln zur Akuttherapie vermindern lässt.

Prophylaxe mit Pestwurz

Die Pestwurz (Petasites hybridus) gehört zur Familie der Korbblütler und hat in der Heilpflanzenkunde eine lange Tradition. Ihr Name stammt wahrscheinlich aus dem Mittelalter, wo man sie zur Behandlung der Pest wegen ihrer schweißtreibenden Wirkung einsetzte. Die arzneiliche Anwendung lässt sich bis ins erste Jahrhundert zurückverfolgen. In der Phytotherapie wird die Pestwurz als krampflösend, schmerzstillend und vegetativ ausgleichend beschrieben. Auch vasomotorischer Spannungskopfschmerz, Nacken- und Rückenschmerzen, Asthma bronchiale sowie Spasmen im Urogenitalbereich sind Anwendungsfelder.

Das Medikament besteht aus einem Spezialextrakt, gewonnen aus dem Wurzelstock. Der Extrakt ist auf die beiden Leitsubstanzen Petasin und Isopetasin standardisiert. Man geht jedoch davon aus, dass sich das wirksame Prinzip von Petasites hybridus nicht auf wenige Inhaltsstoffe reduzieren lässt, sondern der gesamte Extrakt als wirksames Prinzip anzusehen ist.

Petasites hybridus enthält eine Vielzahl von Inhaltsstoffen, die zu den Terpenen gehören. Ferner sind in der Pflanze ätherisches Öl, β-Sitosterol und Pyrrolizidinalalkaloide enthalten. Durch ein neuartiges patentiertes Herstellungsverfahren – die Extraktion mit flüssigem Kohlendioxid unter erhöhtem Druck – ist es gelungen, dass die als schädlich eingestuften Pyrrolizidinalkaloide im so gewonnenen Petasites-Extrakt nicht mehr nachweisbar sind.

Spezialextrakt ohne Pyrrolizidinalkaloide

Die Wirksamkeit von Extr. Rad. Petasites spiss. (Pedatolex®) in der Migräneprophylaxe wurde in einer internationalen multizentrischen randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten dreiarmigen Parallelgruppenstudie bei insgesamt 202 Patienten untersucht. Das signifikante Ergebnis zeigte für 71 Prozent der Patienten mit Migräne mindestens 50 Prozent weniger Attacken (Responder). Im Mittel wurden die Migräneanfälle um 58 Prozent gesenkt, während die Plazebo-Vergleichsgruppe nur 26 Prozent erreichte.

Migräne bei Kindern und Jugendlichen

Das Leiden stellt Eltern und Ärzte vielfach vor große Probleme. Einerseits sind die Kinder in ihrer Lebensfreude stark eingeschränkt, andererseits will man nicht so recht mit den Erwachsenen-Medikamenten arbeiten. Dennoch: Die kindliche Migräne ähnelt in vielem der von Erwachsenen, die Attacken sind allerdings häufig kürzer, meist ein bis sechs Stunden.

Die Migräne geht bei Kindern häufig mit vegetativen Begleiterscheinungen einher, wie Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen. Die kleinen Patienten sind meist extrem licht- und lärmempfindlich. Der pulsierende Schmerz ist oft nicht auf eine Seite beschränkt, sondern betrifft beide Kopfhälften und die Stirn. Nicht selten treten auch Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen ohne Kopfschmerzen auf. Neben einer ausführlichen Anamnese ist eine sichere neurologische Ausschluss-Diagnostik erforderlich.

Vorbeugende Behandlung bei häufigen Migräne- Attacken

Bei mehr als zwei Migräneanfällen im Monat ist eine Intervalltherapie sinnvoll. Mittel der ersten Wahl ist der Betablocker Metoprolol (Beloc®) in einer Abendgabe. Bei Therapie-Resistenz hat sich auch der Calciumantagonist Flunarizin (Sibelium®) bewährt. Die Therapie erfolgt über drei Monate und wird allgemein sehr gut vertragen. Auch bei Kindern hat sich der Pestwurz-Extrakt bewährt. Erste Ergebnisse einer offenen prospektiven Studie (durchgeführt als Anwendungsbeobachtung gemäß § 67, Abs. 6 AMG) mit 100 Kindern zeigen bei über 80 Prozent der Kinder eine Reduktion der Anfallshäufigkeit um mindestens 50 Prozent.

Dieser positive Effekt scheint auch nach Absetzen des Mittels anzuhalten. Gerade bei Kindern lässt sich nämlich die Wirksamkeit der Behandlung von Kopfschmerzen daran ablesen, dass die Kinder verbleibende Kopfschmerzen ohne Analgetika und Ausfall von Beschäftigungen bewältigen können.

Mit der Migräne leben

Zentraler Punkt bei der nichtmedikamentösen Migräne-Therapie ist es, die Eigenverantwortung zu erkennen und mit den verschiedenen Entspannungsverfahren zu behandeln. Hier bieten sich an: autogenes Training, progressives Muskeltiefenentspannungstraining nach Jacobson, Thai Chi, Qigong oder Yoga bzw. Meditation. Erforderlich ist das tägliche Üben und die konsequente Anwendung im Alltagsleben. Hilfreich ist auch leichter Ausdauersport wie Wandern, Joggen und Radfahren.

Das Ziel muss es sein, mit mehr Gelassenheit Alltagssituationen, Stress sowie Konflikte zu erkennen und abzubauen. Die Patienten, welche oft sehr pflichtbewusste, selbstbeherrschte und altruistische Persönlichkeiten sind, müssen lernen auch einmal Nein zu sagen. Bei bestehenden, kaum zu beeinflussenden Spannungsfeldern im privaten wie im beruflichen Alltag sollte man sich als Migränepatient nicht scheuen, psychotherapeutische Hilfe (z. B. Verhaltenstherapie) in Anspruch zu nehmen.

Im alltäglichen Leben sind erkannte Auslöser von Migräneattacken wie Schlafdefizit oder unregelmäßige Schlafenszeiten zu meiden. Auch ist es sehr wichtig, Unverträglichkeiten von Nahrungsmitteln oder deren Inhaltsstoffen aufzudecken und auf die entsprechenden Speisen und Getränke (Käse, Schokolade, Zitrusfrüchte, Rotwein, Glutamat, Farb- und Konservierungsstoffe) zu verzichten. Die Nahrung sollte so naturbelassen wie möglich sein.

Quelle

Nikolai Karheiding, Migräne Liga e.V.; Prof. Dr. H. Göbel, Dr. med. Axel Heinze, Schmerzklinik Kiel; Dr. med. Jan Brand, Migräneklinik Königstein/Taunus; Dr. Raymund Pothmann, Neuropädiatrisches Zentrum und Schmerzambulanz, Oberhause; Katja Heinze-Kuhn, Axel Heinze und Hartmut Göbel, Neurologisch-verhaltensmedizinische Schmerzklinik Kiel, Migräne-Erlebnistag, 21. Juni 2002, Mainz-Lerchenberg

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