Selbstmedikation

Triptane in der Selbstmedikation

Sorgfältige Beratung von Migränepatienten ein Muss

Mit Naratriptan und Almotriptan stehen derzeit zwei Triptane für die Selbstmedikation der Migräne zur Verfügung. Sie sind hochwirksam und im Allgemeinen gut verträglich. Doch es gibt Fallstricke. Deshalb erfordern sie eine sorgfältige Beratung, die Kontraindikationen, Nebenwirkungen und Interaktionen ebenso umfasst wie den richtigen Einnahmezeitpunkt. Doch zuallererst muss die Frage geklärt werden: Hat der Patient tatsächlich eine Migräne?
Foto fred goldstein – Fotolia.com
Zur Migränetherapie stehen für die Selbstmedikation Naratriptan und Almotriptan zurVerfügung. Werden die Kontraindikationen beachtet, sind Triptane gut verträglich. Triptanemüssen nicht unbedingt zu Beginn einer Attacke eingenommen werden, sie wirkenzu jedem Zeitpunkt innerhalb einer Attacke. Die Wirkung ist allerdings nach frühzeitigerGabe besser.

Migräne ist häufig: 17% der Frauen und 6% der Männer leiden darunter. Empfohlen für die Selbstmedikation bei leicht- bis mittelgradiger Migräne mit und ohne Aura wird von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft die frühzeitige und hochdosierte Einnahme gängiger Schmerzmittel, wie sie auch beim Spannungskopfschmerz eingesetzt werden. Geeignet für die Monotherapie sind etwa Acetylsalicylsäure 1000 mg, Ibuprofen 400 mg oder auch Paracetamol 1000 mg. Ebenfalls zu den Mitteln der ersten Wahl gehört die fixe Kombination aus Acetylsalicylsäure plus Paracetamol plus Coffein. Lässt sich die Migräneattacke damit nicht mehr ausreichend behandeln, können als spezifische Migränemittel Triptane eingesetzt werden, deren erster Vertreter Sumatriptan 1992 zugelassen wurde. Bei dieser sehr effektiven Wirkstoffgruppe handelt es sich um 5-HT1B/1D-Agonisten. Die Aktivierung der 5-HT1B-Rezeptoren führt zu einer Vasokonstriktion zerebraler Gefäße. Der Agonismus am 5-HT1D- Rezeptor hemmt die Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie Substanz P und CGRP (Calcitonin gene-related peptide, siehe Kasten "Neues aus der Migräneforschung") aus den meningealen Trigeminusfasern.

Naratriptan und Almotriptan für die Selbstmedikation

Zwei Triptane stehen inzwischen in einer Packungsgröße von jeweils zwei Tabletten auch für die Selbstmedikation zur Verfügung:

  • Naratriptan 2,5 mg/Tablette unter dem Handelsnamen Formigran®

  • Almotriptan 12,5 mg/Tablette unter dem Handelsnamen Dolortriptan®

Die Begrenzung der Packungsgröße auf zwei Tabletten ist darauf zurückzuführen, dass auch für Triptane die Regel gilt, dass sie nicht häufiger als an zehn Tagen im Monat eingesetzt werden sollten. Die beiden Triptane sind zugelassen zur akuten Behandlung von Kopfschmerzen bei Migräneanfällen mit oder ohne Aura bei Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren. Naratriptan wird eher bei mittelschweren oder lang andauernden Migräneattacken empfohlen, Almotriptan wegen der stärkeren Wirksamkeit bei heftigeren Migräneattacken. Formigran®und Dolortriptan® sind nicht erstattungsfähig. Dagegen sind Almogran® (Wirkstoff: Almotriptan) und Naramig® (Wirkstoff: Naratriptan), die pro Packung mehr Tabletten in gleicher Dosierung enthalten, nach wie vor rezeptpflichtig und erstattungsfähig. In Kürze könnte noch ein drittes Triptan von der Verschreibungspflicht freigestellt werden: Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht beim BfArM hat für Zolmitriptan diese Empfehlung bereits ausgesprochen. Weiterhin verschreibungspflichtig sind neben Zolmitriptan (Ascotop®) Sumatriptan (Imigran®), Rizatriptan (Maxalt®), Eletriptan (Relpax®) und Frovatriptan (Allegro®).

Neues aus der Migräneforschung


Mit der Entwicklung der Triptane ist das Ende der Fahnenstange in der Migränetherapie längst nicht erreicht. Auf der 3. Dreiländertagung, bei der sich Kopfschmerz-Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Pontresina trafen, wurden vor allem Innovationen diskutiert. Dazu gehören selektive 5-HT1F-Agonisten, die ausschließlich im Gehirn wirken und keine peripheren Effekte zeigen, insbesondere keine Vasokonstriktion peripherer Gefäße. Ebenfalls im Fokus sind Antagonisten gegen CGRP (Calcitonin gene-related peptide). Der Entzündungsmediator ist während einer Migräneattacke erhöht und scheint wesentlich für den inflammatorischen Prozess verantwortlich. Auch die Wirkung von Triptanen ist letztlich unter anderem auf die Hemmung der CGRP-Freisetzung zurückzuführen. CGRP-Antagonisten blockieren direkt den CGRP-Rezeptor. Telcagepant erwies sich dabei als ähnlich wirksam wie 5 mg Zolmitriptan. Seine Entwicklung wurde allerdings aufgrund einer Transaminasenerhöhung eingestellt. Noch untersucht wird BI-44370TA, das in einer Phase-II-Studie ähnlich wirksam war wie 40 mg Eletriptan. Eine Renaissance könnte Dihydroergotamin in neuer Galenik, nämlich als Dosieraerosol, erleben. Wirksamkeit auch bei später Gabe, lange Wirkdauer und rasche pulmonale Absorption gelten als Vorteile.

Zuerst prüfen: Ist der Kopfschmerz eine Migräne?

Triptane in der Selbstmedikation eröffnen dem Patienten eine effektive Therapie auch der schweren Migräne ohne Arztbesuch, erfordern gleichzeitig aber eine sorgfältige Beratung in der Apotheke. Zunächst gilt es abzuklären, ob der Patient tatsächlich an einer Migräne leidet. Sie zeichnet sich aus als pulsierender Kopfschmerz meist einseitig, wobei die Seite von Attacke zu Attacke wechseln kann. Zusätzlich treten Übelkeit und Erbrechen auf, ebenfalls typisch sind Licht- und Lärmempfindlichkeit. Diese Symptome sollten deshalb im Beratungsgespräch abgefragt werden, es sei denn die Migräne ist lange bekannt und von einem Arzt bereits bestätigt. Dagegen sollte der Patient an einen Arzt verwiesen werden, wenn

  • unklar ist, ob tatsächlich eine Migräneattacke vorliegt;

  • es vermeintlich die erste Migräneattacke ist;

  • der Patient sehr häufig unter einer Migräneattacke leidet (vier mal pro Monat und mehr);

  • die Attacke länger als 24 Stunden dauert;

  • der Patient sich nach der Attacke nicht vollständig erholt, denn Migräneattacken treten episodisch auf;

  • wenn sich die Migräneattacke im Vergleich zu früheren Attacken in Dauer und Schwere deutlich verschlimmert.

Achten Sie auch auf Symptome, die auf schwere neurologische Erkrankungen hindeuten könnten, wie einseitige Bewegungseinschränkung, Doppeltsehen, Bewusstseinsstörungen oder auch Kopfschmerzen nur auf der Rückseite des Kopfes. Diese Patienten gehören zum Arzt. Die Wirksamkeit eines Triptans kann im Übrigen nicht als Nachweis verwendet werden, dass es sich bei dem Kopfschmerz tatsächlich um eine Migräneattacke handelt. Triptane können auch bei einigen anderen Kopfschmerzformen wirksam sein.

Achtung Triptan!


Von den selektiven Serotonin-(5-HT1B/1D-)Agonisten sind bekannt:


  • unerwünschte Wirkungen:

Übelkeit, Erbrechen, Parästhesien, Engegefühl in Brust- und Halsbereich, Arrhythmie und Myokardinfarkt, epileptische Anfälle bei bestehender Epilepsie


  • Interaktionen

Verstärkung der Wirkungen durch MAO-Hemmer, SSRI (Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin), Clomipramin und Lithium, wechselseitige Verstärkung der Vasokonstriktion mit Ergotamin/Dihydroergotamin;

Rizatriptan: Dosis maximal 5 mg bei Einnahme von Propranolol


  • Kontraindikationen

nicht- oder nicht ausreichend behandelte Hypertonie, koronare Herzerkrankung, Angina pectoris, Myokardinfarkt in der Vorgeschichte, M. Raynaud, arterielle Verschlusskrankheit der Beine, TIA oder Schlaganfall, Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder, Alter > 65 Jahre, schwere Leber- oder Niereninsuffizienz, multiple vaskuläre Risikofaktoren

Kardiovaskuläre Risiken abchecken

Beide für die Selbstmedikation zugelassenen Triptane gelten als besonders nebenwirkungsarm. Dennoch sollte über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt werden, wie Schwindel, Schläfrigkeit (Cave: Verkehrstüchtigkeit), Übelkeit und Erbrechen. Bei anhaltendem Engegefühl und Schmerzen in Brust und Halsbereich sollte der Arzt konsultiert werden. Nicht eingesetzt werden dürfen Triptane bei Herz- und Gefäßerkrankungen, wie koronarer Herzkrankheit, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacken in der Anamnese, schwerer oder nicht kontrollierter Hypertonie oder einer peripheren Gefäßerkrankung. Auch schwere Leberfunktionsstörungen schließen den Einsatz aus. Diese Kontraindikationen müssen im Beratungsgespräch abgecheckt werden. Besondere Vorsicht ist bei Schwangeren und Stillenden geboten. Sie sollten vor der Einnahme eines Triptans mit ihrem Arzt Rücksprache nehmen.

Geht nicht: Triptan plus MAO-Hemmer, SSRI oder SNRI

Interaktionen treten vor allem mit Substanzen auf, die ebenfalls den Serotoninstoffwechsel beeinflussen. Bei gleichzeitiger Behandlung mit MAO-Hemmern, SSRI oder SNRI besteht das Risiko eines Serotonin-Syndroms durch Überaktivierung serotonerger Rezeptoren. Auch Johanniskraut sollte nicht gleichzeitig eingenommen werden.

Der richtige Einnahmezeitpunkt

Triptane sind nicht für die Prophylaxe geeignet. Sie sollten aber so früh wie möglich bei Auftreten erster Symptome nach der Aura eingenommen werden. Triptane wirken allerdings auch noch, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt der Attacke appliziert werden. Dabei können sie unabhängig von der Mahlzeit eingenommen werden. Empfehlenswert ist es, zunächst eine Tablette zu schlucken. Die zweite Tablette ist indiziert, wenn die Beschwerden innerhalb von 24 Stunden erneut auftreten. Zwischen der ersten und zweiten Einnahme sollte bei Almotriptan mindestens ein Abstand von zwei Stunden liegen, bei Naratriptan von vier Stunden. Wirkt die erste Dosis nicht, lässt sich auch durch Applikation einer weiteren Dosis während derselben Migräneattacke kein Effekt erzielen. Da Patienten individuell auf Triptane ansprechen, kann bei Non-Respondern das jeweils andere Triptan versucht werden. Gleiches gilt auch bei Unverträglichkeiten.

Cave Serotoninsyndrom


Triptane sollten nicht gleichzeitig mit Substanzen gegeben werden, die den Serotoninstoffwechsel beeinflussen. Es kann zum sogenannten Serotoninsyndrom kommen, das sich in autonom-vegetativen Symptomen wie Puls- und Blutdruckanstieg, Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen, Pupillenerweiterung oder in zentralnervösen Symptomen wie Unruhe, Koordinationsstörungen, Halluzinationen zeigt. Auch neuromuskuläre Störungen wie Tremor und gesteigerte Reflexe bis hin zu Muskelkrämpfen können auftreten. Ist auch die Atemmuskulatur betroffen, so kann das Serotoninsyndrom lebensbedrohlich sein. Wegen der unterschiedlichen Verstoffwechslung der Triptane dürfte das Risiko der Entwicklung eines Serotoninssyndroms unter Eletriptan, Naratriptan und Frovatriptan bei gleichzeitiger Einnahme von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI) am geringsten sein. Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) weist darauf hin, dass grundsätzlich Patienten, die gleichzeitig Triptane und Antidepressiva aus der Gruppe der SSRI oder SNRI einnehmen, besonders sorgfältig ärztlich begleitet werden sollten. Die Gefahr, dass bei gleichzeitiger Einnahme von Triptanen und bestimmten Antidepressiva ein Serotoninsyndrom auftritt ist zwar so gering, dass nicht generell von einer Kombination dieser Präparate abgeraten werden muss, trotzdem sollte auf die oben beschriebenen Symptome geachtet werden.

Cave Medikamenten-induzierter Kopfschmerz

Als wesentlicher Grund für die Begrenzung der Packungsgröße für Triptane in der Selbstmedikation gilt das Risiko eines Medikamenten-induzierten Kopfschmerzes. Dazu sind Triptane ebenso in der Lage wie Ergotamine und Schmerzmittel. Typisch ist die kontinuierliche Zunahme der Attackenhäufigkeit. Um das zu vermeiden, wird die Anwendung der Triptane auf zehn Tage pro Monat begrenzt.


Quelle

Göbel, H.: Selbstmedikation mit Triptanen, publiziert am 29. Juni 2011, www.schmerzklinik.de

Akuttherapie und Prophylaxe der Migräne. Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, www.dmkg.de

Formigran® Beratungsleitfaden www.formigran.de/static/files/637_formigran_beratungsleitfaden.pdf

Fachinformationen der Triptane


Apothekerin Dr. Beate Fessler



DAZ 2012, Nr. 26, S. 53

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