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Neuronale Defekte: Der Nicotinrezeptor als Target

Über neue Liganden und In-vivo-Tracer an neuronalen nicotinischen Acetylcholinrezeptoren referierte Frau Dr. D. Gündisch, Bonn, am 4. Juni im Rahmen des Pharmazeutisch-lebensmittelchemischen Colloquiums der Universität Münster. Obwohl viele Gifte ihre Wirkung über die Nicotinrezeptoren entfalten, könnten einige Krankheiten über Nicotinrezeptoren günstig beeinflusst werden.

Eine große Rezeptorfamilie

Die nicotinischen Acetylcholinrezeptoren (nAchR, kurz: Nicotinrezeptoren) übernehmen im Körper vielfältige Aufgaben bei der Übermittlung vagaler Reize und an der muskulären Endplatte. Neuronale nAchR sind im Thalamus (hier findet sich in hoher Dichte ein neuronaler Subtyp), im Cortex, Neocortex und u .a. im Hippocampus lokalisiert. Sie vermitteln nicht nur den "Kick" beim Rauchen (Nicotin), sondern könnten auch bei der Schmerzbehandlung und bei der Entwicklung von Präparaten für M. Alzheimer und M. Parkinson eine Rolle spielen. Die unterstützende Behandlung des Tourette-Syndroms mit Nicotinpflastern wurde in einer klinischen Studie schon erfolgreich getestet.

Die nAchR sind Pentamere, die sich aus alpha- und beta-Untereinheiten zusammensetzen. Sie können als homomere alpha-Rezeptorsubtypen oder als heteromere Rezeptorsubtypen vorkommen. Die Rezeptorsubtypen sind im Körper unterschiedlich lokalisiert, was es (theoretisch) ermöglicht, selektive Agonisten oder Antagonisten als Arzneimittel mit geringer systemischer Toxizität zu entwickeln.

Abwandlung von Naturstoffen

Ausgehend von verschiedenen Naturstoffen, entwickelte Frau Dr. Gündisch (zum Teil auch in Kooperation) Derivate, die sich in ihrem Rezeptorprofil unterscheiden. Der Frosch Epipedobates tricolor scheidet mit seinem Drüsensekret das hochgiftige Epibatidin aus, Methyllycaconitine finden sich im Rittersporn Delphinium genius, Ferruginin in Darlingia ferruginea; das für die Synthese besonders interessante Anatoxin-a stammt aus der Blaualge Anabaena flos-aquae.

Durch gezielte Abwandlung der Strukturen konnten Verbindungen entwickelt werden, die zu dem neuronalen (α4)2(β2)3-Nicotinrezeptor eine höhere Affinität haben. Insgesamt sind die Derivate aber noch zu toxisch, da sie Interaktionen zu peripheren Subtypen wie z. B. α3β4 (Lokalisation u.a. in den Nebennieren) und zum muskulären Subtyp zeigen. Dennoch hofft die Vortragende, über Struktur-Wirkungs-Beziehungen hier noch weitergehende Erfolge zu erzielen.

Durch radioaktive Markierung von Rezeptorliganden können In-vivo-Tracer für die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) oder die Single-Photonen-Emissions-Computer-Tomographie (SPECT) gewonnen werden. Markiertes Nicotin flutet zu schnell an und ab, sodass sich eher der Blutfluss als eine Rezeptorbindung darstellen lässt; auch zeigt der Naturstoff zu geringe Affinitäten zu bestimmten neuronalen Subtypen. 18F- oder 123I-markiertes Epibatidin ist derart toxisch, dass selbst die eingesetzten wenigen Mikrogramm beim Affen noch Atembeschwerden auslösen.

Mit einem neuen halogenierten Azetidinanalogon aus einer 3-Pyridyl-Ether-Serie gelang die bildnerische Darstellung der neuronalen (α4)2(β2)3-Nicotinrezeptoren beim Affen sehr gut. Frau Gündisch hofft, dass bald die ersten Versuche an Probanden durchgeführt werden können, was sich beispielsweise für eine frühe Alzheimerdiagnostik nutzen ließe.

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